Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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wo Hobson im ersten Stock wohnt. Das Gebäude ist nur zwei Stockwerke hoch, aber augenscheinlich steht die zweite Etage leer, denn alle Läden sind heruntergelassen. Das Haus sieht aus, als sei es zur Hälfte eingeschlafen. Die Polizei ist wirklich schon da. Daniel Farnuin macht sich schnell mit den Herren be; kannt und versteht es, einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich abzulenken. So hat Helen Zeit, durch die Flucht der Zimmer zu wandern und alles in Augenschein zu nehmen. Beinahe erliegt sie der Versuchung, sich in Reichtum und Sorglosigkeit hineinzuträumen, — die Gemächer sind unerhört luxuriös eingerichtet, goldene und silberne Kostbarkeiten stehen in Fülle umher. Und der parkettierte Fußboden verrät nur an wenigen Stellen, daß eilige Füße den schweren Teppichbelag verschoben haben müssen. Eine Atmosphäre von Weichheit und Verschwendung hüllt Helen Franklin ein und macht es ihr sehr schwer, an ihre besondere Aufgabe zu denken. Sie durchsucht mit gehetzten Blicken alle Winkel und Ecken der Räume, tastet sich mit den Augen durch drei breite Bücherschränke und gelangt endlich in das Schlafzimmer. Das Bett ist unberührt, die Tat muß demnach gestern abend geschehen sein. Noch hat sie selbst den Toten nicht zu Gesicht bekommen. Er interessiert sie auch nicht: sie hat nicht einmal Mitleid mit dem Erschossenen. Daniel Farnum hat ihr eine Mission übertragen, und das ist wichtiger, als alles Mitleid der Erde. Das Bett also ist unberührt. Seltsam: Hobson muß einen Sinn für Symmetrie gehabt haben, denn sowohl links wie rechts vom Kopfende befindet sich ein Nachttisch. Zwei Nachttische — , das ist zumindest auffallend, denkt sich Helen, und sie tritt erst an den einen, dann an den anderen Tisch heran, öffnet die Schubladen. Und das Herz pocht ihr in den Halsadern: da liegen Skripturen, mit Tinte geschrieben und mit Bleistift verbessert. Oben drauf liegt ein Revolver. Hastig schiebt Helen den Revolver beiseite und steckt die Schriften zu sich. Harmlos geht sie weiter durch die offenen Zimmer, findet im Rauchsalon die Polizei und schließt sich den Beamten an. Eben muß Steen, der Diener, seine Wahrnehmungen zu Protokoll geben. „Der Herr hatte Besuch — , aber nur bis gegen neun Uhr," erklärt Steen mit einem Gesicht, aus dem sein ganzes Bedauern darübor spricht, daß er indiskret sein muß. „War's eine Dame?" fragt der Kommissar ahnungsvoll. Steen zieht ein saures Gesicht: „Die Dame kann's nicht gewesen sein, der Herr begleitete sie bis zur Tür." ..\\ er war's denn?" fragt der Kommissar argwöhnisch. 3S Steen hebt die Achseln: er selbst traut sich auch ein gewisses Urteil zu, und deshalb spricht er die Dame von sich aus frei. Er verschweigt konsequenterweise ihren Namen. „Ich kenne sie nicht", antwortet er. Der Kommissar wittert ein Geheimnis. „Sie werden vereidigt werden, mein Lieber", droht er. Und er fragt weiter: „Hatte irgendwer einen zweiten Schlüssel zur Wohnung? Kam Mister Hobson mit irgendwem zusammen, der ihm feindlich gesinnt war oder aus irgendeinem Grunde Rache an ihm nehmen konnte?" Steen hebt von neuem die Schultern: „Ich kenne die Geschäftsfreunde des Herrn nicht mit Namen . . . Sie müßten sich dort an Herrn Farnum wenden, Sir!" Das Verhör endet mit absoluter Ratlosigkeit. Es ergibt sich keinerlei Verdacht, keinerlei Spur. Der Arzt untersucht die Schußwunde am Toten, und er stellt fest, daß die Kugel aus größerer Entfernung abgefeuert sein müsse; ein Selbstmord kommt nicht in Betracht. „Wie hat der Mörder gestanden?" fragt der Kommissar. Der Arzt rekonstruiert den Vorgang: Hobson hat vor seinem Schreibtisch auf dem Sessel gesessen und gelesen. Oder auch nicht gelesen, — die Zeitung kann ja bereits am Boden gelegen haben. Vermutlich hat der Täter etwas erhöht gestanden . . . „Etwas erhöht — ?" fragt der Kommissar. „Wie denken Sie sich das?" Der Arzt weiß es nicht. „Sehen Sie," sagt er, „der Schußkanal geht von oben nach hinten, er geht schräg durch die untere Partie des Gehirns. Selbst wenn Hobson den Kopf nach vorne gesenkt hielt, muß der Mörder etwas erhöht gestanden haben." „Vielleicht auf dem Schrank dort?" spottet der Kommissar. Der Arzt bleibt ernst: „Wenn Sie etwas anderes befinden, so bitte — !" sagte er gekränkt. Helen Franklin, die einzige Dame in dieser hochnotpeinlichen Versammlung, kommt auf Fußspitzen in den Vordergrund. Der Blick des Kommissars fällt auf sie, und er fragt: „Wer ist die Lady — ?" Daniel Farnum springt ein: „Meine Sekretärin", beeilt er sich zu sagen. „Ich brachte sie mit, da sie für den Verstorbenen gearbeitet hat und sie den Wunsch aussprach, ihn noch einmal zu sehen." „So, so — " räuspert sich der Beamte. Und während der Protokollführer sich daran macht, das ihm Diktierte noch einmal zu verlesen, betrachtet Helen die kleine Schußwunde über Hobsons rechtem Auge und sucht dann den Schrank, auf dem der Mörder gesessen haben soll. Die Idee ist zu absurd, als daß sie sie verfolgen möchte. Was soll ein