Film Revue (1948 Issue 7)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

fort“ ILMKÜNSTLER leben heute in Deutschland wie andere Menschen auch. Dithyramben auf Prominente sind unzeitgemäß. Mögen allzu Begeisterungsfähige traurig sein über die Enischleierung eines Mysteriums, die Kunst hat gewonnen und die. Künstler sind uns menschlich näher gerückt. Die wahren Freunde der Kunst und ihrer Protagonisten freuen sich über jeden, der mit ihnen Krieg und Nachkriegswirren überstanden hat und heute wieder dabei sein kann. Winnie Markus gehört zu ihnen — aber beinahe wäre es schief gegangen. Während der Endkämpfe um Berlin erhielt sie einen Steckschuß: ins Kniegelenk und war drei Monate ans Krankenlager gefesselt. Daß sie uns er halten blieb, ist ein Gewinn für den deutschen Film. Dieses ofjene, klare Gesicht mit den fast herben Zügen, über denen mitunter das versonnene Lächeln gestriger Wiener Erinnerungen liegt, das wellige Blond der Haare, die flächige freie Stirne, die ge rade Nase, der lockende und doch so seltsam 'gereifte Mund der jungen Frau ist das Antli der jungen Deutschen unserer. Zeit, die: gewohnt ist, dem Leben ins Auge zu sehen, ohne Illusionen, aber nicht ohne Herz. Zweimal sahen wir sie nach Kriegsende auf der Leinwand. Nach Käutners „In jenen Tagen“ und Harald Brauns „Zwischen gestern und morgen“ wurde ihr dritter Nachkriegsfilm der CCC Berlin „Morituri” abgedreht. Winnie Markus wurde in Prog geboren. Heinz Hilpert brachte sie 1937 auf die Reinhardtsche Schauspielschule in Wien. Ihr erster Bühnenerfolg war „Die gute Sieben“. Es folgten einige Filme, in denen sie ihren Typ abseits der Schablone durchsette. Ihr Bild blieb im Gedächtnis haften. Dann kam das große Schweigen für alle und man. hörte vorübergehend nichts mehr von ihr. Bei Boleslav Barlog fing sie 1946 im Schloßparktheater wieder an und war: zeitweilig die Partnerin Hans Söhnkers. Es folgten Bühnenrollen in der „Tribüne“ und „Komö die“. „Das Lied der Taube“ von John van Druten. war ein Ereignis. Sie war das Tagesgespräch von Berlin. Im Mai 1946 lernte sie ihren jetigen Gaiten, den Besiter des Hotels am Steinplaz in Charlottenburg kennen und im Sommer 1946 ‚war schon die Hochzeit. Neben ihrer künst lerischen Tätigkeit erfüllt sie zwischen gestern und morgen die Pflichten einer Hoteliersgattin in Küche, Wäschekammer ‘und Kleintierstall. Nur die Gäste bekom men sie nie zu sehen außer im Kino oder auf der Bühne... 10 Ernst Jaeger: = ETITEITTITN KIT2JIT UN Bühnenkünstlerin Filmschauspieleri Zärtlich drückt Winnie Markus das ar Kaninchen an sich, dessen Kirschenauge ängstlich in de Kamera blickt Als. Hoteliersfrau zählt und sortiert Winnie Markus sorgfältig die aus der Wäscherei gekommene große Wäsche DIE KOFFER DES HERRN K.B. Hollywood, Juni 1948 We kennt schon Kurt Bois in Ber lin! Sie haben ihn dort längst vergessen, er ging ja alseiner der ersten unkte ein. früherer Vollberliner an Vine Street und Holiyvwood Boulevard, als ieh mich entschuldigte, um, ein paar Schritte entfernt, Kurt Bois in seiner Wohnung aufzustöbern. Wenn alle, die ihn in Berlin noch frish im Gedächtnis hätten, eine Postkarte an seine Hollywoodbehausung adressieren würden (6029 Carlos Avenue, las ich in mei nem Notizbuch), der Postmann würde mehr als zweimal zu klingeln haben. „Gott“, sagte Kurt händeschüttelnd, „wenn ich nur einen Freipaß für die ganze Saison zum Trabrennen in Santa Anita hätte, das morgen beginnt, wäre ich der glücklichste Mensch unter der Sonne...“ — „Sind Sie nicht auch so glücklich?“, suchte ich das Terrain zu sondieren. „Wir packen gerade...“ — „Aus oder ein?“, fragte ich zurück. — „Beides“, war dee lakonische Antwort. Um mich herum sah es wie ein Möbel transportgeschäft aus. Kurt war für ein Theaterjahr am Broadway gewesen. Er hatte gerade die wertvollen Möbel, die in Berlin und ganz Europa mit erlese ‚nem Geschmack einst erstanden waren, "aus dem Speicher bekommen, froh, sie bei der kalifornischen Hauskalamität in irgendeine greifbare Wohnung für 200 Dollar im Monat (Friedenswert 35 Dollar im Monat) einmieten zu können, mit sich selbst, seiner 'getreuen Ehepartnerin Hedy und den Kostbarkeiten eines Künsterlebens. „Ich spiele gerade irgendeine Sache bei Warners“, bestätigt er (1000 Dollar die Woche rechne ich mir aus). Irgendeine Sache — das ist der tragische Fall eines der großen Erheiterer der deutschen Bühne, des deutschen Films — im Aus land. In’ aller Figaroeile, die dieser Pre stissimoJongleur des deutschen Lustspiels, selbst in meiner phlegmatischen Schwere ankurbelt, falle ich über Koffer — Koffer, wie sie einst Granowsky in einer Kofferkomödie in Berlin inszeniert, mit dem. himmlischen ‘Song: D MORGEN _ Das Fahrrad ersegt den dddsken . Mercedes. Wenn man es selber pflegt, hat man nochmal Bayıeı Spaß daran das kann „Liebe kommt, Liebe geht, “ — und keine Regierung verbieten... ‘während Kurt, der liebe, hinund herflift, mir seine neuesten photographi schen Meisterwerke zu zeigen, die sein „Hobby“ (Lieblingssteckenpferd) sind, summe ich das Regierungslied Spolan skys und summiere den Fall Bois auf seine Werte zusammen, der ein Unfall ist. „Sie haben völlig unrecht“, wirft Hedy sanft aber entschieden ein, „Kurt hätte in Amerika ‚der‘ deutsche Danny Kaye, ‚der Akrobat des hinreißenden Wort wies werden können, der er drüben war oder geworden wäre...‘ Ich sette mich, völlig nüchtern, auf die Koffer. „Können Sie sich Pallenberg am Broadway vorstellen? Ich nicht!“ Schweigen. „Kurt Bois war, wie Alfred Kerr schrieb, der junge Pallenberg Deutschlands, nun ist er der Pallenberg-Bois von heute — für die deutsche Bühne und den deut schen Film. Das kann keine Regierung verbieten“, fügte ich völlig sinnlos (aber noch nüchtern) an. „Ich habe nie einen Reinfall in Amerika gehabt, Rolle auf Rolle gespielt, auch am Broadway mit einem mäßigen Stück ‚glänzende Kritiken gehabt. Aber mei‚nen wirkli chen Trumpf habe ich nicht Wenn Ajax gebadet wird, muß auch Herr Zellermayer, der Gatte der Künstlerin, mit zufassen Ziegenmilch ist fetter als Kuhmildh und eine wertvolle Bereicherung der Kalorien. Aber das Melken will auch gelernt sein die Atmosphäre in Berlin... Der Feierabend sieht Frau Markus mit einer Handarbeit beschäftigt. Sie -strickt einen Pullover für en Mann Fotos: Zscheile’ Seeger ausspielen können... es war eben Pech...“ — „Charleys Tante“, frage ich zurück. „Indeed; hätte man mir meine Version für den Broadway genehmigt, ich wäre heute...‘ — „Wo, dachte ich mir laut, „würden Sie sein? Auch nur auf einen Sprung zum Trabrennen nach Santa Anita. Auch nur auf der Jagd nach dem schönsten Photomodell in Hollywood, hm, für Ihr liebes Stecken pferd, die Photographie; auch nur um geben von den feinsten Möbeln, die dieses Land aus Europa bezieht; natürlich mit mehr Steuerschulden und Ver pflichtungen.... Doch selbst als einer, der auf den amerikanischen Brettern in einem Stück für drei bis fünf Jahre „alles mit den Beinen“ macht, würden Sie‘ doch der unerfüllte, noch zu erfüllende Kurt. Bois der deutschen Bühne sein. Für mich, für Alfred Kerr und für die Berliner. Das kann keine Regierung verbieten...“ — „Alfred Braun schrieb mir gerade, daß sie meine alten Schallplatten am Berliner Rundfunk spielten“, meinte er leicht bedeppert. ‚Ich gestehe, der Gedanke, am Broadway berühmt zu sein, hat etwas Beängstigendes, während “ und er stockte, indem er die K. B.s auf seinen | Koffern zählte. 15