Der Kinematograph (December 1910)

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No. 2G9. Der Klnematograph — Diascldorl. Beweises. trotz des täglich zu konstatierenden Zusammen¬ hanges des Lichtbildes mit der darste lenden Kunst, das amtliche Organ des Deutschen Bühnen Verbandes den Kinematographen als den gefährlichste i Feind der Bühne bezeichnet. Verlosungen in Kinematographentheatern. In der letzten Zeit hat sich eine Unsitte in Kinemato- graphentheatem auf dem Lande sowohl wie auch in grösseren und kleineren Städten breit gemacht, die nicht scharf genug im Interesse des Gewerbes bekämpft werden muss: wir meinen nämlich die Verlosungen. Jeder einsichtige Kine- matographenbesitzer wendet sich gegen diesen neuesten unlauteren Wettbewerb, der dazu dienen soll, das Publikum in hellen Scharen anzulocken, mit Abscucu und gerechter Empörung. Sind denn noch nicht genug polizeiliche Massnahmen gegen Auswüchse, berechtigte und unberech¬ tigte, der Kinematographentheater ergriffen worden? Wird nicht die städtische Steuerschraulw immer wieder von neuem gegen die Kinos angezogen, angeblich, weil diese cs noch am besten wegen ihrer grossen Einnahmen, diesichin steigen¬ der Richtung bewegen, vertragen können ? Es ist traurig, feststellen zu müssen, dass es wirklich noch verhältnismässig zahlreiche Kinematographenbesitzer gibt, die lediglich auf einem materiellen Standpunkte stehen, und die auf der Suche nach neuen Anziehungsmitteln. um der Konkurrenz zu begegnen, in skrupellosester Weise verfahren. Sie wissen r.ichts von einer Allgemeinheit, nichts von Idealismus, nichts von einer Hebung des Standes — für sie ist die Haupt¬ sache nur das eigene Ich, die Jagd nach einem oft zweifel¬ haften Glück. ,,Nach uns die Siindflut!“ Die anderen mögen sehen, wie sie zurecht kommen, wenn sie nur ihr Schäfchen geschoren haben werden. Langt 1 wird «'s jeden¬ falls nicht dauern, und jene durchaus verwerflichen Mani¬ pulationen dieser Theater fallen dem Strafrichter wegen unlauteren Wettbewerbs, wegen Vornahme nicht erlaubter öffentlicher Verlosungen, wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen usw. anheim. Und dies von Rechts wegen. Wir sind wahrlich nicht die ersten, die bei jeder Gelegenheit nach der Obrigkeit, nach dem Schutze des Gesetzes rufen, aber gegen diese Verlosungen in den Kineniatographen- theatern. die die anständiger geleiteten Unternehmungen diskreditieren, müsste mit aller Entschiedenheit polizeilich eingeschritten werden. Denn nur so kann «las Uebel mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Es ist unglaublich, was für Gegenstände mancherlei Art. meistens Ausschuss¬ ware, in diesen pomphaft angekündigten Verlosungen an den Mann gebracht werden. Da sind nicht allein goldene und silberne Damen- und Herrenuhren. Schmuckgegen- stände. Bilder mit und ohne Rahmen, Broschen, Ringe, Armbänder, Spangen. Kammgarnituren, wohlriechende Sei¬ fen mit starkem Sodazusarz. Parfümfläschchen usw. zu gewinnen, sondern auch schlecht geleimt« 1 Haushaltungs¬ sachen, Küchengerätschaften. Würste. Pfefferkuchen und — horribile dictu — sogar lebende Schweine. Zu Nutz und Frommen sei hier eine tragikomische Geschichte aus Dillingen an der Saar erzählt. In diesem kleinen Landstädtchen, indessen Umgebung grosse Hütten¬ werke mit zahlreicher Arbeiterbevölkerung sich befinden, stehen an einzelnen Tagen der Woche zwei Kinematogra¬ phentheater mit Wirtschaftsbetrieb d«'r wissbegierigen Menschheit zur Verfügung. Die Inhaber sind kreuzbrave Leute, die wissen, was sie ihrem Publikum vorsetzen dürfen. Du lieber Gott, wenn auch mitunter ein gänzlich „ver¬ regneter“ Film sich in dem Spielplan befindet — ziemlich neue Sachen verirren sich in diesen abgelegenen Winkel ja nicht—, nun, dann schämt man sich ein wenig, nimmt die Beschwerden der g« l duldigen Besucher bedauernd entgegen, und schreibt dann zur Abwechselung einen geharnischten Brmf an den in Frage kommenden Filmver¬ leiher. mit dem ein Abschluss in puncto achte bis zehnte Woche gemacht worden ist. Dass die Films zu dieser Zeit durch die starke Abnutzung nicht mehr intakt sein können, ist ohne weiteres zu glauben, die gering« 1 Verleihgebühr ist du- her erklärlich. Doch nur weiter: In einer durch wirre Träum« 1 unterbrochenen Nacht verfiel der ein« 1 Besitzer des Bildungsinstituts auf eine genial« 1 Id« 1 «*: «*r li<*ss nah und fern farbig« 1 Zettel verteilen, auf «lenen in klobiger Schrift zum Schluss der Bonntagsvorsteliung eine Verlosung „wunderbarer“ Gegenstände angekündigt wurde, für die an der Kasse jedem der geehrtt-n Besucher «‘in Los gratis eingehändigt werd«*n sollte. l)i«>se Reklame z«)g —- der Kunsttempel war dicht besetzt und die glücklichen Gewinner strahlten. Sie wurden von den von der Glücksgöttin Fortuna nicht bedachten Männlein und Weiblein mit bitter- siissen Mienen lietrachtet und beneidet. sintemalen «lies« 1 üble Angewohnheit ein alter Erbfehler d«-s Menschenge¬ schlechts ist und bleibt. Einen solchen Kassenerfolg wollte nun auch «l<>r andere biedere Konkurrent am nächsten Sonntage ebenfalls haben. Hatte d«*r Teufelskerl zehn Gegenstände zur Verlosung gestellt, so kündigte <‘r flugs zwanzig an. „es ist ja alles da!“ Auch dieser Trick zog, und zwar in erwünschtem Masse, zumal auch die „Feld¬ webel“ der Biergläs« i r sich zur Feier «l«*s Tages mit „Garde¬ litzen“ geschmückt hatten. Nun fing «las gegenseitig«« Ueberbieten der in Harnisch geratenen Unt« i mehiiM i r an. Man kam bis auf eine schwindelnde Höhe von Preisen heran. Da galt es nunmehr, etwas Eigenartiges zu bieten. „Heu reka — ich habs gefunden!“ ri«-f triumphierend der erste wieder nach einer unruhigen Nacht aus, „ich verlose ein Schwein.“ Gesagt, getan, «ler Saal war bomben voll, und der Gewinner trug wie ein stolzer Römer das quiekende kleine Borstentier nach Haus«*. . Was der kann, kann ich auch!“ meinte der andere und kündigte für den nächsten denkwürdigen Tag zwei Schweine für die Verlosung an. Schon wieder ein« 1 L T eberfüllung d«*s Theaters. War das ein feierlicher Moment für den Besitzer, als er seine beiden vielversprechenden Ferkelehen, die nach der Mutterbrust in unmelodisch«*n Lauten verlangten, einem hoffnungsfrohen jungen Pärchen mit zitternden Händen überreichen konnte! Wer nun wohl meint, dass der Rekord in diesem Konkurrenz- wettstreit geschlagen worden sei, irrt sich ganz gewaltig. Man höre und staune! Bald darauf wurde eine Verlosung von drei Schweinen angekündigt. Heiliger Nepomuk, schweige un«l verhülle dein Haupt! Jetzt setzt die Tragi¬ komödie ein. Die tolle Geschichte war dem Bürgermeister des Ortes denn d«»ch gegen «iie Hutschnur, <>r verbot die weitere Abhaltung von Verlosungen in den beiden Kine- matographent heat «*rn und rettete dadurch die Landwirtschaft vor dem drohenden Untergang. Jetzt ist „in allen Wipfeln Ruh“! Und nun als Gegensatz eine Historie aus dem betrieb¬ samen Wuppertal, aus der Grosstadt Elberfeld. In einer spalt«‘nlangen Anz«‘ige in den dortigen Tagesblättern heisst t‘s folgendermassen: „Im Ncala-Uinema un«l Tonbild-Thea¬ ter. Kipdorf 61. wird vom 9. bis einschliesslich 22. Dezember 1910 das Allerneueste vorgeführt, und zwar „Wilhelm Teil, ein lebendes Preisrätsel aus den Schweizer Bergen.“ Für die richtige Lösung dieses Preisrätsels haben wir fol¬ gende Preise ausgesetzt: 1. Preis: Massiv goldene Herren- Remontoiruhr: 2. Preis: Massivgoldene Damen- Remontoir- uhr; 3. Preis: Silbernes Zigaretten-Etui. Jeder weitere Err.vter des Preisrätsels erhält ein I>utzen«l Abonnements- biüetts auf den 1. Platz. Bedingungen: Jeder Besucher wird aufgefordert durch Brief oder Postkarte oder an der Kasse abzugebenden Zettel mit Kennwort oder Namens- unterschrift unter Beifügung von Zeit und Datum seine Lösung einzureichen. Derjenige, welcher als erster laut genauer Zeitangabe resp Poststempel seines Schreibens