Hellmut Diwald: Sein Vermächtnis für Deutschland (1994)

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Rolf-Joseph Eibicht sind, ob wir uns schon in einem Europa des Jahres 2200 beheimatet fühlen: das alles läßt sich heute nur durch die Geschichte und mit ihrer Hilfe aktivieren.« Die Auseinandersetzung mit der Geschichte, so Diwald an anderer Stelle, versucht den »Bestrebungen des Menschen, seinem Tun und Leiden, seinen Wünschen und seinem Versagen, seinen Festen und seiner Trauer, seiner Sehnsucht und Enttäuschung einen Sinn abzugewinnen. Deshalb fehlen auch in den großen Ereignissen niemals Bestrebungen, die in eine Richtung außer¬ halb der Zeit gehen. Ohne den Willen zum Bleibenden, ohne den oft so aussichtslosen Mut zur Dauer könnten wir Menschen die unentrinnbare Vergänglichkeit unseres Lebens und unserer Geschichte nicht ertragen. Mit solchen Bemerkungen stoßen wir allerdings an die Grenzen der rationalen Auslegung. Zur Einzigartigkeit und zugleich zum Sinnbildlichen des großen Ereignisses gehört ein Hauch des Mysteriösen. Dieser Rest von Unerklärbar¬ keit stellt sicherlich so etwas wie die Seele des Ereignisses dar. Der Respekt davor erlaubt dem Historiker nur den Versuch der Umschreibung. Schon das ist anspruchsvoll genug, denn nichts zeigt so offenkundig wie die großen Ereignisse der Geschichte, daß das Geheimnis der Welt im Sichtbaren hegt und nicht im Unsichtbaren.« Leopold von Ranke, der »den ersten Platz der Geschichtswissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts« (Lord Actor) innehatte, sah die Aufgabe der Geschichtsschreibung darin, »bloß (zu) zeigen, wie es eigentlich gewesen«. Diesbezüglich lautet sein berühmtes Wort: »Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: so hoher Ämter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will bloß zeigen, wie es eigentlich gewesen.« Diwald schreibt zu dieser Methode der Geschichtsdarstellung: »So geht sein Streben in der Abformung der konkreten Gegenstände und Begebenheiten auf. Was da¬ durch unerklärlich bleibt, läßt er auf sich beruhen, nur zuweilen glaubt er, die Hand Gottes über den Menschen wahrzunehmen.« Ranke, dem nach George Peabody Gooch »die deutsche Geschichtsschrei¬ bung ihre führende Rolle im 19. Jahrhundert« verdankt, beschrieb die Aufgabe der Geschichtspräsentation wie folgt: »Ich wünsche mein Selbst gleichsam auszulöschen und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte erscheinen zu lassen, die, im Laufe der Jahrhunderte mit- und durcheinander entsprungen und erstarkt, nunmehr gegeneinander aufstanden und in einen Kampf gerie¬ ten, der, indem er sich in schrecklichen und blutigen Kämpfen entlud, zugleich für die wichtigsten Fragen der europäischen Welt eine Entscheidung in sich taug. Die Aufgabe der Historiker wäre, über dem Streit der Parteien zu stehen, ihn zu begreifen, die Kämpfenden jeden in seiner Absicht zu fassen, danach seine Taten zu wägen und erst alsdann sie zu beschreiben. Jedem die Gerech¬ tigkeit widerfahren zu lassen, deren er sich in sich selber wert ist, das geziemte sich. Dagegen geschieht nur allzuoft, daß die Geschichtsschreiber, von der Unfehlbarkeit ihrer Meinung durchdrungen, in den Streit eintaeten und ihn. 23