Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Strümpfen Helens nnd liebt schließlich die Augen, um ganz sanft, ganz nachgiebig fortzufahren: „Sie wissen schon, Miß Franklin . . . Also — nehmen Sie die Post mit, verteilen Sie sie an die Kasse an Mister Hobson und die anderen Herren . . . Und warten Sie dann, bis ich Sie rufe!" Alle Morgen wiederholt sich dasselbe Schauspiel, und alle Morgen hört sich Helen Franklin die Ermahnung an, daß sie sich etwas persönlicher für die Getreidefirma engros des Herrn Daniel Farnum einsetzen müsse. S'ie ist daran schon so gewöhnt, daß ihr etwas fehlen würde, wenn Daniel junior es sich eines Tages einfallen ließe, sie nicht sofort hereinzuklingeln. Darum betrachtet sie diese allmorgendliche Einleitung als unerläßlich, quittiert darüber mit einem unerschütterlichen Ernst in ihrem hübschen Gesicht, nickt betrübt, sagt: „Jawohl, Mister Farnum," und begibt sich in den Vorraum zurück, wo ihre Schreibmaschine steht und wartet. Niemand im ganzen Hause bekümmert sich sonst um Helen; sie hat einen verlorenen Posten inne, schon weil die wirklich privaten Sachen von Daniel persönlich erledigt werden. In allen Räumen des Hauses klappern die Schreibmaschinen, überall wird gerechnet, gebucht und geschimpft: — aber in Helens dunkeldrapiertem Gemach reicht ein Farbband zwei Jahre . . . wenn's dazu kommen sollte, daß Daniels Geduld mit Helen sich über zwei Jahre erstreckt. Einstweilen, wie gesagt, blickt sie erst auf eine dreimonatige Praxis zurück, und da sie, Gott sei Dank, immerhin noch so gestellt ist, daß sie ihre monatlichen Einnahmen ganz für sich verwenden kann, so hat sie in dieser Zeit nichts an Reizen verloren. Unbedeutend ist sie also nur in geschäftlicher Hinsicht. In persönlicher hingegen . . . Mister Hobson, der erste Disponent, ist geradezu vernarrt in Helen Franklin. Nur dadurch, daß .Mister Hobson bereits dreiundfünfzig Jahre zählt, bleibt er vor eitlen Hoffnungen bewahrt. Im übrigen würde Helen Franklin, wollte sie ihn heiraten, eine vorzügliche Partie machen, denn man erzählt sich, daß Hobson beinahe mehr Geld besitzt, als die beiden Daniels zusammen. Das hat seine triftigen Gründe: Mister Hobson ist nicht nur Disponent schlechthin, nein, er hat seine Hände auch in großen internationalen Geschäften. Bei der letzten Hungersnot in Indien beispielsweise hat er gegen entsprechende Provisionen die üe-wimtlielerungen nach Kalkutta in der Hand gehabt, und wenn Daniel Farnum auch an den Lieferungen gut beteiligt war, so war dessen Verdienst doch nur der zehnte Teil von den Provisionen, die Mister Hobson einstreichen knüllte. Außerdem war es bei der Unterstützung der 36 Notleidenden in Südrußland nicht viel anders: nicht umsonst bewohnt Hobson den ganzen Stock drüben in der Park Road 29, direkt am Regent-Park . . . Allerdings hatte er sich bei dieser russischen Geschichte einige Feindschaften zugezogen. Man nannte ihn hier und da den ..Ausbeuterer" — was aber kümmert sich ein Mister Hobson um so gleichgültiges Gerede? Und wenn die Leute da um Moskau herum sich wirklich ausgebeutet fühlten, so lag das vielleicht mehr an den Verhältnissen als an Reginald Hobson . . . Helen Franklin bekümmert sich selbstverständlich um all das Zeug nicht im geringsten; sie ist höflich zu Mister Hobson, wenn sie ihm die Briefe überreicht, und Mister Hobson sieht sie dann aus seinen lebhaften Augen und durch die scharfgeschliffenen Brillengläser so nett und herablassend an, daß sich seine Worte: „Nun, Miß Franklin — wieder gut gelaunt?" durchaus ehrlich und selbstlos anhören. Sie lächelt, was sie bei Herrn Daniel junior nie tun würde, mit einem kleinen Schalk in den Mundwinkeln, und bleibt einige Sekunden am Tisch des Mister Hobson stehen. „Danke." sagt sie, „und Sie, Sir?" Hobson tupft sentimental auf den Deckel seines Tintenzeuges: „Ich danke Ihnen auch. Miß Franklin . . ., ich habe sehr ruhig geschlafen . . ." Damit ist dann die Unterhaltung in der Regel beendet. Die Firma Daniel Farnum, Getreide engros. London W. 1, Weymcuthstreet, ist eben ein sehr gesetztes, ruhiges Haus . . . Aber eines Morgens findet Helen Franklin das Pult des Mister Hobson leer: der Herr Disponent ist nicht im Geschäft erschienen. Sie faßt sich ein Herz und begibt sich mit den Briefen zu Mister Daniel Farnum zurück, der eine behagliche Stellung in seinem Schreibtisch: sessel eingenommen hat und in einem dünnen, hübsch in Leder gebundenen Büchlein liest. Als Helen sein Zimmer betritt, schaut er versonnen auf und fragt: ..Haben Sie was für mich. Miß Franklin?" .. Mister Hobson fehlt!" sagt Helen. Sie hat das Gefühl, daß sie etwas sehr Großes meldet, denn daß in diesem ruhigen und geregellen Haus auch nur e i n Mann nicht auf seinem Platz sein kann, ist eine Sache, die ihr nicht eingeht. „Er wird später kommen." lächelt Mister Daniel gemütlich, legt das ledergebunden? Büchlein auf die grünbezogene Platte des Tisches, schlägt ein Knie übers andere und winkt Helen herbei. Er nimmt ihr die Briefe ab, betrachtet sich seine Privatsekretärin wieder einmal sehr liebevoll und nickt dann: „Er wird spater kommen. Vielleicht hat er wieder so ein Geschäft in der Mache ... Sie wissen ja . . ."