Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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Vor zwei Jahrzehnten, als die Konvention den Frauen und Mädchen noch nicht jene Freiheiten gestattete, die sie heute besitzen, waren die Bälle noch nicht von der heutigen Buntheit und Ausgelassenheit. Zwar in Paris waren die Grenzen auf den Bällen nicht so eng gezogen wie anderswo, aber als wirklich ausgelassen und toll konnte doch nur einer von ihnen gelten, der ,,Ball der vier Künste", pariscrisch ,,Bal des quat'z'arts" genannt, den die Maler mit ihren Modellen feierten. Die Pariser Boheme, die außer ihnen noch Maler, Dichter und Schauspieler zu den Ihren zählte, traf sich einmütig bei dieser Vereinigung, die für Außenstehende ebenso schwer zugänglich war wie ein förmliches Fest der Diplomatie. Die Stimmung auf diesem Ball war toll, übermütig und ein lauter Protest gegen die Philister. Schon beim Eintritt richtete ein großes Plakat folgende Bitte an den weiblichen Teil der Besucher: ,,Die Damen werden gebeten, ihre Hemden an der Garderobe abzugeben." Das war natürlich nur ein Scherz, aber manches Modell, manche Midinette und Grisette erschien in einem mit eigener Hand zusammengehefteten Kostüm, das im Zeichen einer Mode, die den Frauen absolute Verhüllung vorschrieb, als kühn und herausfordernd erschien. Wie sehr haben sich doch unsere Ansichten geändert, denn niemals sah man auf dem Bai des quat'z'arts so wenig bekleidete Frauen, wie man sie heute auf jedem Kostümball antrifft. Allerdings bestanden die Kostüme der armen Mädel meist aus recht billigen Stoffen, und der einzige Schmuck, den sie trugen, bestand in ihrer Jugend und Frische. Auch Sekt wurde wenig ge wurden bestraft. trunken, und dann meist von Außenseitern, die ihre Eintrittskarten von Kunsthändlern und Verlegern erhalten hatten und die mit eigenen Augen sehen wollten, in welch verruchter Weise sich das tolle Künstlervölkchen amüsierte; auch mit dem heimlichen Wunsch, eines der netten Modelle an den Tisch zu bekommen und beschwipst zu machen. Diese Absicht mißlang zumeist, denn fast immer diese Außenseiter erkannt und mit Verachtung Aber alle jene, die sich wie Freimaurer an einem Geheimzeichen erkannten, dem unsichtbaren Geheimzeichen aller, die zur Boheme gehören oder aus ihr hervorgegangen sind, alle jene amüsierten sich köstlich. Man tanzte und küßte sich, man teilte seinen Wein und seinen Absinth mit allen, ließ sich Zigaretten schenken und kaufte für die Mädchen Leckerbissen. Man warf Konfetti und Schlangen, kostümierte sich mit Papiermützen, und es kam nicht selten vor, daß man mit irgend jemand das Kostüm tauschte. Der tolle Rausch der Jugend beseligte die gesamte Pariser Boheme, das war die stürmische Nacht des Bai des quat'z'arts. Um diesen Ball ganz zu verstehen, muß man zwanzig Jahre alt sein, aber wer ihn einmal erlebte, vergißt ihn nicht. Denn auch der Bai des quat'z'arts gehört zu den Dingen, die heute längst dem ,, Betrieb" verfallen sind, wie das Leben nach dem Kriege in Paris härter geworden ist. Wilhelm iThiele versucht jetzt, in seinem Ufa-Film vom ,, Modell vom Montparnasse" den Rausch dieses Künstlerballes bildlich zu gestalten. Mit Lilian Harvey, der reizendsten Musette von der Place du Pantheon, wird ihm das schon gelingen. I Ballszene aus dem von Wilhelm Thiele inszenierten Ufa-Film „Das Modell vom Montparnasse" Pliot. L/a