Der Kinematograph (May 1909)

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Der Kinematograph Düsseldorf. No. 124. Aus dem Reiche der Töne Musik und Maschine. Gegenüber der Kinematographie und der Phono- graphie hört man immer wieder den Einwurf: . \Ikt es ist um! bleibt eine Maschine, der di«* S«*«*l«* fehlt". Da «l«*r Mechanismus in unserem Kunxtleben Ix-ginnt eine immer grösser«* Rolle /.u spielen und niemand mehr daran denkt, die Maschine oder gar irgend welche mechanische Rc- produktionsverfahrcn aus dem Teni|N*l der Kunst zu ver¬ treiben, s«i ist es an der Zeit, prinzipiell gegenülier der Me¬ chanik in d**r Kunst Stellung zu nehmen und die Krage zu beantworten, ob die mechanische Wiedergabe <»in*s Kunst¬ werkes oder einer Musik seelenvoll sein kann oder nicht. Dass der Maschine die Seele fehlt ist ohne weiteres zuzugeben. Aber das ist es ja gera«l *. was sic für die Kunst so geeignet macht. Auch dem Marmor, dem Holz, der Lcin- wand. «lern Papi *r und d«*r Oelfarbe fehlt die Seel«* und «li«* Töne sind weiter nichts als seelenlose physikalisch'* Kr- seheinungen. die sich der mathematischen Formel nicht zu entziehen vermögen. Der Stein ist z. B. als künstlerisches Material geeigneter als Wachs, weil «*r c1m*ii härt«*r. materi¬ eller, seelenloser ist. Aus demselben Grunde sind di«* photo¬ graphischen Reproduktionsverfahren für die bildende Kunst brauchbarer un«l liefern einwandsfreiere Resultat«. Von einem Reproduktionsapparat Seele zu verlangen ist absolut unsinnig. Nicht. w«*il ein Apparat niemals l*«*s«*clt s«*in kann, sondern weil er «*s nicht s«*in darf, wenn er zu einer getreuen Wiedergtlx* von Kunstwerken geeignet s«*in soll. Nehmen wir zweierlei an. Erstens ein < Jesangsv«>-trag sei „aeelenvoll“ und zweitens. <*in M<*chanismus vermöchte «li«> T«">ne in vollkommener Weise wiederzugeben. d. n. «*r brächte genau dieselben Luftschwingungen hervor, «lic «li«* menschli« hc Stimme erzeugt«*. In diesem Fall«* muss auch d«*r mechanisch wiedeigegebene (Jesang seelenvoll sein Denn der Rcprnduktinnsm«*chanismi's unterscheidet sich als solcher durchaus nicht von irgend einem oder dem ein¬ fachsten Mittel di«* Wirkung der Musik o«l<*r die Stärke «l«*s Ton«*s zu verliessern. Dieses einfachste Mittel ist «1er Raum von gut«*r Akustik. In einem solchen Raume hören wir die Töne teils indirekt. Sie machen Umwege zu den Wänden und von diesen wieder in den Saal und zum Publikum. Das Resultat ist eine kräftiger«* Wirkung als sic im Fteien möglich ist. Wenn wir einem solchen Konzert ausserhalb d«*s Saales zuhören. s«j dringen die Töne ebenfalls indirekt an unser Ohr. Aber selbst, wenn wir nur n«x*h dann und wann einen gedämpften Klang vernehmen, werden wir dies«*n nicht s«*elenl«»s nennen, weil er nicht aus der menschlichen Brust direkt an unser Ohr gelangt. Sehe ich z. B das Spiel **incr Schauspielerin durch das Opernglas, oder in einem Spiegel, so gewahre ich indirekt dasselbe, was ich auf der Bühne sein* und wenn dort mit S«*elc gespielt wird, so g«*schieht «*s auch im Spiegel und in dem. was ich durch das Glas sehe. Eine photographierte Zeichnung, « in-* kinematographierte Pantomime sehe ich indirekt und verändert d. h. grösser «xler klein«*r. einfarbig oder in einem amleren Ton. Einen phonographi«*rten Gesang höre ich dagegen, wenn der Appa¬ rat wirklich gut ist, nur indirekt ohne jede Veränderung. Neuerdings sind Musik-ipparat" in den Handel gekommen, die das Klavi~rspiel mit j«*der Feinheit der Nüance me¬ chanisch w iedergellen un«l die somit das indirekte H«"irt n eines Klavierspiels ermöglichen so gut oder noch besser, wie das lx*i jedem Konzert die Fenster und «li«* Türen <xl«*r gar die Wände für die Aussenstehenden tun. Auch das Echo st«*llt ein mechanisches Reproduktionsverfahren dai und «li«* Luft s«*lbst trägt «lic Töne mechanisch an unser«* Ohren. Wenn als«i irgend eine Musik überhaupt seelenvoll ist, so ist sic es auch in der mechanischen Reproduktion. «I. h. wenn «li«*s<* weiter nichts ist alseine Reproduktion. «*in kirnst - li«*lu*s (nicht künstlerisches) Echo od«*r ein verbesserter Spiegel. Wir vermögen uns einer guten Musik um so liesscr hinzugt'hcn. je weniger wir vom Genüsse «ler Töne ahgelenkt werden. Versteht «*s nun «l«*r Künstle seinen (Jesang zu beseelen. s«i ist <*in solcher Kunstgenuss immer dann möglich, wenn w ir den Gesang, die Töne direkt oder indirekt hören. Dass «las Auftreten mancher gefeierten Persönlichkeit im Publikum eine feierliche Stimmung erzeugt und den Zuhörer, besonders schwärmerisch ver¬ anlagte Backfische, für Musik empfäi:gliclu>r macht, ist natürlich ni«-ht zu leugnen. Besitz«**! \vi- aber ein«*r blossen Maschine gegenüber die Fähigkeit, ein«* Kunstdarbietung zu geniessen. nicht «ider nur in geringem Masse, s«i wir«l dadurch di«* l»ctreffende Musik nicht seelenlos. Im Gegen¬ teil; wenn wir nicht «ihne weiten« zum vollen (Jenuss«* eines Kunstwerkes fähig sin«!, so ist «ler psychologische Mangel auf unserer Seite. D«*r Musiker kennt solche Neben¬ sächlichkeiten nicht, ihm genügt es. wenn sein Trommelfell in j«*iu* Schwingungen versetzt wird, «lie ihm «-inen Kunst genuss gewähren. All«*s andere stört ihn und j«*d«*n reinen Musikgenuss Weil uns die Kunst allein nicht genügt, weil wir nelien- lx*i eine kl«*.ne Sensation, oder «li«* Natur, «xler das aktuell«* Lclx-n halx'ii möchten, nennen wir die Reproduktionen «ler Maschine seelenlos. Reproduktionen, di«* «las Seelische vom K«'irperlichen, «las Sinnliche von «ler Sinnlichkeit und den (Jeist von «l«*r Materie trennen, so oft sie «*in voll- kotnm *n(*s Werk vollkommen wiedergeben. Der Künstler, sofern er ein bildender Künstler is*. hat sich st«*ts d«*s totosten und materiellsten Materials IxMiient. um «li«* Kunst von seinem kurzen, dem Zufall anheinigi*steilten |x*rs«“»nlichen Lelx*n entbinden und liefreien zu können. Er hat Seel«* «lern Marmor und «ler Bronze eingehaucht, weil Stein iiiul Erz ein bess«*res Formgedächtnis besitzen als der Mensch, «ler nur kurz«* Zeit zu 1«*Ik*ii vermag. D«*r Musiker vertraut seine Seel«* «ler Musik an. um sie hinüber zu retton in ili«* UnVergänglichkeit. Bisher war ihm das nur im Groben und provisorisch möglich. Erst die Blatte und die Noton- rolle vermag «lic Nuancen dauernd festzuhalten. «*rst «l«*r Mechanismus ermöglicht das Dasein «les nuancierten Musik¬ werkes in Tönen unabhängig vom irdischen Dasein «l«*s Kiknstl«*rs. Die Seele des Mozart'sehen Vortrags ist uns verloren gegangen, wir besitzen nur n<M*h seine Notenzeichen, nicht seine beseelte Musik. Heute vermag auch der Musiker sein Werk zu vollenden und auch «lern (Jesang- «xler Klavier¬ vortrag s«*in«* Seele für «lie Dauer einzuhauchen Dass dc*r Mechanismus trotzdem seelenlos bleibt» ändert nichts an der Tatsache, dass gerade «ler tote Apparat der seelenvollsten Kunst den weitesten Spielraum lässt untl berufen ist. vor allen» der Musik di«* wertvollsten und Iwdeutendsten Dienste zu 1‘isten. Wenn wir der Maschine g«*geniilx*r immer noch ein Vorurteil haben, so liegt «las clx»n daran, dass unsere Te«*hnik viel grössere Fortschritte macht als unsere Bildung. :n-