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Von
WALTER SLEZAK
Die Zeiten, in denen mein Vater sich mit mir über den Fiedelbogen meiner Schwester unterhalten konnte, sind jetzt endgültig vorüber . . . Unsere Wege haben sich getrennt
ein für allemal : er wohnt im „Adlon" . . . und ich in einer schmächtigen Schauspielerbude, von der aus man auf die entlaubten Kronen alter Linden hinabstarrt . . .
Meinem Vater genügt das einfache Wort nicht in seiner Kunst, er muß es singen; — ■ mir ist in meiner Kunst das einfache Wort schon zu viel: ich spiele stumm. Ist ein größerer Gegensatz zwischen Vater und Sohn zu denken?
Und nun soll ich, der stumme Mime, von mir noch plaudern?
Ich bin doch kein Dichter wie mein Vater! Sollten Sie aber das Wort „plaudern" mit dem Ausdruck „schmusen" verwechselt haben, so wird es eher gehen, denn schmusen konnte ich schon in der Schule.
Da war ich überhaupt ungemein beliebt
leider nur in den Pausen, denn während der Unterrichtsstunden hatte ich gewöhnlich wenig Zeit, mich mit meinen Lehrern zu befassen; da genoß ich auch meine erste schauspielerische Ausbildung durch Selbsterziehung.
Der Umstand, daß ich immer unvorbereitet war, zwang mich zu allen erdenklichen mimischen Darbietungen, die in besonders dringenden Fällen bei fingierten Ohnmächten bis in die Arme meiner Professoren führten. In den letzten Jahren meines wildbewegten Schullebens war ich schon so gereift, daß ich auf Befehl sofort blaß werden, erröten, geschwollene Halsadern, ja sogar Schreikrämpfe bekommen konnte. Ob man es mir geglaubt hat, weiß ich nicht, jedenfalls wurde es immer höflich-schweigend zur Kenntnis genommen.
Wie ich auf diese Art und Weise durchs Gymnasium kam, ist mir schleierhaft, jedenfalls hatte ich eines Tages mein Reifezeugnis in der Tasche und dachte angestrengt darüber nach, was für einen Beruf ich ergreifen sollte. Auf die gloriose Idee, mich für meine mimischen I >arbietungen bezahlen zu lassen und dadurch kärglich mein Leben zu fristen, kam ich erst später. Ich folgte zunächst dem Rufe meines Vaters und wurde Bankier. Ich registrierte das Kopierbuch, klebte Briefmarken auf und spitzte Bleistifte. Durch einen Zufall kam ich an die Börse und begann sofort — es war in der Inflationszeit —
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für eigene Rechnung Transaktionen zu machen, was mir auch gelang, bis es eines Tages mißlang und ich schuldbeladen in die Arme meines durch mich schwergeprüften Vaters sank. Da wurde ich nunmehr in der Buchhaltung verwendet. Einige Monate nach meinem Austritt aus der Bank erfuhr ich, daß man sechs Wochen lang einen Buchrevisor beschäftigen mußte, damit er die von mir geführten Bücher wieder in Ordnung brächte. Doch eines Abends ereilte mich mein Schicksal. Ich saß ganz traurig in einer kleinen Bar am Opernring und dachte über mein Beamtenlos nach, als ich plötzlich neben mir eine Stimme höre:
„Gestotten, bittaschön, Sie sind mir vorgeschwebt!"
„Wie bitte?"
„Sie sind mir vorgeschwebt!!"
Ich dachte, es sei ein armer Irrer, und um ihn nicht zu reizen, sagte ich heiter lächelnd: „So — so!" Er darauf: „Gestotten, bittaschön, ich bin Oberregisseur Kertecz von Saschafilm und habe eine große Film zu inszenieren — Sodoma und Gomorrha — Legende von Sünde, bittaschön, und junge, 18jährige, blonde Bursche soll eine Hauptrolle spielen igen!"
Zart und noch leise begann es bei mir zu dämmern! Ein Wort gab das andere, und nach zehn Minuten kam ich mir schon vor wie Gunnar Tolnaes.
Am nächsten Morgen drehte ich mich nicht auf meinem Bürosessel, sondern wurde im Sascha-Atelier probegedreht, — und zwei Tage später hatte ich einen — im Verhältnis
zu meiner Bankbeamtengage
horrenden
Vertrag in der Tasche. Ich nahm mir sofort Urlaub in der Bank und fuhr zu meinem Vater nach Karlsbad, um seine Einwilligung zu erschleichen. Es erübrigt sich, die Gegenstände aufzuzählen, mit denen er nach mir zielte, jedenfalls blieb ich unverletzt und erhielt auch kurze Zeit darauf die Erlaubnis, für einen Film abzuschließen. Da man in Wien zu dieser Zeit keine besonders guten Aussichten hatte, hochzukommen, fuhr ich nach meinem ersten Film nach Berlin zur Ufa.
I her bekam ich meinen besten und treuesten Freund, meinen schönen schwarzen Pudel. Er ist ein Wunderhund und heißt offiziell „Karo". So nenne ich ihn aber nur, wenn wir streiten, sonst heißt er Lump oder Schwarzer. Er ist das klügste Viech, das es