Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

lokale hinabzusteigen, die der Polizei alle bekannt sind und denen zu jeder Stunde Aushebung droht. Das Verbrechertum ist eben nicht ein großer Geheimbund, bildet keine vielköpfige, aber zusammengehörige Familie, sondern zerfällt in zahlreiche kleine — in der Regel drei bis sechsköpfige — Banden, von denen jede ihr Eigenleben führt. Der Verbrecher sieht sein Handwerk äußerst sachlich und nüchtern an, und deshalb haben sie für all die phantastischen Streiche, die man sie im Film ausführen sieht, in der Wirklichkeit gar nichts übrig. Die klettern nicht nachts in die Schlafzimmer der Detektive, um irgendein Beweisstück zu stehlen, sondern gehen ihnen weit aus dem Wege. Sie kleben sich auch keine falschen Barte an und reißen sie nachher auf der Straße im ungeeignetesten Augenblick wieder herunter. Sie tragen durchaus nicht so häufig wie im Film Perücken und Verkleidungen, denn in der Großstadt kennt ja ohnehin einer kaum den andern, und sie haben ja nicht das Interesse der Filmverbrecher, dem Publikum zu zeigen, was für Verwandlungskünstler sie sind. Sie kleiden sich ihrer Lebenshaltung und ihrer Umgebung entsprechend, und wenn ein aus dein Arbeiterstande hervorgegangener Einbrecher sich einmal Gehrock und Zylinder kauft, so tut er es nicht, um sich unkenntlich zu machen, sondern weil er auch einmal ein feiner Mann sein will. Sie brüten auch nicht in geheimen Laboratorien mysterische elektrische Strahlen aus, um damit fürchterliche Dinge zu begehen, sondern sie bedienen sich ihrer alterprobten, verhältnismäßig einfachen Verbrecherwerkzeuge, und wo sie nicht ausreichen, da lassen sie ihre Finger davon. Sie fahren auch nicht immer Auto wie der Filmverbrecher, weil sie ihre Fahrten aus eigener Tasche bezahlen müssen und daher noch nicht vergessen haben, daß man von einer Straßenecke zur andern auch mit der Elektrischen kommen kann. Und sie erleben auch nicht soviel wie die Kollegen vom Film. So viele Dächerverfolgungen, rasende Auto oder Motorbootfahrten und Flugzeugabenteuer, wie für jeden mittelgroßen Filmverbrecher gewissermaßen zum täglichen Brot gehören, hat die halbe Berliner Verbrecherschaft zusammengenommen noch nicht durchgemacht. Es wird sich sicher auch noch keiner ihrer Mitglieder auf so originelle Art vor Verfolgern zu retten versucht haben, als als es ein Filmverbrecher tat, der auf einen Fabrikschornstein kletterte und . . . oben sitzen blieb. Haben es die wirklichen Verbrecher also im allgemeinen bequemer als ihre Filmkonkurrenz, so sind sie dadurch andererseits wieder schlechter dran, daß ihr Gegenspieler, die Kriminalpolizei, ihnen leichter hinter die Schliche kommt. In den Detektivfilmen ist es dagegen typisch, daß der große Detektiv, selbst wenn der harmloseste Zuschauer längst erfaßt hat, wo die Sache lang geht, die Zusammenhänge immer noch nicht kapiert. Gegen manche Verbrecherfilme muß man aber einen ernsteren Einwand erheben. Mancher Film zeigt seine Verbrecher in gar zu glänzender Umgebung, er läßt sie ein wenig zuviel bei Sekt und schönen Frauen in dulci jubilo leben. Wenn das Verbrecherleben zu verlockend, zu schmackhaft gezeigt wird, dann können leicht in unreifen Köpfen schlummernde Begierden geweckt werden. So kann der Filmverbrecher auch wirkliche Verbrecher schaffen. Gerade weil der Film mächtiger als alles andere auf die Phantasie wirkt, eben deshalb könnte das Schicksal des Verbrechers auf der Leinwand aber auch ein ideales Mittel sein, wirkliche Verbrechen zu verhüten. Der Film wirkt mehr als eine Predigt und kann doch interessant sein, der uns zeigt, wie dumm der 87