Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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In München wird der Film „Tiefen der Großstadt" uraufgeführt, • wir lesen in einer „zünftigen" Kritik, daß die Kaschemnienszenen sehr gebaut wirkten. Da haben wir's: unsere Regisseure stammen aus einem ganz anderen Milieu, als unsere Kritiker. Aber man kann von einem Menschen nicht alles verlangen. 25. September. Es wird verlautbart, daß bis dato der erste „Nibelungen" Film bisher vor 60 000 Schulkindern gezeigt wurde; die schulmäßigen Vorführungen des „Kriemhild"-Filmes sind noch im Gange. lAid das duldet Frankreich? „Auf Befehl der Po mp ado u r" steigt, mit Lya Mara in der ersten Rolle, im „Mozartsaal". Die Kinoangestellten hatten Rokokotrachten angelegt, und auf dem Nollendorfplatz stand die Karosse der verblichenen echten Marquise. Vermutlich war mit ihr der Film ins Theater geschafft worden. Der Erfolg war — ein Lya-Mara-Erfolg; nach Schluß der zweiten Vorstellung unterhielten sich zwei RokokoBilletteure auf dein oberen Treppenabsatz folgendermaßen: „Nu is et wieda vorbei . . ." Der Andere: „Un morjen ziehn wa wieda ne anschtändije Kleedasche an, wa?" — Der Eine: „Jottseidank . . . wo wem wa uns denn alle Tage so maskiern?" — Der Andere: „Wenn se bloß nich mal 'n Film „Eva ins Paradies" ufführn . . . Denn meld ick mir eenfach krank!" In den „Richard-Oswald-Lichtspielen" ein Mätressen-Film „K ö n i g s 1 i e b c h e n" ; die Geschichte von Gaby Deslys und Manuel von Portugal. Woran liegt es, daß die Sache nicht recht interessiert? War der Kasus zu klein? Oder ist seither noch zu wenig Zeit verstrichen? Ach, was war dieses kindliche Scharmützel des portugiesischen Königs doch für eine lächerliche Lappalie gegen Frau von Maintenon, gegen Lola Montez und die neckische Dubarry! Gibt's nicht noch irgendwo eine kleinere Angelegenheit, die sich auch verfilmen ließe? Wir kommen vom Großen zum Kleinen, was die Themen angeht! Jammerschade ist's. Die deutsche Fachwelt erfährt aus einer amerikanischen Zeitung, daß die „U f a" in Neuyork ein eigenes Bureau eingerichtet hat und daß dessen Leitung Herrn F. Wynn-Jones übertragen wurde. Wie gut, daß es amerikanische Zeitungen gibt! 29. September. Im Hause Belle-Alliance-Platz 1 wird der „Paritätische Stellennachweis für F i 1 in d a r s t e 1 1 e r" eröffnet; unten an der Haustür prangt ein Schild mit der Aufschrift „Städtischer Arbeitsnachweis". In den vom Bezirksamt Kreuzberg zur Verfügung gestellten Räumen befand sich früher die Festungswache Mt-Berlin. Der Nachweis besteht aus zwei großen Sälen; die Eröffnung erfolgte durch eine festliche Ansprache von Holten-Bäckers. Damit ist einem unwürdigen Zustand ein Ende bereitet: bisher kampierten die Filmkomparsen und kleinen Solisten allnachmittäglich in verschiedenen Kaffees des Zentrums. „Städtischer Arbeitsnachweis" klingt zwar gar nicht nach Kunst, aber was macht der Name, wenn es dort nur wirklich Engagements gibt? Ist's ja doch alles nur von Tag zu Tag . . . 90 30. Septembei. Eine Lil-Dagover-Premiere im „Tauentzienpalast", der Film wurde „Komödie des Herzens" betitelt. Dieser Titel ist sehr schön, trifft aber die ganze Handlung nicht. Und das erinnert an ein Vorkommnis, welches etwa vier Jahre zurückliegt. „\X ie nennen wir den Film?" fragte mich ein Filmdirektor, nachdem er mir sein neuestes Werk gezeigt hatte. Ich schlug vor: „Die Braut des Apachen", dann: „In den Katakomben von Paris", weiter: „Ohnmächtig unter dem Pflaster der Großstadt", und endlich: „Das Martyrium einer holden Mädchenblüte". Nichts gefiel dem Allgewaltigen. Da kam jemand auf den Einfall, zu sagen: ,.\\ ie wär's mit ,Fünf Sekunden vor zwölf'?" „Wie?" fragte der Direktor: „Fünf Sekunden vor zwölf? Das hat doch gar keinen Sinn . . . Oder warten Sie mal, die Idee ist gut ... sie ist blendend sogar. Da denkt man sich so allerlei!" — Und dabei blieb's: der Film kam unter dem Titel „Fünf Sekunden vor zwölf" - oder so ähnlich! — heraus. . . . Was außerdem die Lil-DagoverPremiere anbelangt, so ist nichts Neues zu vermelden. Diese Frau zu sehen, ist immer eine reine Freude. 1. Oktober. „M ein Leopold" wird im „Ufapalast am Zoo" gezeigt, die Prominenten erscheinen in Massen und klatschen genau so erfreut Beifall wie die gewöhnlichen Sterblichen Das ist kein Wunder: wir brauchen im Kino das Volksstück, und hierbei stellen wir gerührt fest, daß der Film genau die Wandlungen durchläuft wie das Theater. Auf Deutsch: nach der Zeit des hohen Kothurns kommt nunmehr die Rührgeschichte. Erst Schillers „Räuber", dann „Fiesco" (ohne Angabe des Autors), „Kabale und Liebe" und ähnliches; nun l'Arronge. . . und morgen in Neuauflage Nestroy. Bloß der Ort der Handlung hat sich gewandelt: das vornehmste „Ufa"Theater nimmt heute die tränenweiche Familiengeschichte auf, und die Prominenten, die sich nie l'Arronge angesehen hätten, wenigstens heute nicht mehr, benutzen hingebungsvoll die ihnen gewidmeten Freikarten. Es gibt Tage, an denen es sich lohnt, prominent zu sein. Eine Filmgesellschaft erlebt etwas sehr Aufregendes: der Film „D er Mann im Hintergrun d", der bereits achtmal verboten worden war, wird plötzlich im neunten Wiederaufnahmeverfahren zugelassen. Die Filmoberprüfstelle befreit den Mann im Hintergrund aus dem Hintergrund und rückt ihn nach vorn. Es wäre wirklich zu verstehen, wenn nach diesem unerwarteten /wischenfall Erdbeben und sonstige Naturerscheinungen in Kraft träten. In der „Branche" spricht es sich herum, daß die Berliner Volkshochschulen, also die LessingHochschule und die Humboldt-Akademie, im neuen Semester I i 1 in V o r t r ags -Zykl en abhalten und hierzu erste Koryphäen der Flimmermuse verpflichtet haben. Thea von Harbou, Ingenieur Kossowsky und viele andere sind bereits aufs Katheder berufen worden, und in der Friedrichstraße ist die Anrede „Herr Professor" eine alltägliche Phrase geworden. Dem Vernehmen nach wird der bisherige Gipfeltitel „Herr Präsident" nunmehr allgemein in Vergessenheit geraten.