Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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1 f w ' .■.■;7,:<^.tB) * ' r tSm^H*-* *l* i ■ ^ 4i 1 m \Ym i Ei l ** |jJS^ j 5^68^ säg?.' i Der Galgen als Sinnbild der grausamen Gerechtigkeit: Steinrück in der Hauptrolle Phot.: Westi Blaubart kriegt den Tod zum Lohn, Wird gekocht in heißer Lauge; Trulle kömmt mit blauem Auge Dieses Mal noch so davon. Die Zahl der Dichter, die sich in populärem Sinne mit der Tragik der letzten Stunde befaßten, die also, weil sie sich an die breite Masse der damaligen Gegenwart wandten, den Maßstab für den Wechsel im heutigen „öffentlichen Geschmack" liefern, — die Zahl dieser Dichter könnte um ein Beträchtliches erweitert werden, um ein sehr Beträchtliches sogar. Die blutrünstigen, dabei aber qualitativ nicht einmal auf dem Niveau des Bänkelgesanges stehenden Romanzen von Johann Friedrich Löwen gehören zu den kostbarsten in dieser Hinsicht; der Ueberfall auf ein Nonnenkloster, in dessen Verlauf die Aebtissin sich genötigt sieht, sich selbst zu erstechen, ist durchaus aus dem transzendentalen Geist jener Tage geboren: Doch seht die keusche Domina Ein Küchenmesser fassen. Sie sprach: „So starb Lucrezia, So will auch ich erblassen!" Die Schwestern brachten sie zur Ruh Und sangen Klagelieder, Und sangen: „Domina, wie du ersticht sich keine wieder!" Immer und immer kehrt das tragische Motiv hervor, immer und immer ist es aber auch eine gewisse unlyrische, kraftvolle, robuste Hinweg setzung über den Schmerz, dessen Betonung wir in der nachwertherschen Zeit als unerläßlich halten. Absichtlich sage ich „nachwerthersche" Zeit, da die Vergangenheit der antiken Chöre uns wenig vergleichende Anhaltspunkte liefert. Für diejenigen unter uns, die sich mit der vorschreitenden Verzärtelung der Völker und ihren Folgen zu beschäftigen belieben, mag die starke Anspannung, die unser Kunstleben durch die Verweichlichung gewisser moralisch-ästhetischer Axiome erfahren hat, zu beunruhigenden Ausblicken führen, — aber schließlich ist kein Ausblick so schmerzhaft, daß nicht ein billiger Trost, ein allzu billiger Gemeinplatz darüber hinweghülfe. Und mit ihm wollen auch wir uns zufrieden geben. Zwar werden die Dramatiker, die stets in den höchsten Höhen und tiefsten Tiefen menschlicher Gefühle zu schweben pflegen, mit dieser Genügsamkeit nicht einverstanden sein; aber was hilft es schließlich: mit dem Rüstzeug gelahrter Philologie oder frumber Theologie kommen wir ebensowenig der tatsächlichen Literatur wie dem tatsächlichen Leben näher. Wenn wir uns von der glücklichen Herzlosigkeit vergangener Perioden entfernt haben, so vermag natürlich auch der Film in der Darstellung der „letzten Stunde" sich dieser Gefühlsunterlage nicht zu entziehen. Wir haben in dieser „Kunst für die Masse" die beste Versinnbildlichung des geistigen Gehaltes unserer Tage, nämlich jenes Gehaltes, der sich aus Nüchternheit und dekadenter Zartheit zusammensetzt. 37