Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Zwei Stunden vor Abgang meines Zuges ^erfuhren wir durch einen Zufall, daß Erna Morena in München sei, soeben vom Gebirge, wo sie Aufnahmen hatte, kommend. Klette setzte sich telephonisch mit Frau Morena in Verbindung, und vor dem Eingang der Oylon-Teestube wurde drei Stunden später der Vertrag perfekt: Erna Morena übernahm die weibliche Hauptrolle. Achtundvierzig Stunden vor dem definitiven Beginn unserer Aufnahmen, an einem Montag. Das Manuskript mußte nachts noch umgearbeitet werden, damit es für die neuen Darsteller — Erau Morena und mich — paßte. Hier muß etwas Wichtiges gesagt werden: wir hatten uns das Arbeitspensum eingeteilt. Bis auf die Minute war alles festgesetzt, jede Viertelstunde war ausgenutzt. Geld hatten wir nämlich gerade — Anfang 1923, zu Beginn der Blütezeit der Inflation — soviel, daß wir notdürftig damit auskommen konnten. Dabei stand drohend das Gespenst der täglichen Entwertung .hinter uns und zwang uns zur Eile. Mittwoch war der mit Bangen erwartete Tag der ersten Schlacht. Am Dienstag schleppten Dr. Klette und ich den Architekten Wiesengrund ins Atelier, um die Dekorationen aufzubauen. Nachts um einhalb zwei Uhr waren wir fertig und — eingeschlossen. Die Atelierwächter hatten uns, als wir einmal ein Viertelstündchen rasteten und still waren, eingeschlossen in der Annahme, daß wir längst weit fort wären. Auf abenteuerlichen Wegen gelangten wir aus dem Atelier ins Freie, eilten heimwärts, überdachten noch einmal den morgigen Arbeitsplan und standen um sechs Uhr wieder bereit zur Arbeit. Dr. Klette ging ins Atelier, und ich zur Bank, um das Geld zur Entlohnung der Arbeiter, Schauspieler und Statisten, die beim Film täglich entlohnt werden, abzuheben. Während der Viertelstunde Wartezeit blickte ich in die Zeitung und las das Schrecklichste: in Leipzig, wo die Geld-Freunde saßen, war Krawall, Kaffee Felsche war demoliert und einige Banken in der inneren Stadt waren geschlossen worden aus Angst vor Plünderern. Und richtig, unsere Münchner Filiale, die keine Auszahlungsanweisung hatte, zahlte mir nichts aus. Schrumm. Ich ging sehr langsam und sehr bedrückt lins Atelier. Die Augen, die Klette über meine Nachricht machte, waren nicht von Pappe. Kein Geld? Selbst der genialste Regisseur kann ohne Geld keine Filme machen. Wir arbeiteten trotzdem sehr lustig und fröhlich, erledigten unser Tagespensum und hatten am Abend — Geld. Klette hatte seine Freunde telephonisch gebeten. Geld herbeizuschaffen und die Freunde hatten sich als Freunde, auch in der Not, erwiesen.. Wir gingen aiachts sehr beruhigt zum Abendessen. 40 Am anderen Morgen standen wir vor verschlossenen Türen, aufgeregt, wütend und ahnungslos. In der Eile hatten wir vergessen, im Kalender nachzuschauen, ob München nicht wieder einmal von einem Feiertag heimgesucht würde. Irgendein Heiliger harte wohl Geburtstag —und kein Mensch dachte ans Arbeiten. Unser Programm bekam einen Knacks. Mit dem Feiertag hatten wir nicht gerechnet. Die nächsten Tage vergingen ohne besondere Zwischenfälle. Nur Kleinigkeiten: einer fiel die Treppe herunter, einige Lampen gingen kaputt, am Kurbelkasten funktionierte mal was nicht, Kurzschluß kam dazwischen, Requisiten verschwanden spurlos, Dekorationen stürzten um, Arbeiter waren — es war schrecklich heiß in den Tagen — beschwipst, und auch sonst war nicht alles in Butter. Schließlich vergingen aber auch diese Tage, und die Außenaufnahmen im Walde und an einem See kamen heran. Ich hatte einen schrecklichen Schnupfen, bekam eine dicke, rote Nase, mußte immerzu niesen und konnte nichts sehen. „Schweindsäugerln" sagten die Münchner dazu. Zwischendurch war wieder mal das Geld ausgegangen. In Leipzig waren Streiks, Aufrühre, Krawalle, — alles, nur nichts in Ordnung. Bei den Aufnahmen an einem kleinen, reizenden See hatte der Operateur nicht aufgepaßt und die Aufnahmen waren verdorben. Als wir das feststellten, waren zwei Tage vergangen, ein Sonntag lag dazwischen und Frau Morena, die andere Verpflichtungen riefen, war schon wieder in Berlin. Der Film war neunzehntel fertig, wir hatten kein Geld, dafür aber sehr viel Schulden, unsere Freunde waren ausgepumpt und wir wußten nicht hin und nicht her. Wir schrieben den Film — wohl zum zehnten Male — um, setzten den Anfang in die Mitte, das Ende an den Anfang, und die Mitte ans Ende. pappten daran noch einen „Schwanz", ein paar andere Aufnahmen, die Klette mit mir schnell in irgendeinem fremden Filmatelier machte . . . und der Film war nicht gut, aber fertig. Was man so unter „fertig" versteht. Eine Dame setzte ihn mit Klette zusammen. Dann kam eine Vorführung vor der Presse. Es war ein Akt geworden und das Filmchen hieß: „Mit der Diva ins Glashaus." Die Pressestimmen waren sehr gut, obwohl der Film, nach meinem Gefühl, mies war, wie die Fachleute das nennen. Dann lief er fünfundzwanzig Wochen lang in München und erfreute sich allseitiger Beliebtheit. Ich habe dafür gesorgt, daß eine kleine Firma als Hersteller, Dr. Klette als Regisseur und ich, der einzig Verantwortliche, für nichts zeichnete. Auf diese Art habe ich meinen ersten Film gemacht. Und dann noch ein paar. Aber keinen mit so viel Pech.