Hellmut Diwald: Sein Vermächtnis für Deutschland (1994)

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Ein Gedenkblatt für Hellmut Diwald als »unzeitgemässe Betrachtung« oder auch an Bachs h-moll Messe als Vollendung einer Entfaltung christlichen Weltverständnisses, ohne welches die Musik kaum über einen Tiroler Jodler hinausgekommen wäre. Der Verzicht des Staates auf Letztbegründung und verbindliche Sinnstif¬ tung gibt der Religion einen eigenen Wirkungsbereich; denn Religion ist die Weise, in welcher dem Menschen ein Bewußtsein seines Wesens und seiner Zugehörigkeit zur Welt aufgeht. Es wäre völlig abwegig, daraus eine »strikte Neutralität« des Staates abzuleiten. Es gilt zwar die Unantastbarkeit der persönlichen Glaubens- und Gewissensentscheidung, also der menschlichen Privatsphäre; aber der Satz »Religion ist Privatsache« darf nicht zum Grundsatz einer demokratischen Staatsverfassung gemacht werden, wo die Religion oder eine Kirche wesent¬ lich zur Identität des Gemeinwesens beigetragen haben. Auch die Väter des Grundgesetzes von 1949 haben nicht an einen »laizistischen Gesetzesstaat« gedacht. Wenig hilfr eich ist hier die Religionswissenschaft. Sie verfehlt ihr Thema, weil sie die Religionen nicht ernst nimmt. Sie ist jedenfalls keine eigene Religion, sondern setzt deren Gleichgültigkeit voraus. Immerhin unterschei¬ det sie zwischen Primitiv- und Stammesreligionen oder auch Naturreligionen, zwischen Kannibalismus, Animismus, Fetischismus, Tabuismus usf.; es gibt Offenbarungs- und Erlösungsreligionen, Vernunftreligionen, Schrift- und Buchreligionen. Toleranz allen Religionen und Kulten gegenüber ist Aus¬ druck völliger Ahnungslosigkeit, die am Maßstab aufklärerischer Vernunft alles messen und beurteilen will, was mit Aufklärung kaum etwas zu tun hat. Die Emanzipation der Religion vom Staate darf nicht zur Emanzipation von der Religion werden, was dem säkularen Staat einen Großteil seines morali¬ schen Potentials kosten würde. Es wäre verhängnisvoll für den laizistischen Staat, wenn er sich zur Religionslosigkeit verpflichtet fühlte. Treuhänderische Förderung und Wahrung der Religion ist ihm aufgegeben. Toleranz im Sinne strikter Neutralität bis zur Gleichgültigkeit wäre ein Schritt in den Nihilismus, der heute schon vor der Tür wartet. Gewiß würde ein europäisches Gemeinwesen nicht hinnehmen, wenn Tod und Beerdigung eines Menschen unter der Rubrik »Müllabfuhr« abgehakt würden, während Trauerfeier und Begräbnis als Privatvergnügen der Hinter¬ bliebenen hingenommen werden. Schlimmer ist es, wenn Ehebruch, Kuppelei und Unzucht sowie die Tötung vorgeburtlichen Lebens (Fristenlösung) als rechtens erklärt werden. Auch die brutale Sexualerziehung der Kinder gegen den Willen der Eltern ist das Sprungbrett zur Gewalt im Schulleben. Diesem Abbau der sittlichen Welt gegenüber haben die Kirchen als Anwälte von Recht und Sitte die heilige Verpflichtung, öffentliche Anklage zu erheben. Wie sagte doch Aristoteles: »Wer die Götter nicht ehrt und die Eltern nicht liebt, ist zurechtzuweisen.« Und die Griechen waren Heiden! 70