Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Seine Theorie sei ja sehr schön, aber die Praxis habe doch wohl immer ein anderes Gesicht . . . Darauf sagte Allan Dwan nur: „Das denken Sie!" Und brach die ganze Unterhaltung ab. Wer also, sei er Star oder wolle er es erst werden, die amerikanische Talentprobe nach Allan Dwan aushalten will, hat es nur nötig, immer hübsch stramm zu stehen und zu parieren. Eine eigene Idee gibt es nicht, denn ein persönlicher Einfall wäre sofort verdächtig und müßte mit Grobheit geahndet werden . . . Und da wundern sich bei uns zulande die Leute noch immer darüber, warum in den amerikanischen Filmen die Einzelheiten so oft Jacke wie Hose sind . . .?! Was ist denn aber Temperament? Rurri Weyher, einer unserer beliebtesten Filmstars, hat nach der Lektüre der Allan Dwanschen Aeußerungen eine ganze Weile in stummer Selbstbetrachtung dagesessen und ist dann zu folgenden Ideen gekommen: Ich glaube kaum, daß von zehn gewöhnlichen Sterblichen auch nur zwei imstande wären, das Wort „Temperament" erschöpfend zu definieren. Doch vielleicht tue ich meinen lieben Mitmenschen auch Unrecht. Eins aber, glaube ich, kann ich wohl mit Bestimmtheit annehmen: ein ganz gelehrter Professor oder so ein ähnliches gescheites Haus würde mir auf meine Frage: „Was ist Temperament?" einen ellenlangen Vortrag halten. Worte, Begriffe, teils ungeläufig, würden an meinem Ohr vorüberziehen: cholerisch, sanguinisch, melancholisch . . . tönt es mir entgegen, und schließlich würde ich auch wohl an mein kleines Paulinchen erinnert werden, an mein süßes altes Dackelchen, welches böse Zungen auch phlegmatisch nennen, noch bösere es sogar mit so garstigen Ausdrücken wie faul, dick und dumm belegen. Doch was interessiert mich das, was die gebildete Weisheit sagen würde? Lieber versuche ich, mich in die Gedankengänge meiner verehrten, geistig mehr oder minder hochstehenden Mitbürger zu versetzen, die ja schließlich auch den Kern des großen Kinopublikums bilden. Was stellen sich diese - ich möchte sie Laien nennen auf dem Gebiete der höheren Wissenschaft - unter dem schönen, vielsagenden Begriff „Temperament" vor? Wie viele würden nicht konstruieren: Temperament — Temperament - Hitze — Feuer um schließlich zu dem Schluß zu kommen: Temperament ist Feuer. Wer Feuer, feurige Begeisterung in sich fühlt, und sie lodernd, leuchtend zu einer wärmenden, sengenden I lamme entfachen kann, der heißt im landläufigen Sinne temperamentvoll. Leider, leider segelt unter dieser Flagge 32 auch viel Häßliches. Teils gesunde Taktlosigkeit und Undiszipliniertheit, teils auch krank= hafte Veranlagung. Ich möchte nur an die vielen hysterischen Frauen, auch Männer erinnern, die mit den Füßen trampeln, schreien, kreischen, heulen, kurz, die sich von ihren kranken Nerven vollkommen beherrschen lassen und wofür man dann das immer entschuldigende Wörtchen temperamentvoll schnell bei der Hand hat. Und gerade unter den Künstlern gibt es ja leider so viel Nervenmenscheiu daß es mitunter schwer ist festzustellen, was kranke Nerven und was Temperament ist. Allerdings gibt es auch viele Darsteller und Darstellerinnen, bei denen weder von einer Gereiztheit der Nerven, noch von Temperament etwas zu bemerken ist. Das soll manchen Regisseuren sogar recht angenehm sein, und das sind dann auch diejenigen, die von vornherein, wie Herr Allan Dwan, mit einem energischen „Nein" beantworten. Diese Herren werden sich dann auch stets nur ein hübsches Püppchen engagieren und sich sagen: es genügt, wenn ich Temperament habe, das Püppchen werde ich schon in Rage bringen. Doch ist das Kunst? Das ist Dressur, zum mindesten Handwerk, Komödiemachen. Ich hoffe doch aber stets noc»i, daß der Mehrheit unserer Regisseure ein gesundes Temperament lieber ist als eine Marionette, die sie hin und herschieben können, einmal mit Grobheit, ein andermal mit Güte. Wenn ich so etwas sehe, muß ich immer an einen dressierten Pudel denken, der durch den Reifen springt, wenn man ihn prügelt, und der dann wieder schön das Pfötchen gibt, wenn man ihn lobt. Mir fallen da gerade die Worte einer Miinchener Kollegin ein, die von sich naiv und offen gestand, daß sie nie zur Zufriedenheit ihres Mannes, der gleichzeitig ihr Regisseur war, habe spielen können. Aber eines Tages verlor ihr Mann die Geduld, gab ihr eine schallende