Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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Wenn er mit neunzig Kilometer Geschwindigkeit, die Walters Auto im Höchstfalle hergab, gegen die Granitquadern des Viadukts anrannte, war eine alles vernichtende Katastrophe unvermeidlich, konnte er selbst mit völliger Sicherheit auf den Eintritt seines sofortigen Todes rechnen. Ein leises Frösteln kroch ihm plötzlich über das Genick. Wie in einer Schreckensvision sah er sich als zerschmetterte, blutige iMasse unter dem zertrümmerten Wagen vor der grausamen Steinmauer liegen. In diesem Augenblick bangte er, daß er doch vielleicht nicht den Mut zu diesem letzten Schritt aufbringen würde, und die Angst vor dem grausigen Ende seines jungen Lebens brannte ihm auf einmal wie ein Feuer im Herzen. Dann saß er an seinem Arbeitstisch und schrieb seine letzten Briefe. Im ganzen Hause regte sich kein Laut; Frau Hartkort hatte wohl das gesamte Personal zum Besuch des Westendtheaters aufgeboten. Nur der Hausherr, der in den ersten Nachtstunden eine Art von Portierstellc versah, schnarchte leise in seinem Schaukelstuhl auf der Diele. — Es war alles so ruhig und friedlich um ihn her. daß er beinahe mit Gewalt immer wieder den furchtbaren Entschluß in sich wachrufen mußte, dessen Ausführung allmählich näher und näher heranrückte. Mit einem scheuen Blick streifte er seine Schreibtischuhr. Halb Zwiilf! Die Nachl verrann, Minute um Minute, unaufhaltsam, ohne Erbarmen. In drei, vier kurzen Stunden war es sclion wieder Tag, ein herrlicher Frühlingstag. Die ■ Softne leuchtete über war nicht mehr. — -r — — Mit schweren Füßen kam er endlich wieder die kleine Freitreppe zum Vorgarten hinab, warf die Briefe an der nächsten Straßenecke in einen Postkasten und stieg in sein Auto. Der Mond trat in diesem Augenblick groß und klar über die hohen Fichtenkronen der Potsdamer Chaussee, und die zarten, blassen Schatten gaben allen Linien einen geheimnisvollen Reiz. Zur Rechten klang unablässig das ferne Rollen der Wannseebahn herüber, und die langen Strahlenfächer der Aulomobillaternen huschten gespenstisch zwischen den schlanken Kieferstämmen hindurch, daß sie rot und braun aufzuflammen schienen, ehe sie wieder in das samtene Dunkel der Nacht zurücktauciitcn. Zuweilen ein Landhaus, unter Büschen und Bäumen wie begraben. Eine Tannenallee, die in ernster Feierlichkeit auf ein verwunschenes Schlößchen zu führen schien. Ein Reh sctzie mit federndem Sprung über den Straßendamm und verschwand windschnell in einer niedrigen Dickung. Und dann ward es ganz still und einsam. Nur das unablässige Schrillen der Zikaden hing wie ein einziger. langgedehnter Ton in dem großen Schweigen der Mitternacht. — — Jetzt bog der Wagen auf einen Landweg ab und mahlte eine Zeitlang durch tiefen Sand, die die Übersetzung aus dem Getriebe stieß, daß die Maschine gewaltig durch den Wald lärmte, ehe sie mit knatterndem Ruck immer wieder vorwärtsschoß. Dann wich der lockere Boden einer festen Kiesschüttung. Eine riesige Lichtung öffnete sich, von der Linie des Bahndamms wie von einer .Mauer weithin umzogen. Und plötzlich wuchs an der nächsten Waidecke die Wölbung eines Viadukts wie der Rachen eines furchtbaren Tieres aus dem mondhellen Dunkel auf. Das Auto hielt. Er war am Ziel. Kurt hatte sich eine Zigarette angezündet und schaute ratlos zu dem dämmernden Fanal empor, mit dem sich die verborgene Gigantin Berlin in den nächtlichen Hummel hineinschrieb. Seine Hände umkrallten krampfhaft das Steuer, sein ganzer Körper bebte leise im Takt der rhythmischen Erschüterungen des leerlaufenden Motors. Es war fast taghell ringsum, eine fahle, bläulichweiße Helle, daß man den eigenen Schatten auf dem Boden sah. Das Mondlicht lag wie ein feines Schleiertuch über der verlassenen LandrtraOe. Nichts regte sich. Und doch schien ihm die Welt wie erfüllt von Harfenklang und hallendem Gerang. Kurt nahm die Mütze vom Kopf und atmete in tiefen Zügen die ganze erregende Süße der linden Frühlingsnacht. Sterben! Jetzt also sollte es geschehen! Nacht und Dunkel war um ihn her, daraus stiegen die Schatten empor, die ewigen Rätsel der Menschheit: .,Ihr führt ins Leben ihn hinein. Ihr laßt den Armen schuldig uerden — " Ja, er war schuldig geworden an seinem Nächsten, er hatte sich an seinem kostbarsten Besitz vergriffen, an seinem Weibe, an seiner Ehre, Furchtbar, vernichtend traf ihn dafür die Vergeltung. Und er senkte das Haupt unter der Wucht der Hoffnungslosigkeit. In diesem Augenblick brauste ein Zug fernabdonnernd über den Bahndamm. Kurt schreckte empor. Wie durch einen Schleier sah er die Helle der Wagenfenster, die langsam zu einem feinen, gelblichen Strich zusammenschmolz. Fortsetzung folgt