Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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hier ständig. Hunderttausende der hiesigen Japaner haben noch nie in ihrem Leben einen Europäer gesehen, Ganz besonders auf dein Lande, in der Nähe Kyotos, wohin wir kürzlich zu längerem Aufenthalt übersiedelten, sind die Leute sprachlos vor Erstaunen. Hält unser Auto irgendwo oder machen Lo Holl und ich in einem Geschäft Einkäufe, so sammeln sich große Menschenmengen an, wie es vielleicht auch in Berlin wäre, wenn in der Tauenizienstraße plötzlich eine Geisha in ihrer malerischen Kleidung: seidener Kimono, riesig breiter Gürtel mit kunstvoller Schleife auf dem Rücken (Obi genannt), hohen Holzsandalen (Getas) und phantastisch turmhoher Frisur, erscheinen würde. (Jetzt sehe ich doch, was wir für Fehler gemacht haben, als ich vor Jahren einige hundert Male in der „Geisha" in Berlin spielte! So sieht im Leben keine richtige Japanerin aus, wie unsere Bühnen-Geishas. Aber auch dieser Vergleich mit der Geisha in der Tauentzienstraßc sagt noch nicht allesNiemals könnte ein Berliner so ein erstauntes Gesicht machen, wie ein Japaner, wenn er etwas Neues sieht. Was dein zierlichen, schwarzhaarigen, dunkeläugigen Japaner wohl besonders bei uns auffällt, ist Loos Blondheit und meine Größe. Nachdem nun noch die Zeitungen lange Artikel mit unseren Bildern gebracht haben, in denen man in sehr sympathischen Worten über die Deutschen schrieb, die gemeinsam mit einer bekannten japanischen Filmgesellschaft einen Spielfilm machen, ist es tatsächlich wiederholt vorgekommen, daß ein Schutzmann die sich um uns herumdrängende Menschenmenge auseinandertreiben mußte. Jetzt, in der schönsten Jahreszeit — in Japan W'rd erst Mitte Januar Winter — reisen wir 20 CARL W. TETTINQ mit seiner japanischen Kollegin I I RU-KO-M AKINO in Kyoto für die Außenaufnahmen zu den sehenswertesten Punkten. Vor einigen Tagen waren wir auf dem Fuyiyama (hier Fuyisan genannt), der ja zu den weihevollsten Berühmtheiten der Vieh gehört. Diese Reisen im Expreß oder im Auto, gerade jetzt, wo Ahorn und andere Laubwälder in einer Fracht von knallroten, gelben, orangenen oder grünen Farben stehen, kann ich mit Worten nicht beschreiben. Von Japans landschaftlichen Reizen im November kann man nur im Lande selbst sich einen Begriff machen. Nun, da ich diese Zeilen schreibe, ist der erste deutsch-japanische Film zur guten Hälfte fertig. Wie schnell vergeht doch bei den täglich wechselnden Eindrücken die Zeit hier draußen; wie bald wird der Tag der endgültigen Heimreise nach Westen heranrücken! Noch einige Tage des persönlichen Auftretens, in den großen japanischen Kinos bei der jetzt schon mit Spannung erwarteten Uraufführung, und dann gehen wir an Bord desNorddeutschen Lloyd-Dampfers „Derfflinger". Fünfzig Tage wird es etwa'dauern, bis wir einen europäischen Hafen anlaufen, aber auf diesem schwimmenden Sanatorium mit all seinem Luxus wird uns diese Zeit, wenn wir an die angenehme Ausreise mit dieser deutschen Linie denken, sicherlich sehr schnell vergehen. Nach all den langen Land und Seereisen über die größten Ozeane sind wir schließlich müssen wir das offen zugeben doch schon etwas auslandsmüde, und ein Gefühl, dem Heimweh nicht ganz unähnlich, hat uns heute wohl alle beschlichen. Gegen Ende Februar oder Anfang März werde ich wieder deutschen Boden unter den Füßen haben, und bis dahin drücke ich allen Freunden herzlichst die Hand!