Hellmut Diwald: Sein Vermächtnis für Deutschland (1994)

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Ein Gedenkblatt für Hellmut Diwald als »unzeitgemässe Betrachtung« stil und unser Kultumiveau verdanken. Nur wer sich selbst in eine große Vergangenheit hineingestellt weiß, gewinnt daraus Perspektiven für die eigene bewußte Lebensgestaltung. Wer nur das Negative in der Historie sucht und das Sensationelle wie Krieg, Schlachten, Naturkatastrophen, Hungersnot und Zwietracht zu berichten hat, verfehlt das Eigentliche des Geschichte, eben das, was darüber hinaus noch den Menschen wichtiger gewesen ist als der permanente Ausnahmezustand. Es gibt aber professionelle Miesmacher, die gar nicht wissen, was sie selbst der Tradition und ihrem moralischen Gehalt verdanken. Vor allem lassen sie aus, was den Menschen wichtig und teuer gewesen ist. Sie verfälschen die Ge¬ schichte und lehnen sie dann ab. Für sie ist der Mensch der ewige Störfaktor, der eliminiert werden müßte. Für den Geisteswissenschaftler ist das aber die Flucht vor der Freiheit, die das Wesen des denkenden Geistes ausmacht. Er sucht die Innenseite der Geschichte ins Blickfeld zu bringen, also das, was die Menschen sich selbst dabei gedacht haben und wie sie sich in ihrer Zeit selbst verstanden haben. Daraus wird gewissermaßen natumotwendig eine Geschichte der großen Geister, die ihre Zeit in Gedanken gefaßt haben. Im großen Individuum wird das Allgemeine sichtbar, das dem Einzelindividuum aus seinem eigenen historischen Bedingungszusammenhang und auch aus seiner subjektiven Produktivkraft zugewachsen ist. Das Thema des Geisteswissenschaftlers ist der lebendige Geist, dessen Subjektivität vergegenständlicht wird zu einer Objektivität, die für den histo¬ rischen Wirkungszusammenhang zum eigentlichen Impuls wird. Die Identi¬ fizierung des Individuums als Sinnstifter, Tugendprediger oder Wegweiser bringt die historische Wahrheit zutage, aus der sich der Historiker rechtfertigt. Dabei ist für uns hier nicht an eine Frühgeschichte der Menschheit gedacht, was für die Religionsgeschichte wichtig erscheint, sondern an einen anderen Vorgang, nämlich an das Werden des Abendlandes. Geistesgeschichte nimmt aus ihrer Forschungsrichtung heraus Kurs auf ein inszeniertes Gespräch auf höchster Ebene und über die leitenden Ideen, die zueinander in einem Wechselspiel des Rezipierens und Produzierens einen Gesamtprozeß hervorbringen, der eine Verschmelzung von Kulturkreisen mit sich bringt. Nur dort, wo unterschiedliche Kulturkreise einander begegnen und ein Integrationsprozeß stattfindet, der über diese Kulturkreise hinweg schließlich eine eigene Form des Weltbegreifens und der Sinnstiftung zustan¬ de bringt, findet der Geisteswissenschaftler den höchsten Gesichtspunkt und auch die geeignete Thematik für sein Anliegen, das Werden des Abendlandes aus dem Zusammenfluß von Griechentum, Römertum und Judentum darzu¬ stellen. Die Einzigartigkeit und Einmaligkeit dieser, ein Jahrtausend umfassenden Verschmelzung ist in seiner Eindringlichkeit erst verständlich zu machen, wenn die darin wirksamen Kräfte benannt und in ihrer Aufeinanderfolge ins 74