Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Q{egjssear und CEubh'fcum Von ©£ Tu'tz ^Wendßausen Im guten alten Stadttheater zu Leipzig am Fleischerplatz hängt im Konversationszimmer, wo sich die Schauspieler in ihren Spielpausen aufhalten, um zu plaudern, ein beinahe ebenso alter Stich, betitelt: „Lampenfieber". Er stellt in lustiger Weise im Querschnitt Bühne und Zuschauerraum vor; hinter dem noch herabgelassenen Vorhang ein Mime mit Ritterstiefeln und Hahnenfedern, dem das Kostüm ums klappernde Gebein schlottert, denn — jenseits des Vorhanges sitzt das Ungeheuer „Publikum". Vom Zeichner witzig illustriert als ein Scheusal mit tausend und abertausendFratzen und Gesichtern. Neben widerlicnen Schlangenhälsen, aus deren Rachen spitze Zungen nach dem armen, in Schweiß gebadeten Komödianten zu zucken scheinen — lächelnde, feiste schmunzelndeVolhnondsköpfe — zynisch-hämische Visagen schlafende — wachende - weinende — lachende Mienen neben -überuntereinander. Alle Ausdrucksmöglichkeiten und -formen hat der Künstler verwandt, das Chaos der Gefühle und Empfindungen zu gestalten, das für ihn das „Publikum" bedeutet, — das Publikum, das dort sitzt und wartet, wartet auf den Mimen — auf den Dichter — den Regisseur — den Direktor, wie sie alle benamset sein mögen, die mehr oder minder verantwortlich zeichnen. Oft habe ich vor diesem Bild gestanden, als ich noch voll idealer Hunger und Entsagungspläne am guten alten Leipziger Stadttheater die ersten „Dienste von der Pike auf" tat, in Bühnenstaub und Rampenlicht. Dr. FRITZ WENDHAUSEX Ich habe das gute Leipzig verlassen. Aber das Bild ist mit mir gegangen. Es hat mir bei jeder Premiere vor Augen gestanden, und ich habe oft innerlich ob seiner Wirkung gelächelt, ebenso oft es ärgerlich aus der Erinnerung wegzuwischen versucht. Es ist mir nicht gelungen! Mir nicht. Aber dem Film oder besser den verschiedenen Fach oder Nichtfachleuten, die sich mit der Herstellung von Filmen befassen. Der Film den ich liebe und an den ich glaube und der uns leider heute infolge Weltkrieg und Rentenmark, Geldknappheit und Produktionseinschränkung nicht alle Ideen ausführen läßt der Film hat mir das mich oft abergläubisch Quälende des Bildes genommen und mir die lächelndüberlegene Geste des Siegers gegeben. Er hat mir gezeigt, wieso in der ungeheuren Vielgestaltigkeit des Publikums, wie es der Zeichner sah, seine Einheit liegt. Er hat mir gezeigt, daß, wer auf ein Gesicht im Zuschauerraum schaut, leicht die Balance verliert. Wer es der vielköpfigen Hydra rechtzumachen sucht, macht es bestimmt dem daneben sitzenden lächelnden Spießer falsch. Wer es dem griesgrämig dreinglotzenden Dürren rechtzumachen sucht, macht es dem schmunzelnden Dicken und der Hydra falsch Als ich mit meinem ersten Filmmanuskript auf der Bildiläche erschien, begann es. „Ja — ganz gut, ganz gut" hieß es. „Aber sehen Sie, der seelische Konflikt im dritten Akt — der geht so nicht. — Das müssen wir ändern. — Das „Publikum" will das nicht." 47