Der Kinematograph (December 1910)

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No. 206. Der Klnematograph — Düsseldorf. alter, edler Herkunf ist künftig zuversichtlich von einer ■ 11<Kiemen Imitation zu unterscheiden, ja noch mehr: Ein Bösendorfer-Flügel. beispidsweis« von Louis Ree gespielt wird ander» klingen, als unter den Fingern der Miss Mund, oder irgend eines anderen Virtuosen L'nd doeli können beide da» gleich ' 1 Lied aus den gleichen Noten auf dein gleichen Instrumente gespielt haben. Ist » nicht w irklieh so als hätten wir nun die Seele, das Persönliche. . idi\ kluell - der Künstler seele selbst bloss gelegt, dem Sey.iermesser ausgelie*ert ? Jede Nuance der Auffassung lässt sieh graphisch auf das allergenaueste und in dem kleüisten nachweisbaren auf- y.eichnen. Wahrlich ein phonischcr Apparat dessen Kon- trolltätigkeit über die Grenzen m.ser -r kühnsten Träume hinausgeht. Und recht merkwürdig ist an tler ganzen Sache noch folgendes: Das was in den Niederschriften der verschiedenen Wiedergaben gleich ist, fällt uns vor allem nicht so sehr auf als die Verschiedenheiten. Man studiert nicht die geheimnisvollen Gleichheiten, sond -rn vor allem das Ab¬ weichende von der Normaltrace. Man sucht sich einen Grund zu konstruieren, warum derlei Abweichungen vor kommen und analysiert so ganz unbewusst di • Seele des schaffenden Künstlers im Momente der Schöpfung selbst, und darin liegt ein ganz eigenartiger, geheimnisvoller Reiz. Der praktische Verstandesmensch wird freilich sagen: Was nutzt mir so eine Maschine? Was gehen mich fremde Seelenzustände und Gefühlsextascn an. wenn ich kein Geld machen kann' ? Gemach Auch eine eminent praktische Seite hat diene Maschine. Sie ist industriell sehr verwertbar, obwohl noch niemand den Versuch gemacht hat, sie wirklich zu ver¬ werten. Erstens ermöglicht nämlich der Apparut Scriptures vor allem durch die Feinheit und Genauigkeit seiner Auf¬ zeichnungen einen präzisen und vorurteilslosen Vergleich zwischen zwei gleich gebauten, gleich gestimmten, gleich aussehenden, sonst aber doch grundverschiedenen musi¬ kalischen Instrumenten, wie es b eispielsweise die alten Meistergeigen und ihre modernen Imitationen sind. Man wird es künftig nicht mehr nötig haben, sich auf das nur allzu leicht täuschbare Ohr >>dcr geheime Kennerkünste, die bei Licht betrachtet. auf gemeine Charlatanereien hinaus¬ laufen, zu verlassen, sondern man hat ein Instrument in der Hand, das allergenauestens das aufzeichnet, worauf es wirklich ankommt, nämlich den Ion Man wird die Güte eines solchen Instrumentes graphisch nach weisen und die Echtheit desselben graphisch beweisen können. Man wird dabei wohl auch manche unangenehme und unerwartete Ueberraschung erleben, ähnlich wie bei alten Oelgemälden, die ja auch nur wenigen, verbohrten Kunst¬ kennern gefallen denen aber die meisten nichts abgewinnen können, ausser die in den Schulen eingeimpftc Ehrfurcht vor dem Namen ihrer grossen Schöpfer, die zu achten uns die gute Sitte befiehlt, wenngleich der gesunde Menschen verstand uns "Sagt • Das mag einmal schön gewesen sein, — heute ist es Ruine. Oder ist dem nicht so? Damit ist aber auch der sicherste Schutz gegen gewisse Uebervorteilungcn eines kunstfreudigen und angeblich recht kunstsinnigen Publikums geboten, das derartige Raritäten mit Leidenschaft kauft und oft nach Jahren erst den traurigen Beweis erhält, dass es einem geschickten Schwind¬ ler aufgesessen ist. Ebenso ist ein Schutz gegen überwertete und minderwertige Instrumente beim Kauf und Verkauf gegeben. l>er Sachverständige und der Künstler wird sich eines so leicht anwendbaren Hilfsmittels bei Geschäften, die oft hoch in die Tausende und Zelintausende gehen, nicht ontschlagen wollen. Zweitens ermöglicht dieser Apparat durch seine Auf¬ zeichnungen die feinste Gleichstimmung zweier Instrumente. Gerade bessere Instrumente lässt man gerne durch fein¬ sinnige und hochempfindliche Stimmer herrichten. die schon mehr Künstler denn Handwerker sind und auch dementsprechend liezahlt werden. Verlässt sich nun so ein Stimmer allzusehr auf sein ..fein-s" Gehör, so treten, ins liesondere. wenn er ohne Stimiagah Ikontrolle bloss nach dem Gefühle stimmt, oft sogenannte Schwebungen auf Tonverschiedenheiten und Bildungen dritter Töne, die gar nicht erregt wurden (sogenannte Inferfercnzersoheinungent. die insbesondere bei der grammophonisehen Aufnahme solcher Instrumente äusserst störend wirken können Warum anders gibt es bisher nicht zwei gute Klavierduette, als aus diesem Grunde! Die graphische Darstellung des an¬ gespannten Tones gibt aber ein unfehlbar sicheres Mittclzur Vermeidung dieses Uebelstandes her. Der Stimmer und der ausübende Künstler werden also beide gleich gerne zu diesem Apparate greifen, denn sie verrichten ihn- Arlx'it mit ihm zuverlässiger, besser und leichter, als wenn sie sieh auf ihr. wenn auch noch so feines. Gehör verlassen wollten. Drittens Stimmer, Aufnahmetechnik r und alle die¬ jenigen, deren Beruf zwischen Handwerk und Kunst steht, sind notorisch sehr teure Gesellen. Namentlich Ix-i gewissen Instrumenten werden heute Löhne gezahlt, die fabelhafte Höhen erreichen. Eine unserer erster. Grammophon geseltschaften gibt ihren Technikern — speziell ausgebild-ten Mechanikern. Gehälter von rund JOtMMi Mk. per Jahr, also weit mehr als mancher L T niversitätsabsoivent mit präch¬ tiger Beamtenkarrierc je zu erreichen vermag Es ist nicht angebracht, hier soziale Streitfragen aufzuwerfen und zum Teile lässt sieh diese exorbitante Bezahlung ja daraus erklären, dass Gehör und Geschick elx-nso wenig etwas ist was das ganze Leben hindurch anhält wie etwa die Stimme eines Sängers. Solche Leute suchen eben in den Zeiten, da si 1 viel und leicht verdienen, sich einen Sourpfennig für Tage anzulegen da sic ihre Fertigkeiten bereits ein gebüsst Italien, da sie ihr Gehör verlieren und brotlos werden Auch hier greift der neue Apparat ein und sichert gleich gute Stimmiingsleistungcn bei völlig untalentierten, gehör losen Arbeitern und den höchst bezahlten, gewissenhaft künstlerisch arbeitenden Elementen. Er verbilligt somit die Produktion und wird daher auch vom Fabrikanten gerne gesehen werden. Viertens: Der Apparat ermöglicht jedem Säuger dii genaueste Kontrolle ül>er seine Stimme, zeigt alles, wa» daran unausgeglichen und fehlerhaft ist und bleibt bei allen Verbesserung*versuchen ein treuer, niemals schmeichelnder aller auch niemals unwahr nachredender Freund. Er ist wie ein Spieglein. das auch nur Zeigt, was ihm gezeigt wurd« oder wie ein Echo, das nur zurückruft, was man ihm zu gerufen hat. Insbesondere gilt dies auch für seine An Wendung zur Kontrolle des Spieles gew isser Instrumente. Fünftens: Der Apparat ermöglicht aller Voraussich< nach auch das Lesen der phonautographischcn Schrift und gewinnt hiedurch eine ausserordentlich w ichtige juristisch! Bedeutung. Künftig wird es möglich sein, Platten und Walzen ohne Zuhilfenahme einer besonderen Maschine zu lesen. Es werden also Phonogranimtrager von vornherein unter die Schriftwerke fallen und eine Kopierung derselben wird nicht mehr auf dem umständlichen Wege des Stra! gesetzbuches. sondern durch das Urheberrechtgesetz zu ahnden sein. Obwohl gegenwärtig sich in dieser Hinsicht schon manches geklärt hat, ist eine derartige vereinfachte Rechtsprechungsmögliehkeit im Interesse der Autorin. Komponisten Verleger und Schallplattenfabrikanten eben»" gelegen wie in dem tler Künstler, Schauspieler und Säne r Das sind wohl Gründe genug, die dieser neuesten phonischen Kontrollmaschine auch ausserhalb Amerikas weit¬ gehendste Beachtung zu schaffen geeignet sind.