We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Augen sah. Ich glaube, ich bin auch niemals in den Fehler verfallen, mich mit meinen Gestalten zu identifizieren oder gar eine Pose anzunehmen. Ich merkte, daß die Arbeit beim Film bedeutend schwerer als beim Theater ist, schon deshalb, weil der große anreizende Faktor des Theaters fehlt: das Fluidum des Publikums. Wenn ich's trotzdem geschafft habe, — woran das wahrscheinlich lag?
Nun, wer mich im Film gesehen hat, wird zugeben, daß ich weder jenen Typus des „schönen" Frauenlieblings repräsentiere, noch eigentlich ein Tausendsassa von Sportsmann bin. Ja, es gibt, wie ich bestimmt weiß, Leute genug, die mich geradezu häßlich finden. Und trotzdem . . . Nun, dieses auch mir sonderbare Geheimnis kann ich selber nicht enträtseln. Ich kann nur einfach psychologisch beschreiben, was sich in mir vollzieht, wenn ich filme und wenn ich mich für einen Film vorbereite. Mag sein, daß der Leser in dem einen oder anderen Detail dieser Selbstzergliederung das Wesentliche erblicken wird. Ich selbst, wie gesagt, bin mir nicht im Klaren darüber. — Wenn ich eine neue Rolle bekomme, so nehme ich zunächst das Manuskript an mich und — ich finde keinen drastischeren Ausdruck dafür — infiziere mein ganzes Wesen damit. Tage-, ja wochenlang vor den Aufnahmen lebe ich dann völlig zurückgezogen, ganz, ich möchte beinahe sögen, omphaloskopisch auf mich selbst, beziehungsweise jenen seelischen Infektionsprozeß eingestellt. Und sehr bald fühle ich mit geradezu erschreckender Intensität, wie die Person, die ich darzustellen habe, in mir wächst, wie ich mich in sie verwandle. Es dauert nicht lange und ich kann beobachten, daß ich — noch vor den Aufnahmen — auch im zivilen Leben, ganz anders mich bewege, anders spreche, anders blicke, überhaupt anders mich verhalte als sonst, daß der Conrad Veidt in mir allmählich ganz jener andere geworden ist, den ich „darzustellen" habe, in den sich aber vielmehr mein Ich autosuggestiv verwandelt hat, Besessenheit wäre der richtige Ausdruck für meinen Zustand. Ist dann der erste Aufnahmetag da, dann mache ich es gewöhnlich so: ich gehe allein für mich durch die fertig gebaute Dekoration, sehe sie mir zunächst ganz bewußt an, lasse sie auf mich wirken und spaziere darin so lange herum, bis ich diese Räumlichkeiten vollständig beherrsche, auch mit geschlossenen Augen, — gleich als wäre es etwa das Schlafzimmer meiner eigenen Wohnung. Wenn dann die Lampen zur Aufnahme eingeschaltet werden, dann bin ich blind und taub für die sogenannte Wirklichkeit. Ich sehe und höre nur mehr nur jenes Traumland, jenes Phantasiemilieu, das die andere Wirklichkeit sein soll. Das geht oft soweit, daß ich zuweilen auch noch geraume Zeit, nachdem die Lampen verlöscht sind und der Regisseur mir bereits den Rücken gekehrt hat, weiter „spiele",
14
bis mich schließlich irgendwer, ein Kollege etwa, mit der besorgten Frage, ob ich nicht vielleicht doch verrückt geworden bin, in die Wirklichkeit zurückruft.
Ganz analog ist die Art, wie ich Maske mache. Ich „mache" rämlich gar keine. Ich sitze vielmehr vor der ersten Aufnahme eine halbe Stunde, eine Stunde vor dem Spiegel und starre mir, innerlich völlig schon von meiner „Rolle" infiziert, in die Augen. Ich starre mir völlig passiv, ein oberflächlicher Beobachter würde vielleicht sagen idiotisch, in die Augen. Und schließlich stellt sich heraus, daß meine Hände so gut wie unbewußt durch ganz unüberlegte, ungewollte Schminkstriche, durch ein paar Griffe in die Haare, jene „Maske" erzeugt haben, die sich dann als der einzige, für mich adäquate physiognomische Ausdruck der darzustellenden Persönlichkeit erweist. Bei geschichtlichen Rollen kümmere ich mich nie um etwaige historische Porträts. Ich schaue sie mir gar nicht an. Bei einigem Nachdenken wird man verstehen, daß dies nur entsprechend ist bei jener von innen heraus arbeitenden, ich hätte beinahe gesagt, visionären Art des Gestaltens.
So ungefähr sieht die „Methode" aus, nach der ich arbeite. Vielleicht wird mancher in diesen Ausführungen eine Art Frozzelei erblicken wollen, wie sie etwa darin liegt, wenn „Zauberkünstler" am Schlüsse ihrer Produktionen dem Publikum Zug um Zug das enthüllen, was sie machen: „Voilä, das ist alles ganz einfach, meine Herrschaften! Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Also sehen Sie: Erst so, dann so und dann so." ... — Nichts, ich beteuere es, nichts liegt mir ferner. Ich wollte bloß damit den Versuch einer psychologischen Beschreibung jener merkwürdigen Vorgänge zu Papier bringen, die sich in mir während der Arbeit vollziehen, soweit sie mir retrospektiv zum Bewußtsein kommen. Und in ungeheuchelter Demut und Bescheidenheit bekenne ich, diese rätselhaften Zustände zu erleben, ohne sie begreifen zu können. —
Und das Theater?
Es ist eigentlich über all diese Erwägungen und Betätigungen nie zu kurz gekommen, nur in einem kann ich nicht mittun: — ich kann das Theater nicht beklagen; ich kann nicht bedauern, daß es „durch den Film" erdrosselt würde. Ein so altes Kunstinstitut wie die Sprechbühne kann, wenn es wirklich gut und stark ist, nicht durch eine technisch beeinflußte Sache, wie der Film eine ist, verdrängt werden, wenn nicht begründete Ursache dazu vorliegt. Ich komme hier wieder zum „Zwangsläufigen" zurück. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das Theater dem Film innerlich den Weg geebnet hat; wäre das Theater heute ein anderes, wäre der Film auch ein anderes geworden. Aber: da das Theater so werden konnte, wird wohl nicht einmal ihm die Schuld beizumessen sein, sondern der Entwicklung