Der Kinematograph (May 1909)

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No. 126 Per Kinematograph — Düsseidort. Pie Gmaoren sind Reissig an der Arls-it und besehen sieh Montags und Donnerstags jeden Film, der ihnen unter¬ breitet wird, und es werden ihnen wöchentlich etwa dreissjg- tausend Fuss Films vorgeffihrt. Nein, ich danke für Süd¬ früchte — (’ensor möchte ich nun ganz gewiss nicht sein. Pie zur M. I*. P. Co. gehörenden Fabrikaten halten ein schriftliches Abkommen mit der Censur-Beho-de getroffen, wonach die Censorcn berechtigt sind, ihnen .licht passende Stellen aus den zur Kritik unterbreiteten Films einfach auszuschneiden; diese Stücke müssen von den Fabrikanten aus allen Films, die zum Versand kommen, gleicherweise ausgeschnitten werden. Wäre das nicht ein prächtiges Sujet für einen komischen Film: „Pie Film-Ccnsur“. Pas Publikum hierzulande wird immer anspruchsvoller. Erst waren sie mit lebenden Bildern zufrieden; dann gaben ihnen die Theater Vaudeville-Akte, später mehr Akte und bald fast nur Akte. Heute gibt es lebende B hierTheater, die eine elienso feine Vaudeville-Vorstellung für zehn Cents Kintritt geben, als Keith und Proktor für einen Dollar. Pas Resultat ist, dass die kleinen Fünf-Cents-Theater auf dem Alisterbe-Ktat stehen, weil sie die hohen Kosten der Vaudeville-Akte nicht erschwingen können und die grossen Zehn-Cents-Theater treten an deren Stelle. lticse sind liesetzt von Morgens elf bis Nachts elf und verwundert fragt man sich, wo all die Leute den ganzen Tag herkommen. Ks wird in Deutschland soviel Federlesens von „unver- brennbaren Films“ gemacht. Dafür gibt man hierzulande gar nichts, weil die Maschinen so feuersicher sind, dass ein Verbrennen der Films absolut ausgeschlosst n ist. Pie Lubin Manufacturing Company in Philadelphia druckt auf Verlangen jedes Sujet auf un verbrenn baren Film, wobei sie nur 15 Pfennige pro Meter mehr berechnet, als für gewöhnlichen Film. Aus der Hauptstadt des Reichslandes. Strassburg im Fisass — was lässt sich von dieser alten, wunderschönen Stadt nicht alles erzählen! Politisches und unpolitische»«, militärisches und ziviles. Aber auch artistisches und kinematographiaches. Ks soll hier von den Strassburger „Kientöppen“ die Rede sein. Deren gibt es mehrere. Sie sind nicht gerade elegant, al«er doch zweck¬ entsprechend eingerichtet. Das Personal ist durchweg sehr höflich und ist von der liebenswürdigen Art der alle- mannischen Stämme des deutschen Volkes, die so wohl¬ tuend absticht von dem Unteroffizierston der meisten Söhne Brennabor’s. In den Vorführungen wird ein erfreulicher Wert auf schöne Naturaufnahmen gelegt; so sah ich zum Beispiel im „W eltkinematographen“ am Kleber¬ platz einen Film: „Quelle des Tarn in Frank- re i c h“. der zu den schönsten gehört, die ich je im Kino erblickte. Unter den Dramen war das „ergreifende Lebens¬ bild“ von der Seoküste; „D er Hass des Fischers“ liemerkenswert. unter «len artistischen Sujets „Thomp- sons dressierte Elefanten im | Winter¬ garten zu Berli n“, während der Zwiegesang zwischen Klsa und Lohengri n~ („Höchstes Ver¬ trauen“) mit einer mordshässlichen Elsa von Brabant ausgestattet war, dazu kam, dass bei dem Duett der „Quaker“ (Berliner Volksausdruck für Grammophon) gräulich quakte. Besser geraten ist die „G rosstadt¬ puppe“, bei der Helene Ballot’s mollige „Beene- kens“ so anmutig strampeln, wie im Thaliatheater zu Berlin in natura. Das war nun alles ganz schön. Aber eines Tages steht der Diener des Welt-Kinos in Livree vor der „Kleinen Metzig“ (Monumentalliau i und verteilt gellx* Extrablätter, eine grosse Attraktion meldend. l>ie Sensation war: „S neben Momentauf¬ nahmen aus Messina einge tröffe n.“ Das Volk drängte sich zur Kasse. Wir lelien im Zeitalter der Sensationen. Nach einigen friedlichen Bildern erhebt sich das brav«* „perpetuum mobile“, der Klavierspieler, von seinem Sockel, und verkündet: „Extraeinlage: „Szenen aus M e s s i n a“. Atemlose Stille. Der wackere .Jünger Franz Liszt's setzt sich wieder an die Tasten der Klaviatur und sucht durch ernstere Klänge „Stimmung“ zu machen. Zunächst sieht man nun auf dem Film die Wunderstädte des sonnigen Südens als grossen Trümmerhaufen - eine gewaltige Tragödie der Natur.- Furcht und Mitleid die lieidcn Aufgaben der Tra¬ gödie des Theaters — waren im Publikum erregt. Namentlich durch die Erweckung des letzteren Gefühls war eine schöne menschliche Regung wachgerufen, die vielleicht manchen veranlasst hat, auch ein Scherflein für die armen italienischen Bundesgenossen beizut ragen. Aber mit dieser erfüllten schönen Aufgabe begnügte sich der Filmfabrikant nicht. Er bot noch mehr. Der Pianist spielte den so oft grausam misshandelten Chopin’schen Trauermarsch. Und was sieht mau nun?- In voller Deutlichkeit, nach der Natur auf¬ genommen, erblickt inan, wie entsetzlich verstümmelte und verbrannte Leichname hervorgezogen, von den eil¬ fertigen Ausgralienden kurz l>eträchtet. in der Hast der Arbeit unsanft niedergelegt und notdürftig bedeckt werden. Ein anderes Bild gibt gleichsam eine Parade über ein schier endloses Leichenfeld. Tausende erschlagener Menschen harren ihrer Beisetzung zur ewigen Ruhe. Immer neue Erdkarren, angefüllt mit Leichen, werden angefahren und werden wie Schutt a b - geladen. Deutlieh und scharf (der Film ist technisch nur zu gut!) sieht man im Vordergrund alle diese Leich¬ name. Eine Frau bringt — man erblickt es deutlich —• zwei neue Kinderleiehen und legt sie „zum übrigen“. Da musste sich denn doch das Auge abwenden. Wenn auch vielleicht nicht vor Entsetzen über das traurigste Moment an sich, sondern darüber, dass solche Bilder vor Alt und Jung in drastischer Schärfe dargeboten werden. Wir haben im Fachblatt ,,D er Kinemato¬ graph" nicht die Pflicht, jeden im Inseratenteil annon¬ cierten Film zu glorifizieren. Die vornehmste Aufgabe unseres Fachblattes muss immer d i e bleiben, da, wo Ge¬ setze der Aesthetik oder Moral (letztere natürlich nicht im Muckersinne aufgefasst!) verletzt werden, wohl¬ wollend abzumahnen. Es ist keine würdige Aufgab«« für einen Kino-Photo¬ graphen ang«*siehts der entsetzlichen Katastrophe mit der Photographen-Camera, wie eine Katze vor dem Mauseloch, zu lauern, bis eine Leiche hervorgez«»gcn wird, um sie zu Sensationszwecken zu photographieren. — — — Feiner angelegte Naturen befällt ein Ekel vor solchem Gebaren. Es war ein schwerer Missgriff einer sonst so erstklassigen Firma, aus deren Krone kein Stein fällt, wenn sie solchen Film suspendiert! Ja. selbst das Gefühl des Volkes sträubte sich gegen den Film. Eine einfache, schlichte Elsässerin, die neben mir sass, sagte: „Wie kann man nur so traurige Sachen zjir Vorstellung bringen!“ — Genug davon. Man möge diesen Fehler wieder gut machen. Um auch das geschäftliche zu behandeln, so sind die Eintrittspreise in Strassburg (Welt- Kino) für Erwachs«*!«' 1. Platz SO Pfg„ 2. Platz 50 Pfg„ 3. Platz 30 Pfg„ für Kinder und Militär (vom Feldwebel abwärts) an Werktagen 1. Platz 40 Pfg„ 2. Platz 25 Pfg., 3. Platz 15 Pfg.; an Sonn- un«l Feiertagen: 1. Platz «0 Pfg„ 2. Platz 40 Pfg., 3 Platz 20 Pfg. Abonnements (12 Karten,