Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

cQerbrecßer im ^[m und in der ^Wirkßcfikeif 'OKj-im.z'OKjornm. v. jQiebermann. Fährt neulich eine Dame in der Stadtbahn hinaus zum Grunewald, froh, das ganze Abteil für sich zu haben, als auf einer Zwischenstation im Moment der Abfahrt die Türe aufgerissen wird, und ein Mann in das Abteil springt. Schiebermütze, flatterndes Halstuch, Stoppelbart um Mund und Kinn. Die Dame durchzuckt es: Ein Verbrecher — und blitzschnell reißt sie die Notbremse. Aufgeregt herbeistürzendes Bahnpersonal, kurzes Fragen hin und her und dann ungeheuere Heiterkeit. Der verdächtige Kerl ist ein Filmschauspieler, der schon halb in Maske, nach Neubabelsberg will, um eine Verbrecherrolle zu spielen. Unter der für Erlebnisse dieser Art beliebten Viola Dana als Apachin Spitzmarke „Ein köstliches Geschichtchen" geht der Vorfall durch die Zeitungen . . . Augurenlächeln der Leute vom Bau . . . Staunende Bewunderung des Publikums für den tüchtigen Schauspieler, der so lebenswahr einen Verbrecher verkörperte . . . Aber an dieser kleinen Geschichte kann man den grundlegenden Unterschied zwischen dem Verbrecher im Film und dem Verbrecher der Wirklichkeit sofort zeigen. Im wirklichen Leben laufen keine Verbrecher herum, die ihren Stolz darein setzen, wie es ihre Kollegen im Film tun, schon an ihrem Aeußeren haushohe Ballonmütze, riesiges Apachentuch, Zigarette im Mund, Hände in den Hosentaschen als dufte Kunden erkannt zu werden. Wer im Leben als Verbrecher Chancen haben will, muß die Leute über seinen wahren Charakter täuschen. Er muß harmlos aussehen und sich unauffällig benehmen. Ramponierte Gestalten mit stoppelbärtigen Schnapsgesichtern, Landstreicherfiguren in Kleidern mit Fetzen und Flicken, vor denen sich auf der Straße die Hunde heiser bellen und die jeden Schutzmann wie ein Magnet anziehen, können nur im Film schlimme Verbrecher vorstellen und die kleinen Mädchen im Parkett gruselig machen. Als richtige Spitzbuben würden sie sich schon durch ihr bloßes Aussehen so „die Tour vermasseln", daß sie von den Polizeiwachen kaum noch herunterkämen. Was sich an solchen wilden Gestalten in den Schnapsläden bei dem Obdachlosenasyl herumdrückt, das darf man sich nicht als Verbrechertypen zum Vorwurf nehmen. Das sind heruntergekommene, völlig entnervte Menschen, deren Willenskraft höchstens noch zu kleinen Gelegenheitsdiebereien beim Betteln langt — mögen sie an sich auch mein und dein so gern verwechseln wie ihr mir und mich. 85