Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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I ROMAN VON HANS SCHULZE 12. Forlsetziing Als Kurt wieder nach der Station zurückgeführt und von seinem Pfleger zu Bett gebracht worden war, lag er noch lange still und regungslos in einem traumhaften Wachzustand. Eine erste, leise Lockerung war mit der unvermuteten Nennung seines Namens in das erstarrte Gefüge seines Denkens gekommen, ein erster, bewußter Laut der Außenwelt in die abgründige Tiefe seiner gefesselten Seele hinabgedrungen. Gerade ihm gegenüber, in einem vergitterten Wandausschnitt, brannte eine kleine elektrische Birne und sandte einen matten Dämmerschein in die lautlos belebte Stille des einsamen Zimmers. Und dann zuckte es auf einmal wie ein Wetterleuchten über sein Gesicht. Hinter den halbgeschlossenen Lidern sah er allerlei wirbelnde Kreise und seltsam tönende Farben. Seine vertrockneten Lippen formten zaghaft ein erstes, unhörbares Flüsterwort. Das GefüM einer unendlichen Leichtigkeit hob ihn plötzlich über sich selbst hinaus, und eine grenzenlose Schwere sank von seinem sich langsam wieder erhellenden Geiste. Mit einem jähen Ruck fuhr er aus seinen Kissen empor und setzte sich im Bett aufrecht. Was war mit ihm schehen? Vergebens suchte er der ersten Angst des Wachens nach einer Brücke zur Vergangenheit; je länger er sann und sich den Kopf zermarterte, um so weiter schien sie ihm wie in einen Nebel zurückzuweichen und schließlich wieder ganz in ihm auszulöschen. Dafür begann das Bewußtsein der Gegenwart um so stärker in ihm zu wachsen, so daß er sich langsam, schrittweise in das wiedergefundene Leben zurücktastele und die Gegenstände in seinem Zimmer allmählich klarer und deutlicher zu unterscheiden vermochte. Ein weißes Bett, ein weißer Schrank. Auch die Wände glatt weiß, nüchtern und kahl wie in einer Klinik. Die Decke des Zimmers, die sich in wahnsinnigen Traumnächten zuweilen wie ein unentrinnbarer Alp auf ihn herabbewegt hatte, hing jetzt starr und ruhig über ihm, daß er endlich aus dem Bett aufzustehen und leise zu dem nahen Fenster zu schleichen wagte. Es war vergittert und verschlossen, wie die Tür nebenan. Und plötzlich schlug wie ein Blitz die erste klare Erkenntnis in ihn ein. Er war gefangen. Das Haus, in dem er sich befand, war ein Gefängnis. Dann saß er wieder auf dem Rand seines Bettes und versuchte abermals zu denken, aus den winzigen Bruchstücken der _Erinnerung eir Bild zu formen. ge aus Er Hinter der geheimnisvollen Tür gingen zuweilen leise Schritte, Ein gedämpfter Baß sprach befehlend. Sekundenlang überfiel es ihn mit übermächtiger Gewalt, aus tiefster Herzensnot laut aufzuschreien, einen Menschen zu Hilfe zu rufen, doch ein unerklärliches geheimes Grauen hielt ihn immer wieder davon zurück. Draußen in weiter Ferne rauschte ein Fluß. Und wenn das gleichmäßig leise Stöhnen ein paar Atemzüge lang aussetzte, hörte er ganz deutlich das feine Zirpen der Grillen, die über unsichtbaren Wiesen lustvoll ihre Geigen strichen. Eine heiße Freiheitssehnsucht weitete ihm plötzlich die Brust. Heraus aus diesem Totenhause in die lockende Sommernacht, die ihm wie mit tausend Stimmen zu rufen schien! Auf einem Stuhl vor seinem Bett lagen, sauber zusammengefaltet, seine Sachen, Mit unsicheren Händen begann er sich anzukleiden und seine Schuhe anzuziehen; dabei lauschte er klopfenden Herzens auf jedes Geräusch hinter der weißen Tür, die ihn mit ihrem schwarzen Guckloch wie mit einem bösen, drohenden Auge zu beobachten schien. Dann stand er, fertig angekleidet, wieder am Fenster und untersuchte den Verschluß. Der oberste Teil wurde von einem Kippfenster gebildet, das der Stationspfleger zur Lüftung in der warmen Nacht in einem Gelenk halb auf gestellt hatte. Die Vergitterung endete hier mit runden Verschnörkelungen dicht über dem feststehenden Unterteil und bildete für einen körperlich gewandten, schlank gebauten Menschen kein wesentliches Hindernis, durch den schmalen Schacht der Zwischenöffnung das Freie zu gewinnen. Mit einem raschen Blick prüfte Kurt die Höhe des Fensterrahmens und kletterte dann mit Hilfe eines Stuhles vorsichtig daran hinauf. Das eiserne Scharnier des Kippgelenkes knackte bedrohlich, als er sich jetzt langsam darauf aufstützte. Doch schon hatte er sich geschickt über die zolldicke Scheibe hinweggewunden und hing an der Außenseite des Unterfensters. Noch ein letzter Sprung über ein Spiräengebüsch, und er stand hoch aufatmend in einem Garten. Nun erst erfaßte er, wie in einer plötzlichen Offenbarung, den wahren Charakter seiner Umgebung. Er war in einem Irrenhause eingeschlossen gewesen, wenn diese Siedlung vornehmer weißer Villen vielleicht auch den harmloseren Namen eines Sanatoriums trug. Mit einer angstvollen Bewegung tastete er nach seiner Stirn. War er denn wirklich geisteskrank gewesen, ja, war er es vielleicht noch? Privatbild von Emil Jannings l'lh't. I'iiriinii'iint