Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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kann. Farnum hat einen Diener, aber wo steckt der? Sollte der auch — auf Urlaub geschickt worden sein? Ach, dieses große, unübersehbare London hat so viele Existenzen, deren Wege dunkel sind, daß hier manche Schurkerei begangen werden kann, ohne daß ein Hahn darnach krähte! Wer weiß, was mit dem Diener geschehen ist! „Ich werde zum Herrn hintergehen!" bestimmt Helen, als sie mit ihren Reflexionen so weit gekommen ist. „Aber — " will die korpulente Köchin beginnen. Doch Helen ist bereits durch die Tür verschwunden, die der seltsame Besucher vorhin schloß. Sie geht eilig über dicke Teppiche, die von stattlichem Wohlstand erzählen, — sie kreuzt ein Herrenzimmer, kommt dann in das Arbeitszimmer und sieht jenseits des nächsten Türrahmens ein grünes Halbdunkel. Das muß das Schlafzimmer sein. Sie mäßigt ihren Schritt, lugt durch einen Spalt im Vorhang — und sieht Daniel Farnum auf einem Liegesofa, wie er die Augen geschlossen hält und die Arme zu beiden Seiten herunterhängen läßt. Im Zustande tiefster Lethargie liegt er da, und etliche Speisen, die neben der Ottomane auf einem Taburett stehen, sind kaum angerührt. „Mister Farnum!" sagt sie leise. Der Mann auf dem Liegesofa rührt sich nicht. Helen tritt näher, streicht dem Ohnmächtigen über Stirn und Augen, berührt seine Lippen — . Ach, denkt sie, was muß ich mit diesem komischen Kauz durchmachen! Und warum das? Nur, weil ich kein Geld habe. Aber vielleicht gelingt es mir, ihm jetzt eine Mitgift zu erobern. Ihm — eine Mitgift — für mich! Die Sache mit der Konsumbäckerei ist derart, daß entweder nichts — oder eine exorbitante Summe dabei herausspringen muß. Eine ganze Weile steht sie vor dem Besinnungslosen, ehe sie sich aus der stummen Betrachtung, die sowohl neugierige Gefühllosigkeit als auch Verliebtheit sein kann, löst. Hier liegt nichts weiter als eine geradezu verbrecherische Hypnose vor! Das hat sie am eigenen Leibe verspürt! Welch ein Glück ist es doch, daß der Bursche mit den stahlharten Augen ihr nicht weiter schadete. Hätte er ihre Handtasche durchsehen können, ehe er die Droschke verließ, — hätte er sich nicht vom Kutscher allzu beobachtet gefühlt, so würde das hypnotische Experiment mit ihr wahrscheinlich etwas bösartiger ausgefallen sein . . . Also — ein Arzt ist nötig! denkt Helen. Und nun kehrt die Schnelligkeit ihrer Entschließungen zurück. Sie weiß, daß Dr. Clinch um diese Zeit daheim ist. Tatsächlich meldet sich der Arzt sofort. „Kommen Sie gleich nach 60 hier!' bestimmt Helen. ,,Ich bin der Lösung des Rätsels auf der Spur . . . Was es ist? Ja, waren Sie denn nicht bei ihm? Er war nicht zu Hause? Kommen Sie nur, kommen Sie! Er liegt in tiefster Hypnose! Bringen Sie einen Experten für solche Geschichten mit!" Und dann überlegt Helen, — Daniel soll nicht zu Hause gewesen sein? Sie läßt den Kranken krank sein und stürmt zu Bathseba hinaus. „Sagen Sie, Jungfrau, war Dr. Clinch nicht gestern hier?" Bathseba legt den Quirl aus der Hand: „Ja . . . aber Mister Fripard verbot jeden Besuch . . ." „Fripard?" „Ja, der Herr, der vorhin ging, Fräulein . . ." Helen geht zu Daniel zurück und setzt sich ihm gegenüber. Ihr Gesicht ist im Dunkeln, und aus dem Dunkel heraus starrt sie unverwandt den Schlafenden an. Sie überlegt nicht mehr, sondern spinnt ihre Gedanken konzentrisch zu Wünschen zusammen. Auf die Stirn Daniels schickt sie ihren Blick und wünscht mit ungeheurer Energie, sie befiehlt mit unerhörter Kraftanstrengung ihres unabgelenkten Willens: „Erwache!" Sie versinkt ganz in diesen Befehl, sie beißt die Zähne zusammen und preßt ihre ganze Spannkraft hinein in das eine Wort: „Erwache!" Sie verliert die Fähigkeit des Gehörs in diesen Sekunden, sie wird gefühllos für alle Wahrnehmungen und peitscht ihren Willen hinüber auf den Bewußtlosen: „Erwache!" Da lösen sich die Glieder Daniels, aus der Starre wird eine langsam wachsende Unruhe, aus der Unruhe steigen ungewollte, dann gewollte Bewegungen hervor. Die schlaffen Arme suchen Halt auf dem Liegesofa, der Oberkörper wirft sich herum, das Atmen wird vornehmlich, die Brust senkt sich sichtbarlich. und über die hohe, weiße Stirn ziehen Spuren von Muskelzuckungen, die auf das Erwachen des gedanklichen Lebens schließen lassen. Und noch immer sitzt Helen Franklin da, ohne sich über •-ich selbst zu wundem. Erst ganz allmählich lockert sie ihre brennenden Augen, läßt sie weicher und weicher werden, entspannt die Kiefermuskulatur und atmet freier. Da schlägt Daniel Farnum die Augen auf, schaut um sich, versteht seine Lage nicht — und schließt die Lider wieder, um Rekonstruktionen nachzugehen. Helen Franklin mischt sich nicht in seine Gedanken. Sie beginnt jetzt. an ein unerhörtes Wunder zu glauben, sie wird mißtrauisch gegen sich und achtet mehr auf sich selbst als auf den Erwachten. Bis Schritte von draußen hereinkommen und Dr. Clinch eintritt Er hat Eachbew mitgebracht, einen Meister der Hvpnose — und Sachverständigen vor Gericht.