Film Revue (1948 Issue 5/6)

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= D er Film wird immer zuerst mit den Augen erlebt. Audı = im Tonfilm ist der Schwerpunkt des künstlerischen Ge staltens und das Element der: tiefsten Wirkung das Bild geblieben. Von ihm geht im Kino die Verzauberung, die Kraft der Nlusion, die Entrückung in die Welt der Phan tasie aus, die das schöpferische Medium jeder Kunstübung ‚darstellt. Alle Filme, die den anonymen Strom der Filmgeschichte überragen, lehren es. Sie sind ausnahmslos aus einer umfassenden Bildvision geboren und in einem prä zisen phcetographischen Stil auf die Leinwand geworfen. Da istdie monumentale Plastik der ‚Nibelungen‘ oder die entfesselte Kamera eines revolutionären Naturalismus im „Panzerkreuzer Potemkin“, der traumversunkene Expressionismus im „Kabinett des Dr. Caligari“ oder der pralle, energiegeladene Realismus der ‚Manuel‘, „San Franzisko“ und „Bengali‘. Da ist die legendäre Transzendenz im „Letzten Mann” und in „Fährmann Maria“, die Raumsymbolik in „Mädchen in Uniform“ oder der Symbolismus der Dingwelt in „Junge Liebe” oder die porträthafte Versenkung in die Landschaft des menschlichen Gesichts, wie sie „Johanna von Oileans“ zeigte, oder der Stil der ausschwingenden Jangen Fahrten in „Romanze in Moll“. Und da ist nicht zuletzt der fluktuierende Impressionismus, wie er die im Gegenlicht schwelgenden Bergfilme der FanSchulz auszeichnete, und wie er neuerdings immer stärker und wahrhaft faszinierend in den modernen französischen Filmen zum Ausdruck kommt. | Die Franzosen haben den Impressionismus der Kamera zu ‚ihrem eigentlichen Filmstil entwicelt. Das setzt nicht in Erstaunen von einem Land, dem der Impressionismus eine ' Reihe seiner größten Maler geschenkt hat. Diese Maler, die Monet und Manet, Auguste Renoir und Cezanne, haben zwei Generationen Franzosen mit ihren Augen sehen gelehrt, und die Regisseure und Kameramänner unter ihnen waren davon nicht ausgenommen, Die ständige Verfeinerung der Beleuchtungsmittel und vor allem die um das Mehrfache gesteigerte Lichtempfindichkeit des Rohfilms kamen ihnen von der technischen Seite her zu Hilfe, als sie daran gingen, zu zeigen, was sie von den Meistern der andern Leinwand gelernt hatten. Der Zusammenhang wird ‚greifbar, wenn man den Kurzfilm „La Partie de Campagne“ (Die Landpartie) sieht, den Jean Renoir, der Regisseur der „Grande Illusion‘, zwischen zwei großen Filmen gedreht hat. Denn er schildert darin, im gesellschaftlihen und kostümlichen Dekor der Imprzssionistenzeit, nichts anderes als einen strahlenden Sommertag, wie ihn ein junges Paar in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu verbringen pflegte. Diese bezaubernde Studie — die übrigens eine sympathische Liebe zum Handwerk und ein hohes Maß von innerer Freiheit verrät: jeder arrivierte deutsche Filmregisseur würde es unter seiner Würde finden, sein Genie an einen Kurzfilm zu verschwenden — diese ‚Studie ‚also macht ganz den Eindruck, als habe eines der Picknicks im Freien, wie die Impressionisten sie malten, sich auf der Kinoleinwand in Bewegung gesetzt. Aber es wäre falsch zu denken, die Kamera ahme hier einfach Gemälde nach. Sie kehrt nur in einem launigen und überlegenen Spiel zum Ursprung einer Sehweise zurück, die sie sich inzwischen als eigenen Besitz aus ihren spezifischen Bedingungen erarbeitet hat. Mit welcher Ummittelbarkeit und Eindringlichkeit der Wirkung, das bezsugt die innere Leuchtkraft zahlloser Bilder und Bildstimmungen, die soviel künstlerisches Eigengewicht besitzen, daß sie in unserem Gedächtnis noch haften bleiben, wenn der übrige Film, vielleicht nach Jahren, längst schon vergessen sein mag. Wenn man aus der Handlung von Duviviers „La Belle Equipe‘ kaum noch etwas anderes in Erinnerung hat als daß es zin Arbeitslosen-Film war, so erinnert man sich doch noch deutlich der Freilichtszenerie vor dem verlassenen Gasthaus, des baumumstandenen Flußufers mit dem tanzen espoir“, das in seinem Spiel den Geflek von Sonnensprenkeln und Schattenkringeln unter dem winddurchzitterten Laubdac. Oder aus „Voyage sans Espoir“ das Hafenviertel in klatschnasser Regennacht mit schwimmenden spiegelschwarzen Straßen, in die die spitzen Lichtpunkte der Latermen stechen. Oder aus Renoirs „La B&te Humaine' und Carnes „‚Les Portes de la Nuit‘ die damptfumwölkte, rauchige, verrußte Welt der Bahnhöfe und ihres geleiseund weichendurchzogenen Vorfeldes — aufgesucht am liebsten in den unbestimmten Beleuchtungen der Nacht und des ersten Morgengrauens, wenn Scheinwerfer und Leuchtsignale durch das Dunkel geistern und im Vorübergleiten die Inventarien des Bahngeländes aufscheinen und wieder verlöschen lassen, oder wenn aus Dunst und Nebel der Frühe die Lichtreflexe der Schienenbänder aufglänzen und zwischen ungewissen Silhouetten von Blockstationen und abgestellten Güterwagen die schwarzen Riesenleiber der Lokomotiven urwelthaft drohend aus Qualm und Dampf: hervorwacsen. Ebensowenig wird man die nächtige Kleinstadtstraße aus „L’Homme au Chäpeau Rond“ vergessen, wo sich zwischen den harten Schlagschatten der verschachtelten Häuserwände mit geisterhaftem Leuchten das Mondlicht auf dem Kopfsteinpflaster spiegelt. Und ebensowenig das frostklare Licht des Wintertaes im Gebirge, mit dem „La Symphonie Pastorale“ beginnt. : Die große Entdeckung des Impressionismus war das Licht = das Licht ist das eigentliche Gestaltungsmittel der Photographie. Der erfahrene und verfeinerte Blick der Impressionisten für das vibrierende Fluidum zwischen Auge, Lichtquelle und Objekt, dieses leidenschaftlich an den momentann Eindruck und den Impuls der Bewegung ‚hingegebene Sehen, dem keine Wirkung der atmosphärischen Schwingun ‘gen von Licht und Luft entging, hatte die visuellen Emo tionen des bewesten Bildes gleichsam verausgeahnt und mit d-n der Malerei zu Gebote stehenden Mitteln verwirkliht. Armand Thirard, Court Courant, Philippe Agostini, Andr& Thomas, und wie die Meister der französischen Kamerakunst noch heißen, sind so die legitimen Nachfahren der Monet und Manet geworden. Was die Meister der Farbe sich im Ringen —_. eines Lebens erarbeiten mußten, das fällt der Kamera im Freilicht fast von selber zu, und im Atelier läßt es sich durch eine immer raffiniertere Technik der Beleuchtung erzeugen. Es ist die Luftperspektive, der flirrende Umriß, die vielfältige Auflösung und Nuancierung der Fiächen, der Helligkeiten, Lichter und Schatten, die die flichtige Bewegtheit und nervige Vibration des impressionistishen Sehfeldes konstituieren. Wäre der malerische Impressionismus nicht schon selber Vollendung: In der Rückschau könnte er wahrhaftig wie eine Vorbereitung auf die Optik des Films erscheinen. Erwin Goelz Bild links: Ein Szenenfoto aus „Voyage sans mit dem Licht und der Kunst seiner Einsiellung den Eindruck eines Gemäldes von der Hand eines großen Malers des Impressionismus erweckt. Foto: 1FA Oben: Mit Vorliebe sucht die impressionistische Kamera zwielichtige oder nächtliche Szenen, die von schwachen Lichtquellen magisch beieuchtet werden. (Aus „Les Portes de la Nuit“.) Rene Clairs „Unter den Dächern von Paris“ zeigte nicht nur bis zur feinsten Nuancierung.das Milieu des Pariser Alltags, sondern gilt auch als eines derklassischen Beispiele impressionistischen Filmens. Foto: 1FA Hier eine Szene in einem verlassenen Gasthof, den sich Arbeitslose als neue Existenz ausbauen. Das Gegenlicht, das durch die sehr realistische Folio: IFA veschzuierten Scheiben fällt, erzeugt eine “"iinmung, (Aus: „La Belle Eguipe“) Tee ne