Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Nun hat freilich der Kritiker immer gut reden. Der Schauspieler wird einwenden: „Ich muß mich als Verbrecher so zurechtmachen, wie ihn das Publikum sich denkt, sonst fehlt dem Zuschauer etwas. Für euch paar Leute vom Fach, die ihr es besser wißt, spiele ich doch nicht. Ihr kommt ja doch nicht ins Kino. Ihr habt ja in eurem Polizeibetrieb Film genug." Der Schauspieler kann auch darauf verweisen, daß auch seine Zeit Geld ist und daß man von ihm, wenn er gelegentlich und in einerNebenrolle einen Verbrecher mimt, nicht verlangen kann, daß er erst wochenlang in Kaschemmen und unter wi liehen Verbrechern Mi Studien betreibt und sich dabei vielleicht noch seine goldene Uhr stehlen läßt, oder sich eine Tracht Prügel holt. Schön: für einen Film, der nicht mehr sein will als ein Kolportageroman in Bildern, mag das gelten. Aus den Filmen aber, die Anspruch darauf erheben, als eine Leistung der Filmindustrie gewertet zu werden, sollten die üblichen Karikaturen von Verbrechern und Verbrecherlokalen verschwinden. Man hält doch auch in historischen Filmen darauf, den Geist und das Leben der alten Zeit selbst bis in die kleinsten Einzelheiten der Kostüme getreu widerzuspiegeln. Wenn der Filmverbrecher die tragende Rolle in einem großen Film zu spielen hat, wird man Lebenswahrheit von seiner Darstellung verlangen können, und man verlangt damit vom Schauspieler weniger, als wenn er Rhamses oder Nebukadnezar historisch echt gestalten soll. Im „Haus in der Dragonerstraße" hat Werner Krauß einen jungen ostjüdischen Taugenichts, einen Tagedieb und Verbrecher verkörpert, der schließlich zum Totschläger wird. Die Kriminalpolizei zählt ständig so viele Insassen der ..jüdischen Schweiz", des hiesigen Ostjudenviertels, zu dem die Dragonerstraße gehört, zu ihren Klienten, daß man die Kraußsche Darstellung mit Sachverständnis unter eine höchst kritische Lupe nehmen konnte. Krauß 8 i „Der Traum der Zalavie' hat jenen Verbrecher geradezu überwältigend lebensecht auf die Beine gestellt. Ohne einen Strich 9 zu viel gab er bis in die kleinste Aeußerlichkeit blutwarme Wirklichkeit, reine, W mitten aus dem Leben geschöpfte Menschennatur. Dutzende solcher Gestalten, wie Krauß eine vor den Kurbelkasten brachte, hausen in den engen, winkligen Gassen unseres Industrieviertels und gleichen seiner Darstellung Zug um Zug. Diese von Krauß geschaffene Figur stellt den ersten und, soweit ich es weiß, einzigen, völlig gelungenen Versuch dar, das Verbrecherleben naturgetreu zu schildern. Im übrigen beschränkt man sich darauf, einigen herkömmlichen Typen ein paar neue Lichter aufzusetzen. Als man des trockenen Tones satt wurde, den sogenannten „typischen" Verbrecher in Ballonmütze und Knüpftuch und mit dem berühmten scheuen oder stechenden Blick zu bringen, band man sich den Gentleman-Verbrecher vor. Da sah man denn junge, elegante Herren ein merkwürdiges Doppelleben führen. Tags in Frack und Smoking in fürstlich eingerichteten Wohnpalästen und nachts mit schwarzer Augenklappe, falschen Barten und in Lumpen, in tiefgründigen Verbrecherkellern. Auch da ist wieder zwischen Film und Wirklichkeit ein arger Riß. Es gibt natürlich Gentleman-Verbrecher. Das Berufsverbrechertum ist ein bunter Haufe, und es sind genug abgerutschte Elemente auch aus den besten Kreisen darunter. Aber die Lebensgewohnheiten dieser Gentlemanverbrecher sind grundverschieden von denen der Verbrecher niederen Schlages, und sie hüten sich sehr, in deren muffige Keller