Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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ROMAN VON HANS SCHULZE Fortsftiung Ein entsetzlicher Gedanke war plötzlich in ihm wachgeworden. Wenn er nicht auf der Stelle tot war, wenn er vielleicht verstümmelt mit gebrochenem Rückgrat in ein Krankenhaus geschafft wurde, um nach aller Qual dieser Nacht zu einem neuen Leben zu erwachen? Mit einem raschen Blick maß er die Entfernung bis zu seiner Schicksalsstätte. Fünfhundert, nein, sechshundert Meter. Ein Druck auf den Anlasser, der Motor sprang an, der offene Auspuff trommelte wie ein Schnellfeuergcschütz Jetzt war ihm die Unterführung so nahe, daf3 er jeden einzelnen Quader deutlich unterscheiden konnte. Ein Ruck am Steuer — und alles war vorbei. Doch die Hände waren ihm wie gelähmt. Für den Bruchteil einer Sekunde klang ihm der Widerhall der Steinwölbung dröhnend im Ohr. Dann flimmerten die Sterne wieder über ihm. Er hatte nicht den Mut besessen, das Letzte zu wagen. Langsam fuhr er durch den Viadukt zurück und stieg dann am Rande der Lichtung aus dem Wagen. Ein verzweifeltes, schmerzhaftes Weinen quoll leise in ihm auf, der SchweiÜ perlte ihm in großen Tropfen auf der Stirn. Ihm war's auf einmal, als müsse sich eine Hand auf seine Schulter legen und eine Stimme tröstend zu ihm sprechen: „Ich erlöse dich, ich weiß einen anderen Ausweg." In zitternder Hoffnung hielt er den. Atem an. Doch das Wunder kam nicht vom Himmel herab. Namenlos verlassen war er allein auf der einsamen Straße. Mit einem unterdrückten Stöhnen barg er den Kopf in beiden Händen. War denn das Sterben wirklich so schwer, auch wenn es der einzige Ausweg aus einem verlorenen Leben war? Wie hatte er einst geglaubt, sein Leben meistern zu können! Und sollte nun hier verenden zwischen Gestrüpp und Gesträuch, wie ein Tier, das man anderen Morgens vom Wege auflas und verscharrte! Ein kleines, unendlich trauriges Motiv aus einer Beethovenschen Symphonie kam ihm unwillkürlich in den Sinn, daß er für Augenblicke seine ganze Umwelt vergaß und nur Evelyns süßes, weiches Gesicht wie in einem wachen Traum vor sich sah. So saß er lange an der Grenzscheide zweier Welten, versteint zwischen Entschluß und Tat, und starrte zu dem Zyklopenbau des Viaduktes hinüber, wie ein Verurteilter zur Guillotine blickt. Normo Talmadge und Gilbert Roland Der Nachtwind spielte in seinem verwühlten Haar. Über dem Wiesengrund begannen die ersten Nebel zu brauen. Dahinter der Wald, schwarzdunkel, tief, geheimnisvoll. Und dann auf einmal brachen alle Dämme der Vernunft, des Widerstandes in ihm zusammen, und das Verlangen nach einem leisesten Hauch der unselig geliebten Frau, um die allein er all das Furchtbare ertrug, wuchs ins Namenlose. Seine Schläfen hämmerten, sein ganzes Denken loderte in einem Aufschrei seines fiebernden Blutes wie in einem verworrenen, wahnsinnigen Gebet. Er mußte Evelyn heute nacht noch einmal sehen, ihren jungheißen Körper noch einmal in seinen Armen halten und das süße Feuer eines letzten atemlosen Kusses von .ren geliebten Lippen trinken. Niemand sollte dem Todgeweihten wehren, wenn er vor diesem entsetzlichen Ende noch ein einziges Mal die Hand nach dem Reif seines einstigen Glückes erhob. Zwei, drei Minuten danach hämmerte der Motor wieder durch den stil'<»n Wald. Ein dröhnendes Zittern bebte durch den stählernen Leib des schlanken Wagens, der wie ein rollendes Panzerschiff die blaue Mondnacht durchschnitt. In geisterhafter Schnelle zog rechts und links die Kulisse des hohen Forstes vorbei. Die riesigen Bauten der Filmstadt von Neubabelsberg wuchsen in märchenhaften Linien in die kristallene Klarheit des Himmels. Dann trat der Wald wieder dicht an die Straße heran, die unter den Flammenkeilen der Scheinwerfer wie ein breites, flackerndes Band unablässig vor den rasenden Rädern einherfloh. Der Wind floß mit einem scharfen, singenden Ton um die Metallhaube des Kühlers und schlug dem nächtlichen Fahrer zuweilen mit solcher Gewalt ins Gesicht, daß er ihm fast den Atem vom Munde riß. Doch er achtete all dessen nicht. Das Herz weitete sich ihm im Rausch der Gefahr, daß ihm die ganze Welt auf einmal wie eine große Einsamkeit erschien, in der nur das Lied seiner Sehnsucht klang zu den Trommelwirbeln der pfeilgeschwinden Maschine. In kaum einer Viertelstunde war er so bis nach Wannsee gelangt. Er lenkte den Wagen in die Königstraße hinein und hielt dann am Eingang der Seestraße vor der Villa Karr. Ein verspätetes Auto kam von Potsdam herauf und verscl.wand über die Brücke in der Richtung des Sees.