Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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borenen Forderung an das Individuum so ungeheuerlich für uns, daß es uns fast wie ein höheres Walten anmutet; als ein Walten, das dem natürlichen Ende des preußischen Königs fast ein gleich tragisches Ereignis an die Seite stellen zu wollen scheint. Alles in allem sind wir gegen die früheren Jahrhunderte gefühlvoller geworden; die „gute alte Zeit", die eigentlich, je weiter sie zurückliegt, um so besser gewesen sein müßte, hat trotz der gewissenhafteren und strengeren Ujnzirkelung des Begriffes "der Tragödie, trotz des moralisierenden Einflusses dieser läuternden Kunstform, auch der letzten Stunde des Menschen eine wesentlich leichtere Auffassung bewiesen, als sie uns heute mit dem guten Ton und mit wirklicher Herzensbildung vereinbar erscheint. Wir sind heute so feinnervig, so empfindlich geworden, daß wir uns gegen jeden frivolen Spötter auflehnen würden, der die „letzte Stunde" zum Gegenstand respektloser Bemerkungen machen würde. Das Gruseln ist offenbar stärker geworden, als es früher war. Es erscheint uns beinahe undenkbar, daß in unsern Tagen, da die Nachricht von Mord und Selbstmord etwas Banales geworden ist, die Tragik hinwegdisputiert werden sollte. Womit ungefähr die Meinung bestätigt ist, daß die Völker, die zarter werden, auch — feiger und lebensanhänglicher werden. Eine alte Geschichte an und für sich. Halten wir nämlich unsern hochgespannten tragischen Tiraden, unsern durchgefeilten dramatischen Sterbeszenen die kühle Trockenheit längstentschwundener Literatur und Kunstepochen entgegen, so begegnen wir, ehe wir uns dessen versehen, den lustigsten und derbsten und eben deshalb wohl auch den gesündesten Scherzen in Romanzen, Spott und Schauerballaden. Gilt uns heute die Tragik noch immer als ein läuterndes Kunstmoment, so ist es unzweifelhaft vor Jahrhunderten anders damit bestellt gewesen. Leopold Friedrich Günther von GöckingkU der so um 1800 herum dichtete und sang, war noch einer der mildesten, wenn er in seiner ziemlich gemäßigten Ballade vom „getreuen Hund" kaltlächelnd nur diesen einen Schluß hinsetzt: Macair erzittert und erbleichte; er bat; — umsonst! Da kamen schon zwei Priester, führten ihn zur Beichte und Absolution, — worauf, als er sich sträuben wollte, der Henker fest ihn band, und — nur ein Schwertschlag — schnappend rollte sein Kopf schon in den Sand. Maria Jacobini in „Boheme" Phot.: National Dieser schnappende Kopf ist also der balladeske Rührton, mit dem alles das an Bedauern ausgedrückt ist, was man um diese Zeit volkstümlich-literarisch über Macairs Tod zu sagen wußte. Volkstümlich-literarisch: — das sei betont, denn schließlich ist ja auch der Film nur eine volkstümliche Form der Literatur. Uebrigens ist Ludwig Heinrich H ö 1 1 y , der etliche Jahrzehnte früher lebte, diesem Dichter bereits überlegen. In seiner „Elegie auf ein Landmädchen" gibt ihm die Leier die folgenden gefühlvollen Rhythmen ein: Wilhelm! Wilhelm! Sterbeglocken hallen, Und die Grabgesänge heben an. Schwarzbeflorte Trauerleute wallen, Und die Totenkrone geht voran. Wilhelm wankt mit seinem Liederbuche Nassen Auges an das offne Grab, Trocknet mit dem weißen Leichentuche Sich die hellen Tränen ab. Noch etwas früher ist dann von Christian Friedrich Schubart aus Oberfontheim in Württemberg die schaurige Geschichte vom „Fluch des Vatermörders" gedichtet worden. Es schildert in aller gedrängten Kürze die Erlebnisse der Brautführerin Kunigunde, die in 35