Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Der Raum im Film Durch die während meiner bisherigen Tätigkeit im Film und in der realen Bauweise gemachten Erfahrungen bin ich in der Lage, meine verehrten Herrn Kollegen auf etwas aufmerksam zu machen, was wohl der Erwähnung bedarf. — Betrachte ich die amerikanischen Gesellschaftsfilmc, so fällt mir fast durchweg die gediegene Gestaltung der Räume auf, die, angepaßt dem Milieu, dem die Handlung entspringt, wahrheits getreu wirken. Die Amerikaner verstehen im Gegensatz zu uns die Behandlung des Raumes insofern meisterhaft, als sie eine soziale Kluft überbrücken helfen, die wir meist vergrößern. Ich möchte hier nur an die allbekannten Lucie Doraine Filme erinnern, die eine Pracht der Ausstattung zeigen, die in Wirklichkeit niemals vorhanden ist. Dagegen werden die sogenannten „Armcleutezimmer" als so minderwertig dargestellt, daß es dem Beschauer fast grausen möchte. Ich bitte die Herren Kollegen, zu bedenken, daß jeder Raum, und auch der verwahrloste, immer noch nicht so elend ist, wie das im Film Gezeigte. Oder beabsichtigt man, dem kleinen Mann, der doch wegen der Billigkeit fast nur die Kinos bevölkert, zu veranschaulichen, wie armselig er im Gegensatz zu den Luxusräumen der oberen Zehntausend, ja selbst zu denen des Mittelstandes wohnt? Ist es da zu verwundern, wenn die arbeitende Masse voll Neid auf die Besitzenden schaut? Ich für meine Person habe auch noch niemals ein Arbeitszimmer eines Fabrikanten gesehen, das einem Konzertsaal gleicht. Ich würde den Mann nur bedauern, denn wie unbehaglich muß sich dieser in dem Räume fühlen, dessen gähnende Leere ein Schreibtisch und einige geschmacklos zusammengestellte Vasen ausfüllen, ganz abgesehen von der praktischen Unheizbarkeit eines solchen Arbeitszimmers in der Wirklichkeit. Ebenso verfährt man häufig mit Wohnräumen. Selbst in den reichsten und vornehmsten Häusern benutzt man zum Wohnen stets nur Zimmer, keine Säle, zumindest keine solchen, die mit Seidendraperien bespannt sind, deren Decken aufgehen in riesige Stoffbaldachine, unter denen modern aufgebauschte Barock Ruhebetten auf Marmorböden mit Eisbärfcllbelag stehen. — Es soll damit nicht gesagt sein, daß solche Bauten wegen ihrer Kostspieligkeit nicht gemacht werden können, sondern daß sie in Wirklichkeit nicht gebaut werden. Glatte, modern aufgeteilte Wände mit geschmackvoll sortierten Bildern, ausgestattet mit einfachen, aber doch dezenten Möbeln, das ist unsere heutige Geschmacksrichtung auch bei den „Reichen". — Ebensowenig baut man in Deutschland offene Kamine, insbesondere in Mietswohnungen. Abgesehen von der UnWirtschaftlichkeit und der enormen Rauchentwicklung einer solchen Feuerungsart ist der Kamin in unseren Zonen eine klimatische Unmöglichkeit. Er ist in unseren Breiten nur eine aus dem Süden 28 Und diese Hotel JAMNINGS übernommene Attrappe zu Dekorationszwecken. Deshalb muß das Geständnis am offenen Kamin bei flackerndem Feuer in ,,Der Demütige und die Sängerin" etwas komisch anmuten, zumal die Handlung auch noch in Zcntral-Berlin spielt. Kann mir einer meiner Herren Kollegen in Berlin eine Wohnung nennen, in der in dieser Weise gefeuert wird? Müssen denn um Gottes willen sämtliche Geständnisse an einem Kamine gemacht werden? Können solche Seelenentladungen nicht auch in einem Erker bei lauschigem Lichte vor sich gehen? Würde damit nicht derselbe Wirkungszweck erreicht werden? m m e r. — Wer kann mir ein Hotel nennen, das Zimmer in verschiedenen Stilarten besitzt? Jedes Hotel ist doch bestrebt, sich so modern, wie nur eben möglich einzurichten. Dekorativ mögen antike Möbel schon wirken, aber sie stehen in keinem Hotel. Genau so kraß im Gegensatz zu Film und Wirklichkeit ist die Darstellung von Künstlcrateliers. Ich habe infolge meiner Beziehungen die Ateliers erster und wohlhabender Künstler gesehen, aber wie verschieden waren diese von den im Film gezeigten. Das Film künstleratelier weist neben dem natürlich unvermeidlichen, brennenden Kamin noch eine ganze Reihe Bodenvasen, möglichst phantastische Wandbckleidungen, eine ungeheure Menge Bilder und Entwürfe an den Wänden, vielleicht auch noch geschwungene Säulen, reichen Deckenstuck, groteske Fenster usw. auf. — Und in Wirklichkeit? Vier weißgetünchte nackte Wände, ohne störenden Putz, eine Staffelei, große lichtstarke Fenster .... und das ist alles. Ebenso ernüchtert ist man, wenn man ein Fest im Film und dann in der Wirklichkeit sieht. Welch ein Unterschied! Leider betont der Regisseur nur zu oft: „Jawohl, möglichst großartige Szenerien, das wirkt." — Und wie wirkt es? Daß der kleine Mann sagt: „Uns gibt man in der Woche nur das Lebensnotwendige, und d i e schwelgen im Sekt." Fließt der Sekt wirklich in diesen Strömen, besteht wirklich dieser Millionenprunk? Und warum baut man nicht wirklicher? Man soll bedenken, daß der Film ein Lchrfaktor geworden ist, wie wir ihn uns besser nicht denken können, — Man soll ebenfalls bedenken, daß Tausendc sich am Film ein Beispiel nehmen, daß mc sich das im Film Geschaute zur Richtschnur machen. Darum baut wchrheitsgetreu und Wirkliches. Zeigt dem Volke und dem Auslande im Film deutsche Kunst, deutsche Arbeit und vor allem deutsche Wohnlichkeit und keine technischen Möglichkeiten, damit wir nicht in den Verdacht kommen, als wollen wir durch Prachtbauten ein Nichtki nnen im Herstellen von wirkungsvollen, einfachen Wohnungen und Szenerien verdecken. — Friedrich Egon Kauffmann, Architekt, Wurzburg