Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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auf der Bühne, ich glaube, wir bestritten überhaupt so ungefähr das Repertoire — bekam ich allabendlich ein Brot mit dem von mir vielgeliebten Kräuterkäse; keine Macht der Erde hätte mich bewogen, dieses Brot hinter der Szene wieder abzuliefern. Das erstemal wurde der Versuch gemacht, es mir abzunehmen. Ich störte um ein Haar die ganze Vorstellung; ich widersetzte mich dem Requisiteur, ich begann zu schreien und umklammerte die Versteifungen der Kulissen . . . Aber mein Brot gab ich nicht wieder her! So ließ man mir's endlich, und ich behielt es — Abend für Abend . . . Im Alter von fünf Jahren trat — die Liebe zum erstenmal in mein Leben; ich spielte den Prinzen Mamilius in Shakespeares „Wintermärchen", und meine Liebe galt dem schönen König! Sein kräftig naturalistisches Spiel hinterließ blaue Flecke auf meinen dünnen Kinderärmchen, ich aber war stolz auf sie und verbarg sie ängstlich vor meiner Mutter. Wie ein Märtyrer ertrug ich diese „Wunden meiner Liebe", waren sie doch von meinem „angebeteten" König. Und dies, mein Geheimnis, war mir wertvoller als die mir aus den Logen zugeworfenen Süßigkeiten, mit denen ich sogar zum Entsetzen meiner guten Mutter auf der Bühne Fangball spielte und mich auch durch den herabgehenden Vorhang nicht darin stören ließ, so daß ich plötzlich zur Erheiterung des Publikums allein vor dem Vorhang stand. Die Schule verlief brav und gut, das heißt, sie hatte an mir nicht viel auszusetzen. Man lobte mich sogar recht auffallend, man erkannte an, daß meine Neigung zum Theater den Schularbeiten nicht abträglich sei, und man vertröstete mich auf die Zeit, in der ich mich den Kuckuck um fremde Sprachen würde zu kümmern haben. Daß dieser Trost nur eine unzureichende Sache war, erfuhr ich einige Jahre später, als ich, von einem ungezügelten Freiheitsdrang beseelt, kurz entschlossen meine Sachen packte und auf und davon ging. Der radikale Wunsch nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit, auf gut Deutsch: die Flucht aus dem Elternhaus, ist also auch mir nicht erspart gebliebsn, wenngleich die Widersprüche in mir mich auf eine ganz besonders bockige Idee brachten, nämlich auf die, nie und nimmer Schauspielerin zu werden. Mein Ziel war England; und so verbrachte ich zwei Jahre in England, Schottland und Irland, büffelte Sprachen und scharwerkte schlecht und recht drauf los. Und alles das nur. um auf keinen Fall auf die Bühne angewiesen zu sein, sondern etwas Gutbürgerliches zu können: Sprachen. Meine Antipathie gegen das Rampenlicht wuchs mit der Entfernung von der Bühne ins Ungemessene. Und nicht nur vom Rampenlicht wollte ich mich immer weiter entfernen, sondern auch von Deutschland. Ich kaufte mir ein Billett nach Kauada und wartete 10 nun nur noch auf den Abreisetermin, als mich irgendeine wichtige Nachricht plötzlich zurückrief. Also überquerte ich den Kanal, erreichte Holland, den Rhein . . . Deutschland. Und . . . meine ganze Fahrt nach Kanada fiel trotz des bereits gelösten Tickets ins Wasser; ich blieb in München sitzen. Mein erster Maskenball . . . Viel weiß ich nicht mehr von ihm — nur, daß ich tanzte — tanzte, bis zum Morgengrauen, — ich trug eins meiner Lieblingskostüme, ein Apachenkleid, und war voll übermütigster Laune. Es machte mir Freude, die „Herren der Schöpfung" an der Nase herumzuführen. Man bat mich um Wiedersehen — um Telephonanrufe. Ich sagte sie allen zu und bat mir gewissenhaft jedesmal Adresse und Visitenkarte aus, die man bereitwilligst gab. Unter anderem war ein Schauspieler darunter, der mir eindringlichst riet, zur Bühne zu gehen. Da er selbst ein angesehener Lehrer war, muß es ihm wohl ernst gewesen sein — doch ich lachte ihm übermütig ins Gesicht und erwiderte: „Ausgeschlossen!" Dennoch drängte auch er mir seine Karte auf. — Uebermütig und harmlos wie alle diese schönen vergangenen Münchener Feste ging auch dieses zu Ende. Heimgekehrt — noch im Tanztaumel — fielen mir die gedankenlos in den Kleidausschnitt gesteckten Karten ein — einer plötzlichen Eingebung folgend, verstreute ich sie mit raschem Ruck im Zimmer und nahm mir vor: „Wessen Karte am weitesten fliegt, den rufst du an!" Fatum! Es war die Karte des Schauspielers — ich hielt das mir gegebene Wort, er wurde mein Lehrer! So kam ich zur Bühne . . . Ich erhielt einige Monate Unterricht, und dann hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, mein zweites Theaterdebüt zu versuchen. Ich bewarb mich bei einer mitteldeutschen Bühne und wurde aufgefordert, mich sehen zu lassen. Rauf auf die Eisenbahn . . ., und wieder raus dort, wo ein breiter Fluß nach vielen Windungen in einem anderen aufgeht. Ich kletterte die Stiege zum Direktionszimmer hinauf, voller Angst, daß man mich nicht nehmen könnte. — und gleichzeitig voller Furcht, daß ich genommen werden könnte. Ich wollte wohl zur Bühne . . .. haßte sie aber aus irgendeinem unkontrollierbaren Grunde mit fast noch größerer Kraft als ich sie suchte. Der Theaterdirektor — stellt einige Fragen, betrachtet mich — und findet, daß ich geeignet bin. Mein Gott! denke ich, — er nimmt dich! Und ich stürze, wie ich da bin, zur Tür, laufe auf den Korridor und hetze die Treppe hinab. Endlich bin ich unten und will zum Ausgang hinaus, — da steht der Direktor vor mir: „Aber Kind, was ist denn los?" Ich bin atemlos vom Laufen, lasse mich in den Lift verfrachten, mit dem er, schneller als ich, heruntergekommen war, und