Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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platz der Handlungen bis ins einzelne. Anders beim Film. Hier hat man keine Ahnung, wie der Architekt das Zimmer gebaut hat, ganz zu schweigen von Aufnahmen im Freien, bei denen die Stellungen der Schauspieler erst dann festgelegt werden können, wenn man zur Aufnahme an Ort und Stelle ist. Weh dem, der hier mit vorgefaßter Meinung auf dem Plan erscheint. In dieser Beziehung habe ich einmal die traurigste Erfahrung meines Filmlebens gemacht. Vor einigen Jahren — schnellebig wie der Film ist, wird niemand mehr erraten, um welches Kunstwerk es sich handelt, zumal längst Gras über seine Pleite gewachsen ist — spielte ich einen Film bei einer neugeborenen Firma, die eigens zu dem Zweck gegründet war, einer etwas angejahrten Dame aus den besseren Bürgerkreisen Gelegenheit zu geben, sich auf der weißen Leinwand auszutoben. Der in weitesten Kreisen unbekannte Regisseur hielt sich für einen Filmreinhardt, die Diva sagte schlicht und bescheiden bei den Vorbesprechungen: ,,Was die Nielsen kann, das kann ich auch!" Da es aber zu ihrem größten Erstaunen sich herausstellte, daß sie nicht einmal imstande war, natürlich und ohne über ihre großen Zehen zu stolpern, sich vor dem Kurbelkasten zu bewegen, unterwarf sie sich schließlich einer freiwilligen Dressur durch den Regisseur. Sie trieb Rollenstudium. Von 2 bis 6 Uhr fand im Atelier ein furchtbarer Ringkampf zwischen den beiden statt. Am nächsten Tage erschien sie dann sehr geschwollen und spielte völlig automatisch ihre vorgeschriebene Rolle. Uns alle packte das Gruseln. Die Katastrophe kam dann auch: die Diva hatte sich derart auf Stellungen und Bewegungen festgelegt, daß sie wie ein galvanisierter Frosch vollkommen ratlos war, wenn die Situation eine Aenderung erforderte. Als eines Tages die Hauptszene des Films gedreht werden sollte, es war eine Außenaufnahme, stellte es sich heraus, daß die Sonne verkehrt stand, so daß die Stellungen der Mitspieler geändert werden mußten. Der edle Gatte kam von rechts, der intrigante Liebhaber stürzte von links herbei. Da die Diva es andersherum gelernt hatte, war es ihr nicht auszutreiben, das Ekel von Liebhaber freundlich anzugrinsen und den edlen Gatten mit einer scheußlichen Grimasse davon zu scheuchen. Wir wurden alle langsam wahnsinnig, die Schminke floß, Haare und Kleider klebten. Als es dann endlich klappte, war die Sonne weg, und Madame kriegte einen Weinkrampf. Langsam träufelte der Regen auf die erhitzten Gemüter. Der Operateur, einer der wenigen, die den Film überlebt haben, und der sich auch damals seinen Humor bewahrt hatte, sprach schlicht und einfach, während er das Stativ zusammenklappte: „Licht aus, Messer raus!" Das war ein Rollenstudium, wie es nicht sein soll! ERNST HOFMANN in „Das blonde Verhängnis" Phot.: Vera-Film 37