Film Revue (1947 Issue 5/6)

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_ Kurze Anleitung für Sollten Sie durch wohlwollende Freunde, durch Selbsterkenntnis oder — was für mich besonders schmeichelhaft wäre — auf :Grund meines Testes auf S. 50 dieser Aus gabe dieser Zeitschrift auf die überraschende Tatsache aufmerksam geworden sein, dab Sie ein Filmdichter sind, und sollten. Sie » die Absicht haben, hieraus allfällig die Konsequenzen zu ziehen, dann habe ich Ihnen haargenau das mitzuteilen, was Sie zur einträglichen Pflege Ihres T alentes benötigen: 1. Ein Film ist kein Mysterium, und Dreh‚ buchschreiben hat nichts mit Kabba" listik zu tun. Die das behaupten, sind eifersüchtige Routiniers oder verhinderte Autoren, die in das Refugium aller unaufgeführten Stückeschreiber, in die Dramaturgie, gingen. Das bißchen Technik lernen Sie in kürzester Zeit. Pumpen Sie sich zu diesem Zweck ein altes gutes Drehbuch oder gehen Sie, wenn möglich, oft ins Atelier, nie aber in sogenannte Autorenkurse! Dort wird der Dichter in Ihnen brutal totgeschlagen. = 5 2. Suchen Sie nicht lange nach einem geeigneten Stoff! Die sogenannte Stofffrage ist überhaupt keine Frage. Wer da von Problemen spricht, meint Una Er trampelt mit riesigen 'Scheuklappen durch Welt und Leben und sieht die Themen nicht, die sich in überwältigender Fülle zur Darsiellung anbieten. 3. Betrachten Sie Natur und Menschen mit offenen Augen! Horchen Sie stets wie ein Luchs um sich! Neugierde ist in diesem Fall kein moralischer Defekt, sondern eine schäßenswerte Tugend. Durch ausgiebigen Gebrauch all Ihrer Sinne erfahren Sie mehr, als Sie je aus Büchern oder Darstellungen von zweiter Hand gewinnen können. Viel Lesen ist 4. Merken. Sie sich: Eilniichtes überhaupt ungesund. Und Filme nach Gelesenem pflegen im allgemeinen nicht viel zu taugen. es kommt nicht auf das „Was“ an, sondern auf das „Wie“! Nur Stümper glauben, die Kunst sei vom Gegenstand abhängig; in Wahrheit kümmert sie sich einen Pfifferling darum. Auch Filmschreiben ist nicht einfach etwas sagen, sondern die Art und Weise dieses Sagens. Tun Sie sich da bei aber um Gottes willen keinen: Zwang an! Werden Sie alles nur nicht originell & tout prix! Und noch etwas: Stil hat man, Stil kann man sich nicht einfach zulegen wie einen neuen Hut oder ein Paar Hosenträger! 9. Stellen Sie nichts Alltägliches, aber das alltägliche Leben dar! Stoffliche Echtheit hat nichts mit Banalität, gültige Gestaltung des Psychologischen, nichts mit Schablonisieren zu tun. Das Leben kennt keine „Typen“, es kennt nur Individuen. In jeder Begebenheit steckt ‘etwas Ungewöhnliches, sie von einer anderen, ähnlichen Unterscheidendes. Alles Geschehen ist voller Dramatik. Entdecken Sie es! 6. Beachten Sie stets, daß Film Bewegung ist! Schildern Sie also möglichst wenig Zuständliches! Im Roman können Sie schreiben: „Er war ein sokratischer Weiser“ oder „Sie ist keusch‘. Im Film . können Sie damit nichts anfangen. Nein, erzählen Sie lieber Vorgänge! Beschreiben Sie das bewegte Leben! Es muß immer etwas los sein — und wenn es die Kamera ist. Nur das macht die Sache interessant und läßt die Zuschauer mitleben. 7. Gebrauchen Sie möglichst wenig Worte! Der Film war nie größer als in seiner, stummen Zeit. Er ist und bleibt wesentlich Optik. nn auf der linken Hälfte — FLAMMER SEIFE KOMMT AUCH WIEDER MMER HEILBRONN: A-NECKAR der Drehbuchseite ‚steht, ist tausendmal wichtiger als das, was rechts vermerkt _ ist. Ein Manuskript ist um so besser, je weniger Dialoge es enthält. Der Ton macht zwar die Musik, nicht aber den Film. 8. Schreiben Sie keine zu langen Filme! Das Auffassungsvermögen der heutigen Menschen ist genau so begrenzt, wie Papier und Rohfilm es sind. Machen "Sie rechtzeitig Schluß! Einmal genügt vollkommen. Es gibt Filme, die — horrible dietu — zweiund dreimal zu Ende gehen. Eine filmische Apotheose auf den zweiten preußischen Friedrich hatte haargenau vier. ‚Schlüsse. Das ist eine Viecherei. 9, Schreiben Sie immer lustig drauflos! Aber seien Sie, wenn Sie hernach das Geschriebene lesen, ungeheuer skeptisch' Noch jeder Dichter, auch der größte, hat einmal Mist verzapft. Daß wir so wenig davon wissen, liegt daran, . ‚daß er klug genug war, es vor der Publikation selbst zu merken. Sie müs sen jederzeit über die Qualität. Ihre Arbeit im Bilde sein! Peinlich, wenn Sie es nicht sind und die Filmdramaturgien müssen es dann sein... 10. Fahren Sie nicht ‘gleich aus der Haut, wenn die Produktion von Ihnen mehr als dreimal verlangt, Sie sollen das : Manuskript abändern! Es ist nur in drei Prozent der Fälle Boshaftigkeit oder Ignoranz; für den Rest können plausible — gewöhnlich monetäre — Gründe geltend gemacht werden. Die sogenannte Kalkulation ist das einzige und wahre Mysterium beim Film. Im übrigen sind wir alle Menschen. 11. Sollte man wider Erwarten hr Manu skript ablehnen, brauchen Sie nicht gleich Selbstmordabsichten zu äußern. ' Eine Ablehnung ist nicht notwendig ein Werturteil. Der Produktionsplan kann bereits festliegen, Ihr Stoff läßt sich nicht zwanglos eingliedern, es fehlt viel. leicht an künstlerischen oder techni ‘schen Möglichkeiten und was derglei chen Schwierigkeiten heute mehr sind. Lassen Sie es sich nicht verdrießen! . Schreiben Sie ruhig weiter, ganz so, als So, das wär's für werte. RE ee a ee a ee se EEEEEEERERHAERE ob nichis gewesen wäre! Keiner weiß den Tag, noch die Stunde... 12. Sollten Sie wider Erwarten Erfolg he = "ben, schnappen Sie bitte nicht gleich über! Saroyan sagte einmal: „Nur Menschen, die versagen oder inkonsequent sind, können Erfolg haben und sich darüberfreuen.‘ Erfolg bedeutet gar nichts, höchstens weitere Verpflichtungen und tausend Ängste,-daß es einmal schief geht. Man sollte nicht erfolgreich. sein wollen! Das Glück läßt sich nicht zwingen. Und jeder Friede, auch der vielgerühmie innere, kostet Überwindung. 13. Alle guten Dinge sind dreizehn. Ein bißchen Aberglaube kann nicht schaden, auch beim Film nicht. Die meistgepriesene Form des modernen Aberglaubens ist der Optimismus. Huldigen auch Sie ihm! Seien Sie zuversichtlich! Nil desperandum! Kopf hoch, wenn auch der Hals dreckig ist! Lutho Ari JEURGENS KG, GOCH’NIEDERRHEIN GREVENBRUCK/ WESTF.