Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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ten setzen Geschichte voraus; — wo keine Schatten, ist auch keine Vergangenheit. Alte Völker haben sie; — neue Völker, die sich jung fühlen, die töricht stolz sind in dem Bewußtsein, keine Tradition, keine Geschichte zu haben, sehen die Welt anders, kindlicher, unvergänglich er. Schatten, - Schatten! Die deutsche Geschichte ist voll von ihnen, und auch die deutschen Geschichten leben von ihnen. Wir alle leben von Erinnerungen, von Nachklängen, die wir nur dumpf und unklar als Erinnerungen empfinden. Die weite, ewige, endlose Fläche um uns, die Fläche aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist von Schatten erfüllt . . . Und alles, was wir tun, lebt gleichfalls durch sie. Alles, was wir tun, weckt das Echo dertrde, ist der Widerhall einstiger Zeiten. Kann es anders sein, als daß die deutsche Poesie sich von diesem Widerhall nährt? Und kann, wenn schon die Poesie gut die Hälfte ihrer Eigenart aus dem Boden saugt, kann dann der deutsche Film, der auch nur ein Kind deutscher Gedanken ist, etwas anderes sein, als ein Erzeugnis der jahrhundertealten deutschen Seele ? Die Elemente, die uns formten, die Elemente, die unsern Boden bildeten und seine wirtschaftliche und politische Geschichte schrieben, klingen und singen noch heute im deutschen Gemüt . . . Es ist de/ Wind, der alte Heimalslaut, Nach aem das Kind mit großen Augen schaut, Bei dem es einschläft, wenn er weitersummt. Der es erweckt, wenn jäldinqs er verstummt; Bei (leisen Schauern Bit um und Strauch erhebt Und tiefer in den Grund die Wurzeln grübt — Was bist du anders denn als Baum und Strauch? Du keimst, du blühst — und du verwelkest auch. Theodor Storni, dem wirdiesenstillen, deutschen Vers verdanken, hatjawie seltenjemand die schattenurnwobene Phantasie des deutschen Flachlandes besessen, — er, der Heidedichter, der Schöpfer des „Pole Poppenspäler", des „Herrn Etatsrats", des „Bot je r Basch" und des „Schimmelreiters", hat auch die „Chronik von Grieshuus" geschrieben, in der die Weite und Schwere unermeßlichen Leides, die Düsterkeit menschlicher Leidenschaften und die Wildheit des Zorns mit allen starken und finstern Gewalten der HeideNatur zusammenklingt und Sorgen und Freuden vergangener Zeitenaus demSchattengrab der alten Burg Grieshuus neuerstehen läßt. Engverschwistern sich die rasenden Schemen dort oben mit den Schemen, die aus den Ruinen der Burg wieder au] 'wachsen, und niedersächsischer Bauernwille kämpft wie vor Jahrhunderten um Hab und Bei Uz, um Ehre und Weib und Kind . . . Es gibt auf dieser Erde, die in ihren edelsten Gebieten unter der ermüdenden Last unsterblicher Traditionen keucht, nichts Heiligeres, als die Anerkenntnis der Schmerzen anderer, die Anerkenntnis der Schmerzen von einst sogar. Das Schicksal furcht seine tiefsten und klarsten Spuren dort, wowirsiebis zu Ende überblicken können — und wo die Gerech' tigkeit bereits den letzten Schlußpunkt gesetzt hat. Nur in der Fabel ? Nur im .\ Uirchcn — ? Ach, es ist ja so gleichgültig, das Märchen vonderWirklichkeit zu trennen. Der TheodorStorm-Film „AusderChronikvon Grieshuus", dieser deutsche und schöne, langnachhallende und würdevolle film Art hur von Gerlachs, ist der bodenständigste Film, der seit langem, langem gemacht wurde. Und er ist aus der Form du hterischer Erschauungzur offensichtlichen, wahrhaftigen Tatsache geworden : die Heide hat ihre Schatten beschworen und sie ins wirkliche, greijbare Leben gerufen . . . Es gibt keinen Film, der inbrünstiger wäre, als dieser „Grieshuus" -Film; selbst der Aschenputtel-Film war internationaler Besitz! Und die Spannung? Vielleicht sagt ein Neunmalweiser: Theodor Stormkenne keine Spannung. — Ach, wasweiß denn die vorlaute Superklugheit von der Spannung, uic im einfachen bürgerlichen Schicksal liegt ? Was weiji sie denn von der Kraft jener Tragik, die das Leben formt unddie so schlicht ist, daß sie dem Schreibt ischgeklügel ewig unverständlich bleibt ? Storni kannte die Schatten des Schicksals, — und der Film Arthur von Gerlachs kennt sie auch . . . Und deshalb und weil dieser Film so ganz, ganz wunderbar deutsch ist vom ersten Bild bis zum letzten muj] man ihn lieben . . . und muß seinen Urhebern herzlichen Dank wissen . . . Paul Ick es.