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Blanchette Brunoy und Bernard Blier spielen die
neugebackenen Besiger des Cafe du Cadran, die durch
das Dazwischentreten des feinen Primgeigers in einen schweren Ehekonflikt geraten
J ede Weltstadt besigt in den unübersehbaren Windungen ihrer Straßen eine Reihe von magnetischen Punkten, wo sich die typische Eigenart der betreffenden Stadt in konzentrierter Form präsentiert. Punkte, wo Menschen. mit den .verschiederartigsten Interessen zusammenfließen. Wer Paris. kennt, kennt auch das „Cafe du Cadran“ und weiß, daß dieses kleine Kaffeehaus so typisch wie kein zweites die Atmosphäre der Weltstadt Paris widerspiegelt. Seine Lage an der Ecke Rue Louis-le-Grand und Rue Daunox, gegenüber dem übermondänen Cafe Paris, 10 Meter von der großen Sportarena „Städe Francais”, 15 Meter von der Zeitung „L’Oeuvre“ und 100 Meter von der Rue de la Paix entfernt, liegt am Schnittpunkt der Hauptmerkmale unserer modernen Zeit und mischt daraus das, was wir unter dem „typischen Paris“ verstehen. Es verkehren dort gesprächige Zeitungsreporier und lakonische Sportler, aufgepußte Hotellöwen, Taugenichtse, Halbweli und
Originale, wie sie die großen Städte beherbergen. | 3 Der Drehbuchautor Pierre Benard hat im Cafe du Cadran ungezählte Stunden verbracht und er konnte deshalb darüber einen Film schaffen, der in seiner Sprache, der Zeichnung seiner Charaktere und der Echtheit seines atmosphärischen Milieus kaum zu übertreffen ist. Eine Reihe der bekanntesten Schauspieler der berühmten „Comedie Francaise* — Bernard Blier, Blanchette Brunoy, Aimee Clariont und Felix Oudart, der ein newer Raimu zu werden scheint — spielen unter der Regie Jean Gehrets mit Schwung und doch viel Feingefühl eine ‚nicht sehr anspruchsvolle, aber doch recht spannende Handlung: Lucien und seine Frau Louise, ein schüchternes Provinzmädchen, geben als die neuen Besiger des Cafe du Cadran Gratisschoppen für die Stammgäste. Wir begegnen dabei den verschiedenartigsten Typen, auch dem eleganten Sologeiger des benachbarten Cafe de Paris, der die unerfahrene Louise mit den Gepflogenheiten der Cite vertraut macht und durch seine augenfälligen Aufmerksamkeiten gegenüber Louise ehelichen Unfrieden heraufbeschwört. Unter seinem Einfluß entwickelt sich Louise zu einem kapriziösen Großstadtgeschöpf. Der Ausgang der Geschichte: eine Autoausfahrt, die in einem Nachtlokal mit zärtlichem«Geigensolo, Eifersuchtsszene mit Revolverschuß und einer verwundeten Louise endet. Das Cafe du Cadran kann . wieder ein neues Schild mit der Aufschrift: „Neuer Besiger! Heute Gratisschoppen für die Stammgäste“ aushängen, was aber nichts bedeutet angesichts der lettlich doch wieder eintretenden Ordnung im Eheleben Luciens und Louises. —oh— Fotos: IFA
Be
Dem Einfluß des eleganten Primgeigers Luigi vom benachbarten Cafe Paris ist es gelungen aus der einfachen Wirtin des Cafe du Cadran eine Großstadt| dame zu machen. (Blanchette Brunoy und Robert 1
Lefort) |
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Das Ende vom Lied:. ein Revolverschuß des eifersiichtigen Ehemannes, der Louise zwar nur verlegt,
Ernst Jaeger-Hollywood: |
D* Morphiumspritzen — und der NieuLJF renschmerz war vorüber, ich arbeite wieder — nehmen Sie Platz“ (mit einem freundlichen Kompliment unverkennbar Wien-Berlinerisch zum Interviewer gewandt) — „und Sie, mein Hühnchen, gehen heute ganz früh ins Bett und sind morgen früh um 8 hier im Atelier mit dem Rest des Manuskripts.‘ | ”
Das „Hühncen“ ist die verblüffende Schönheit unter den Fritz-Lang-Äutoren: Sylvia Richards. Sie schufter gerade an seinem „Winchester 77°. Shakespeare hat ein Gedicht auf die rassige Sylvia geschrieben, bitte nachlesen. Sie sieht wie eine gezähmte Brigitte Helm aus, mit allem Metropolis-sex, „Sie sitzen ja immer noch nicht‘, herrscht er mich an, aber pianissimo, denn ich gehöre ja nicht zum. Ensemble. Antwort: „Ich sitze symbolisch, auf Anschlag, wenn ein berühmter Autor im Zimmer ist.
Sie denkt, er denkt, dieser Interviewer ist meschugge — wie kann er Sylvia loben, nach dem Reinfall ihres letzten FritzLang-Films „Secret Behind the Door?’ (Geheimnis hinter der Tür‘). — Mande Kritiker sind Fernseher. Die Kombination Fritz Lang Sylvia Richards verspricht viel. ‚Aber augenblicklich am Sunset Boulevard, Freitag nachmittag nach fünf, hagelt es
Anweisungen, Befehle an die Sekretärin,
an die Autorin — Lang ist enorm wiederhergestellt, sieht wie 38 aus, obwohl er dringend einen Haarschnitt benötigt und
ist noch immer die auf Volltouren laufende
Ich spreche mit Fritz Lang
Maschine der Perfektion, der ‚hohe Blutdruck nach Vollkommenheit‘“. Nach drei
Minuten hat er die Weiber aus dem Büro
und lehnt sich wie ein riesiger Panther in
seinem Schreibtischstuhl zurück. Ruhepunkt
bevor wir in eine lange Diskussion steigen.
Hinter seinem Haupt flitzen auf der Straße als sensationelle Kulisse so viele Autos, Omnibusse, Lastwagen vorbei in einer Sekunde wie Filmlöcher im Filmfenster der
Projektionsmaschine in einer Minute. „Ra
sende Räder, rollendes Biut‘ hieß mal ein berühmter französischer Film vor Jahren — solch ein lebendes Filmplakat paßt hinter das Lansprofil.
Vor Wochen fand ich ihn, wütenden Her
zens, tot gesagt — filmmüde, Lang-müde,
Hollywood-müde. Lang ist alles andere als müde, „Ich habe seit drei Jabren keinen freien Tag gehabt, seit ich meine eigene Firma habe (Diana-Film). Ich könnte es einfacher haben, wie in all den Jahren, wenn ich nur als freier Regisseur arbeitete. Doc für die paar Jahre, die ich noch filmen kann. will ich verfilmen, was ich will.“ In der Tat, Lang ist der einzige kontinentale Europäer, der in Hollywood als Regisseur und Produzent zugleich arrivierte. Ict hörte aus meinem eigenen Munde wie einen Vorwurf: „Außerdem sind Sie der
. einzige Ex-Europäer und besonders Berli
ner, der steinreich ist.“
„Was habe ich schon“, widerspricht er.
„Ein großes eigenes Haus. Das ist alles.
Zugegeben mit einer Hausdame, einem
"Butler, einem Koch und einem Gärtner.
“
Monokel von einst verbannten,
aber doch zur Vernunft bringt. (Bernard Blier als
Er
‘Für jeden Film bekomme ich von meiner
eigenen Firma als Regisseur 150 000 Deol
lar. davon bleiben mir nach Steuerabzug
33000 Dollar. Wo ist mein Reichtum?
Was ich an Geld hatte, steckte ich in die
Firma. Die hält mich in Atem von früh bis spät.“
Ich muß anerkennen, daß die Diana-Filme „Scearlet Street‘ und „Woman in the Win
dow“ starke Reißer waren mit unleugbarem
Kassenerfolg in ganz Amerika. Durch die Brillengläser, die das längst vergessene schauen seine klaren Augen und machen mich kalt, legen mich zu den Akten eines unverbesserlicdhen Europaträumers. „Hier müssen wir ja alle lernen, fortgesetzt, müssen uns anpassen, vervollkommnen . , .”
Der große Fritz, ach wie so klein, zitierte ich mir. Wie kann einer in Hollywood „vollkommen ‚sein wollen, wenn er in Europa der eine, einmalige Fritz Lang war, vom „Müden Tod“ bis „M‘. Und da fiel dann der Groschen herunter: dieser Läng hat das Hollywood-Dilemma auf seine Weise glänzend gelöst. Er macdıt die Fabrikprodukte, diese ständigen Sünden gegen den Geist, — aus Höflichkeit gegen das Gastland. Er filmt vollendet. was des Landes Brauch, den weltfremden Kitsch, farbig, wie der bunte Druck der ‚Comic stripes‘‘, aber. es bringt ihm das Lächeln der Auguren und die Fässer des Midasgoldes. Lang reitet die hohe Schule der Hol lywoodformel par excellence. Er hat dabei freiwillig übersehen, daß in einer Spielerei Cocteaus mehr Grazie liegt als in zwanzig Hollywood-Komödien.
In anderen Worten: Fritz Lang wandert noch immer, vierundzwanzig Stunden am Tag, nach Hollywood aus, mit dem Rücken
Cafehausbesiger Couturier)
gegen Eurora. Er sucht, obwohl Amerikaner seit vielen Jahren, täglih zu beweisen, daß er, weil ein „Fremder, so gut zu sein habe wie die Manager Hollywoods.
Und warum diese Don. Quichoterei, das Liebedienern vor Hollywood? Um den Frivatmann Lang zu ermöglichen, zu finanzieren und zu beschützen. Ich spreche über eine Stunde — mit diesem Privatmann.
Säße Hollywood als eine Person an meiner Stelle an Langs Schreibtisch. in einem Kostüm, entworfen von Georg Grosz und gespielt von Charles Laughton in Silberhaar, Lang würde ihn mit vielen, flotten
'Säbelhieben seiner Erfahrung in fünf Mi-.
nuten umgebracht haben.
So beklagt er die Geistesarmut der Lunchtische, an denen man nicht einmal fachsimpelt. Er stöhnt über die Erfolgsautoren, die mit ihren Chefs so viel beim Poker verlieren, daß sie ständig unter Vertrag bleiben, damit sie ihre Schulden begleichen können. „Aber die Frauen in Amerika — da kann man aufatmen. Sie werden vielleicht sogar Hollywood zwingen, intelligente Filme zu machen.“
Ja wir benötigen viele Sylvias hier, denke ich mir auf mein Teil. Mein Blick fällt auf seine Hände, die sich aus dem Seidenhemd recken, über das lässig ein brauner Sweater gezogen ist. Diese starken. übergroßen Hände, mörderisch, gewalttätig. Und ich wundere mich, warum er, auch er, der erfolgreicher als alle Europäer die Mimikry des Erfolgreichen angelegt hat, nicht dieselben Hände um Hollywoods Kehle gelegt hat, um es mit seinem Rebellenher
zen aufs Knie zu zwingen. „Die paar Jahre,
die ich noch zu filmen habe _. .“ wie
derholt er. |
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