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DIE AUFNÄHME DER AUFNAHME
Vor kurzem ist ein Filmwerk hergestellt worden mit dem Titel „Der Film im Film-'. Das scheint anzudeuten wie weit die Entwicklung des Films vorgeschritten ist. Es gibt ein gewisses Stadium im Leben des menschlichen Geistes, in dem er die Formen und Gesetze, die •er selbst konstruiert hat, als etwas ihm Fremdes empfindet, indem er auf sich selbst reflektiert, sich sozusagen als Gleichnis betrachtet. Das kommt so ungefähr, wenn es überhaupt eintritt, um das 70. Lebensjahr. Shakespeare brachte das Theater im Theater. Diese Tatsache bezeichnet den Punkt, den Shakespeare in der Geschichte des Dramas einnimmt. Heute tut etwas ähnliches Georg Kaiser in „Kolportage", was ebenfalls bezeichnend genug ist, wenn auch in anderem Sinne. Da beim Film alles schnell gehen muß, so verwundert man sich nicht, wenn er das, was woanders erst nach 70 Jahren erreicht wird, schon mit 25 Jahren schafft.
Merkwürdig ist nur, daß der Blick hinter die Kulissen keineswegs eine dauernde Desillusion erzeugt wie man annehmen könnte. Im ersten Augenblick ist zwar der Eindruck furchtbar: Wir sehen Menschen, deren Augen eben noch voll freudiger Leidenschaft glühten, die den und den Helden verkörperten, sehnende Liebhaber spielten oder große Schurken, die in irgendeinem Lande oder irgendeinem Orte mit einem Namen (und mit was für einen Namen!) sich befanden, die in irgendeiner imaginären Zeit lebten und plötzlich gehen die Lich
ter aus ein Schrei hallt durch den Saal: „Holen Sie sofort Herrn Schulz her. er soll die Holzlatten festnageln.'*
Die Kostüme haben mit einem Mal kein Leben mehr, die Schminke klebt als richtige Schminke an den fahlen Gesichtern. Das Leben ist tot, die Seele ist tot. Es ist keine Zeit mehr da, und kein Ort, und aus den herumfliegenden Gesprächsfetzen starrt die ganze Tragik der zerstörten Tragödie. „Nein, diese Fülle auf der
Straßenbahn!" Meinst du, Gustav, daß
wir Ueberstunden bekommen?" Also, was
diese Frau mir zusetzt!" . . . ,,So, Sie werden heute abend im Auto abgeholt?" Unerhörte Beleidigung!" . . . „Ausgeschlossen!" . . . „Eine Tasse Kaffee für den ersten Liebhaber!"
Wie gesagt, es ist ein Wunder, daß die Illusion nicht dauernd zerstört wird. Und doch wird sie es nicht. Dieser Herr Müller, Herr Lehmann, diese Frau Soundso und Soundso werden sich im gegebenen Augenblick ihrer selbst entledigen, sie werden untergehen, um von dem Geist des Dichters, des Regisseurs zu neuem Leben zu erstehen. Auf eine Stunde fügen sie ihr Einzeldasein zusammen, um das Schicksal daraus entstehen zu lassen, das von dem Dichter gewollt ist. Ueberwältigender als die Rückkehr vom Schauspiel ins Leben ist der Aufstieg vom Leben ins Schauspiel. Man kann viel hinter den Kulissen sehen, man kann sich viel Illusionen beeinträchtigen lassen, aber man wird niemals aufhören, dieses Wunder zu bestaunen.
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Oie Aufnahme einer Aufnahme zu dein großen Metro-Film „Scaramouche". Links der juns,'e Mann mit dem Stock in den mden: der Hauptdarsteller RAMON NOVARRÜ, rechts vorn mit dem aufgestützten Bein: Regisseur REX INGRAM.
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