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Noch einige andere Schwierigkeiten, die in bezug auf das Optische zu beachten sind und die das Spiel erschweren: die Gegenspieler nicht zu verdecken, in der Nahaufnahme nicht zu schnelle Bewegungen auszuführen und vieles andere mehr.
Diese „technischen" Ueberlegungen müssen auf den noch nicht routinierten Filmschauspieler hemmend wirken, müssen ihn in der Geste noch hilfloser machen als auf der Bühne.
Und was ist Geste im Film? Etwa das fratzenhafte Verzerren des Gesichts, das Rollen der Augen, das Heben und Senken der Brust? Würde der Film mit derlei Requisiten arbeiten, so könnte man ja einfach ein Schema aufstellen, etwa wie:
Erstaunen = Aufreißen der Augenhöhlen,
Nachdenken — Falten zwischen den Augenbrauen,
Erregung = Abwechselnd Heben und Senken der Brust,
Mißtrauen = Zusammenkneifen der
Augenlider usw. usw.
Die gute filmische Geste deutet an, sie übertreibt nicht: ein nervöses feines Spiel der Finger, ein kurz aufleuchtender Blick, ein Aufrichten der Gestalt, eine Bewegung der Lippen, all dies kann unendlich mehr ausdrücken als das oben (scherzhaft) aufgestellte Verzeichnis von Grimassen.
Wie verhalten sich nun zwei Schauspieler auf der Bühne und wie im Film zueinander? Spricht beispielsweise im Theater der Schauspieler A., so muß die ganze Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt werden und der Schauspieler B. hat sich im "Spiel so zurückzuhalten, daß er durch seine Passivität die Wirkung des Gegenspielers erhöht. Anders im Film. Wenn A. spricht, verstehen wir seine Mundbewegungen kaum oder gar nicht — vom Notbehelf des Titels will ich hier absehen — , dafür muß sich aber die Wirkung des Gesagten bei dem Gegenspieler B. bemerkbar machen. B. muß gewissermaßen der Spiegel sein, in dem wir die Worte A.'s, in Visuelles umgesetzt, verstehen können. Dies ist ein grundlegender Unterschied zwischen dem Schauspieler der Bühne und des Films. Und in dem Grade, in dem der Filmschauspieler auf Eindrücke von außen — natürlich kann auch statt des Gegenspielers irgendein Ereignis (selbst Lebloses) auf ihn wirken — in fein getönten Abstufungen reagiert, ist er eben mehr oder weniger zum Film Schauspieler geeignet.
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I laben wir bisher von den besonderen Schwierigkeiten des Spiels im Film gesprochen, so vermehren sich diese noch, wenn man an die technische Eigenart der Aufnahme denkt. Auf der Bühne mag beispielsweise ein Zugstück 50 mal hintereinander jeden Abend gespielt werden. Da ist es verständlich, daß dem Schauspieler ein bestimmter Ausdruck oder gar eine bestimmte Szene einmal nicht so gut gelingt, wie an einem anderen Tag. Im Film dagegen gibt es nur eine einzige Aufnahme, die dann, wenn sie erst einmal fixiert ist, viele, viele Wochen und Monate immer wieder gezeigt wird.
Aber die Hauptschwierigkeit kommt erst. Der Filmschauspieler kann nicht wie auf der Bühne seine Szenen in ihrer zeitlichen Folge hintereinander herunterspielen, sondern er ist an die Dekorationen gebunden. Das heißt: im Atelier wird eine Dekoration, beispielsweise ein Herrenzimmer, gebaut und der Schauspieler muß nun sämtliche Sachen, die er nach dem Manuskript in diesem Zimmer darzustellen hat, hintereinander — sagen wir Bild 14, Bild 63, Bild 85 und Bild 134 — zwecks praktischer Ausnutzung der kostbaren Zeit im Atelier spielen, bis die Dekoration erledigt ist. Er muß sich also gewissermaßen sprungweise, nachdem er soeben Bild 14 gespielt hat, in die Stimmung von Bild 63 hineinversetzen und mit absoluter Sicherheit die richtige Stufe der Empfindungsskala, die er sich für die Rolle zurechtgelegt hat, treffen. Mag nun etwa nach 14 Tagen die Dekoration von Bild 86 gedreht werden, die also nach Manuskript unmittelbar der (s. oben) gedrehten Szene 85 folgt, so muß der Schauspieler genau gemäß der Entwicklung seines Spiels nach 14 Tagen die richtige Abstufung in seiner Darstellung finden, die sich folgerichtig an die schon gedrehte Szene 85 anschließt. Dieses genaue Treffen der einzelnen Phasen seiner Rolle, die später wie die Steine eines Mosaiks ein lückenloses Gesamtbild eines Charakters ergeben sollen, ist eins der schwersten Probleme für den Filmschauspieler, wenn er auch hierbei aufs kräftigste vom Regisseur unterstützt wird oder unterstützt werden sollte. Dagegen verblassen alle anderen Schwierigkeiten, wie u. a. die besonders komplizierte Schminktechnik, die beim Film wegen der verwickelten Lichtverhältnisse ganz anderen Gesetzen unterliegt wie beim Theater.