Der Kinematograph (December 1910)

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No. 207. Der Klnematograph — Düsseldorf. man für die nächste Zukunft Süd-Afrika im"Auge behalten, um im entscheidenden Moment inspringen zu können, sinlass die deutsche Film-Indus - rie an der allgemeinen Sachlage auch ihren Profit einzie!v.. M. W. S. Abgründe. Der fromme, oft genug in ernsthafte Behauptungen gefasste Wunsch, «las Lichtbildtheater möge seine eigentliche und ausschliessliche Aufgabe erkennen und den Völkern Europas Geographie und Geschichtsunterricht und ähnliche Stunden erteilen, wird anscheinend niemals in Erfüllung gehen. Das grosse Publikum verlangt nach Sensationen, und nur Sensationen können es veranlassen, an irgend einem Orte zusammenzuströmen. Was wir in den ver¬ dunkelten Räumen erwarten wenn die Musik uns schon in eine den Alltag verachtende Stimmung versetzt hat, «las sind andere Dinge als Mikroben «ind Bakterien, lehrhafte Bilder aus derTeehnik und Strassenszenen aus afrikanischen Dörfern. Wenn die Kraft, das Leben dramatisch zu sehen und es dramatisch zu gestalten irgendwo existiert, so dürfen wir erwarten, dass sie sich des Fdm bedienen wird, um gerade in diesen Räumen ihre Macht zu beweisen und in der Spracho aller Nationen «las zu verkünden, was alle Welt immer wieder zu hören wünscht, nämlich, dass es Abgründe und Schracken überall und auch in den volk¬ reichen Ebenen des modernen Lebens gibt, dass die Glätte d?s Asphalts oder des Parketts, die Sicherheit moderner Verkehrsmittel oder die öffentliche Sicherheit niemand hindern kann, in die Tiefe zr sinken, zu stolpern, zu fallen und an den Rand des Verderbens zu gelangen. Und dass es heute so gut wie zur Zeit der Ritter Raum genug gibt für Lustspiele und Tragödien, für Ritterlichkeit, Heldenmut «xler Feigheit. Wir möchten das Leben d«-s Alltags im Spie¬ gel dramatischer Kunst erblicken, um auf seinem Grunde alles im glühenden Feuerscheine auf leuchten zu sehen was uns Schrecken oder Bewunderung einzuflössen vermag. Liebt« und Untreue. Leidenschaft un«l Qualen. Reichtum und Elend. Und wenn irgend ein Ding in der Welt benutzt werden kann, um uns wahrhaftige Dramen, vollkommene Tragödien oder dramatisches Genie vor Augen zu führen, wenn es imstande ist, uns den Genuss grosser,.aus dem wirklichen Leben aufsteigender Kunst zu verschaffen so vergessen wir schnell all? anderen Zwecke denen es sonst zu dienen vermag. Unsere Theat 'rleidenschaft ist grösser als wir wissen, und anscheinend kommt die Lichtbildkunst dieser unserer Is-idenschaft entgegen, erweckt sie, wo sie noch schlummert, schürt eie, wo sie schon vorhanden ist und beginnt nun sie zu unserem Erstaunen hie und da vollkommen zu be- fri«?digen und uns somit die Gewissheit zu verschaffen «lass hier ein neues mächtiges und weitreichendes Mittel gefunden worden ist, künstlerische Kräfte zur Mani¬ festation und zur Wirkung gelangen zu lassen. In künstlerischer Hinsicht ist es vor allem die Geste, die Bewegung, der Tanz, es sind die Mittel der Pantomime, die die Wirkung dieser Dramen ausserordentlich zu ver¬ tiefen vermögen; Die unartikulierte Sprache der Sinne, <iie Sprache aller Menschen, bindet die Phantasie nicht, sondern erweckt sie und regt sie an. Sie löst Stimmungen aus, die das Wort nur zu verscheuchen vermag. Und diesem stummen, aber durch Musik begleiteten und verklärten Spiel steht die herrlichste Bühne d?r Welt, die Natur, zur Verfü¬ gung; und so mischt sich denn in diesen unwirklichen Bildern Kunst und Leben. Dichtung und Wahrheit zu neuartigen Schöpfungen, die in j«?dem Raume sichtbar zu werden vermögen, und die daher in ihrer Wirkung keine Schranke kennen. Alle diese Umstände mögen zu dem sensationellen Erfolg des Lichtbild-Theater-Dramas .Abgründe", das jetzt im Palasttheater in Düsseldorf zweimal abendlich vor ausverkauftem Hause gegeben wird, beigetragen haben. Alle Welt ist davon überzeugt dass diese Vorführungen «las Theaterereignis des .Jahres bedeuten, und so ist denn auch die öffentliche Meinung gezwungen, wenigstens von dieser Ansicht Notiz zu nehmen. Wenn man bedenkt, weiche Verschiebung im Theater¬ wesen jetzt von so vieler, erwartet w ird, und wenn man hört, dass besonnene Theaterfreunde und -kenner vom Aufkeimen einer volkstümlichen internationalen Theater¬ kunst grossen Stiles -«»den, so kann man den Vorführungen im Paiasttheater keim* gewöhnliche Bedeutung heimessen Soll es sich wirklich um eine volkstümliche Kunst «>der um deren Entwicklung handeln, so wird jede in irgend einem Sinne rhobene Kritik von schädigender Wirkung sein müssen. Das Lichtbildtheater ist so falsch beurteilt worden, cs hat uns durch seine Entwicklung so sehr über¬ rascht, alle Prophezeiungen so vollkommen zuschanden gemacht, und zudem hat die Theaterkritik so sehr zu einer nicht volkstümlichen Auffassung des Theaters beigetragen dass sich die Kritik s«iw«ihl in Bezug auf das Lichtbildtheater wie auch auf dessen volkstümlichen ('harakter einem un- bekannten Gebiet gegenülier zu befinden scheint. Wer in diesen Gegenstand cindringt, gelangt bald zu der Ueber- zeugung, «lass die Liehtspielkunst am besten gedeiht, wenn «las grosse Publikum sie beurteilt und wenn nur dieses Urteil öffentlich ausgespiochen wird. Doch nun zur Sache! Und da muss von vornherein liemerkt werden, dass das .Sensationelle dieses Dramas auch auf einem and«*ren Gebiete liegt. Ich habe bisher immer geglaubt, die Grenze sei eine Linie, und eine Linie s«-i etwas Abstrakt«**, «ias zur Geometrie gehört. Nachdem ich aller den Gaucho-Tanz in den Abgrüiulen gesehen habe bin ich anderer Ansicht. Esgibt i'ineGrenze, einekongretc. fühlbare, greifbare Grenze. Sie ist nach meinem G«*fiiliI noch schärfer gezogen als die geometrische, und dennoch ist sie eine lieängstigende Wirklichkeit und scheint mir nicht die geringsten verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihrer abstrakten Schwester aus dem Reiche der Zahlen zu haben. Un«l auf dieser Grenze, die tausendmal f«*in«-r ist als ein Haut - , tanzt Asta Nielsen uls Magda ihre unselige un«l verderbliche Leidenschaft zu Rudolf dem Artisten Magda, eine Kopenhagener Klavierlehrerin, lieht dieseti Rudolf unglücklich, und diese Liebe ist das Vertlerben. vor «lern Knud, ein Gentleman-Pastoronsolin sie bewahren will. Ihre Eifersucht gegenüber einer Varietesängerin bringt sie so weit, dass sie ihre Rivalin auf offener Szene angreift. Riid«>lf und Magda erhalten ihre Kündigung iiikI geraten bald ins Elend. In einer Gartenwirtschaft, in d«*r Magda rlurch Klaviersoiel ihren und ihres Gelmbten Unterhalt verdient, findet Knud sie wieder. Sein Wunsch sie unter vier Augen zu sprechen, die niederträchtige Auf¬ fassung eines sehr glaubwürdigen K«‘l!ners von diesem Wunsche. Zech- und Spielschulden des Geliebten und andere von psychologischen Faktoren feinsinnig abgeleitete Um¬ stände steigern das Drama im zweiten Akt mit jeder Szene zur Höh* guter Kirnst. Magda wird ihrem Geliebten, der sie verkaufen will, um seine Zeche bezahlen zu können, nicht untreu, auch nicht, nachdem sie ihn getötet. Dieser zweite Akt, in dem auch der Gaucho-Tanz organisch verflochten, ist ein glücklicher, meisterhafter Wurf, zu dem man Urban Gad. dem mutigen Verfasser Alfred Lind, dem technischen Darsteller. Asta Nielsen und dem übrigen Ensemble nur gratulieren kann. Man fühlt hier die ruhige und sichere Meisterschaft die jedes grosse Kunstwerk auszeichnet. Die realistische Darstellung ist von köstlicher Frische, die Verwendung des gaffenden Volkes und dessen Bewegung genial gedacht und inszeniert. O. Striebolt als Kellner, Fräulein Emilie Sannom als Varietesängerin und die Herren Robert Dimscit und Paul Reumert als Knud und Rudolf sind vor den* Aufnahmeapparat der grossen Bühnenkunst treu geblieben