Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Es war der Tag, da um des Heilands Wunden Die Sonne einen Trauerflor getragen, Als ich in Amors Fesseln ward geschlagen. Von deinen schönen Augen überwunden . . . Erbaut in jenen andachtsvollen Stunden, Ahnt ich nichts wen'ger, als der Liebe Plagen; Drum hatten arglos meine Trauerklagen Sich mit dem allgemeinen Schmerz verbunden. Doch fand mich Amor umsomehr empfänglich, Der durch die Augen drang zum Herzen willig. Wohin den Pfad ihm bahnten Tränenwogen . . . „Hört auf, Giovanni," unterbrach Maria den Dichter, — „hört auf . . . sie ist ja grausam . . . diese Geschichte mit den Tränenwogen . . ." Aber Boccaccio beendete das Sonett: Nur hielt ich es von ihm doch nicht für billig, Daß er auf mich nur zielte so verfänglich Und dir nicht einmal zeigte seinen Bogen! „Gott sei Dank!" stöhnte Maria auf. „Aber nachher hat er's dann nachgeholt, dieser Gott Amor, wie?" Boccaccio nickte ernsthaft: „Ich glaube schon, Fiametta!" Maria erhob sich. Die Würde, die Giovanni plötzlich zur Schau trug, behagte ihr nicht. Giovanni, der junge Florentiner, hatte seine Mucken, — er war unerträglich ernst, wenn ihm Grillen ins Gehirn stiegen. Er war dann so gär nicht das, worauf es Maria ankam. So wendete sie sich unvermittelt um: „Sagt, Giovanni . . . passen wir beide nicht herrlich zusammen?" Boccaccio betrachtete sie verträumt. „Wieso .. . passen, Fiametta? Die Tochter eines Königs . . ." Maria sprang auf Giovanni zu und bedeckte seinen Mund mit brennenden Küssen: „Du willst wieder nicht verstehen, d u willst nicht! Weißt du, Giovanni, weißt du . . . ich als Tochter eines Königs, die der König, der gute Vater, an seinen Hof gezogen hat ... Du als der natürliche Sohn eines Kaufmanns und — " Boccaccio winkte müde ab: „Laß das doch, Fiametta . . ." „Eine Fränkin war sie, ich weiß", plapperte Maria weiter. „Eine helle Fränkin . . ." „Das war sie", nickte Boccaccio versonnen. Maria fing seinen Blick auf, — langsam lösten sich ihre schlanken, weißen Arme von seinem Halse, und, als erwachte sie aus 74 einem Rausch, der steigen und immer weiter steigen wollte, dem aber nun plötzlich ein Wehr des Abflusses geöffnet worden war, sank sie auf den weichen Hocker nieder und begann zu klagen. Boccaccio hörte den Ausbruch ihrer Verzweiflung eine Zeitlang an Dann beugte er sich herab: „Fiametta, was redet Ihr da?" „Seht, Giovanni ... Ihr dankt mir meine Liebe mit der beherrschten Kühle, die Ihr von der Fränkin geerbt habt . ." „Ich bin Toscane, Fiametta . ." Maria zog Boccaccio zu sich herab: „Umarmt mich doch, wenn Ihr Toscane seid! Wir sind doch nicht in Frankreich, Giovanni! — Seht hinüber zum Vesuv, wie er brodelt, wie er raucht ... Dasist unserBlut, Giovanni, was da oben kocht, was da quirlt und dampft und sich loslöst vcn der Erde. Es zischt über, als wenn die eigene Temperatur zu heiß wäre für den engen Körper, den die Natur ihm gab. Und wenn es siedet, so erzittert der Behälter und der Strom zerbricht alles, was sich ihm entgegenstemmt. Umarme mich doch, Giovanni ... Du und ich . . .owir beide sind aus dieser Lava gemacht, sie ist in uns, sie ist in Neapel . . . in meinem königlichen Vater ... in mir . . . in dir, Giovanni . . ." Boccaccio umklammerte noch immer das dünne Heftchen von Petrarcas Hand; in seinen Sinnen vibrierten noch Worte, zart und fein wie die letzten Schwingungen einer gestrafften Mandolinensaitc . . ., Worte an Laura . . . Worte der Keuschheit . . . Maria glitt mit tastenden Händen an seinen Armen herab, sie entwand ihm das Gedichtbändchen, warf es auf den Boden und rankte sich hoch an dem Geliebten. „Wir sind ein anderer Schlag in Neapel, als dein Petrarca", stammelte sie Denke daran, Giovanni, wie Federigo gestern die Veronica Stampa umschlich . . Johanna hatte ihre Freude daran — und sie will Federigo in den Rat der „wohlweisen Berater" aufnehmen . . ." „Will sie das?" forschte Boccaccio überrascht. Maria fühlte, wie er sich auf sich selbst besann. Sie versenkte sich in sein fragendes Auge; tief hinein glitt sie mit ihrem ganzen Körper in seinen Blick, löste sich in Selbstverzehrung und opferte sich auf dem Altare seiner Anbetung. „Sie will's!" beantwortete sie seine Frage. Und Giovanni Boccaccio da Certaldo lächelte wieder: „Es geschieht also um den