Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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schon etliche Jahre vor der ersten Szene des Nibelungenfilms geboren worden. Ich wohnte damals mit meinem Intimus Klein-Rogge in einer gemeinsamen Junggesellenwohnung in Friedenau. Junggesellen brauchen Anschluß — und wir beide fanden ihn in einem netten, aber nichtsdestoweniger etwas lebhaften Lokal in derselben westlichen Vorortgegend. Dort wurden wir von einer charmanten Wirtin aufgenommen, und Klein-Rogge ließ es sich eines Tages angelegen sein, auf eben diese Wirtin ein Trinkund Weinlied zu dichten. Die ersten Zeilen dieser Verse sind mir noch heute in der Erinnerung: Dein Haar ist schlecht gefärbt. Die Seele ganz verderbt. So fing das Weinlied an; und ich mußte dazu die Melodie erfinden. Diese selbe Melodie wurde später das Spottlied der Hunnen. Und warum? Ich hatte schon die Musik für den zweiten Teil der „Nibelungen" ziemlich fix und fertig auf dem Papier stehen, als Regisseur Lang noch einige Szenen nachdrehte und mit dem künstlerischen Eigensinn, der allen Regisseuren eigen ist, darauf bestand, daß auch diese Szenen noch in letzter Stunde dem Film einverleibt wurden. Woher sollte ich aber so schnell das Lied nehmen, — und ausgerechnet ein Lied von so bestimmter Länge, daß es mit der Spielszene des Films gleichzeitig ausklang? Da fiel mir das „schlecht gefärbte Haar" ein, und sonderbarerweise paßte unser altes Trink und Weinlied nicht nur im Rhythmus, sondern auch in der Länge genau auf die Szene ... So wurde es denn in den Film übernommen." Aber nicht immer klappt die Arbeit in dieser zwanglosen und angenehmen Weise. Huppertz weiß ein Lied darüber zu singen, wie sehr der Komponist filmischer Begleitmusik zwingenden Bindungen und Einengungen unterworfen ist. Mit beredter Zunge schildert er die Schwierigkeiten, die sich einem ernsten Wollen auf diesem Gebiete entgegensetzen. Nicht zu unrecht hat einmal ein Kritiker gesagt: „Filmmusik wird geschrieben nach Zentimetern, Metern und Kilometern." Die Tatsache, daß der Komponist wirklich bei der endgültigen Fassung seiner Musik auf die A'iitimeterlänge der einzelnen Filmszenen Rücksicht nehmen muß, äußert sich denn auch in der ganzen Art seiner Arbeit. Huppertz hat insofern bahnbrechend gewirkt, als er, sieht man von der Musik zum „Fridericus Rex"-Film ab, zum erstenmal von der symphonischen Untermalung der Filmhandlung abging und eine dramatisch bewegte Gestaltung der Musik bevorzugte. Das hört sich sehr einfach an. Aber gerade, wenn man bedenkt, daß es wesentlich einfacher i^t. eine auf der Bühne lang ausgespielte dra 2 iratische Szene auch musikalisch in zusammenhängender Melodielinie einem Höhepunkte zuzuführen, so ergibt sich ohne weiteres bei der kurzen Filmszene, daß die Melodielinie zu ganz kurzen Leitmotiven reduziert wird. Damit ist der Kontrast der früheren symphonischen Filmbegleitmusik und der Huppertzschen von vornherein gegeben. Huppertz verläßt den symphonischen Charakter der Musik und verwendet das Leitmotiv, das den großen Vorzug bietet, daß man es von Zeit zu Zeit immer wieder zitieren kann. Zwar soll auch das Leitmotiv noch melodisch wirken, doch läßt sich dies auch bei einer ganz speziellen Einstellung auf die Erfordernisse des Films recht wohl ermöglichen. Nach der Ueberzeugung von Gottfried Huppertz besitzt der Komponist gerade für die Filmmusik im Leitmotiv das beste Mittel, einmalige Stimmungen immer wieder heraufzubeschwören. Der seelische Gehalt ist also eher auf diese Weise, als durch irgendwelche anderen Hilfsmittel zu erfassen. Es ist schon wahr, daß der Filmkomponist mit der Uhr in der Hand arbeitet; wie unendlich erschwert wird aber selbst dieses eingeengte Schaffen dadurch, daß ein Film ja nicht notwendigerweise stets mit derselben Geschwindigkeit vorgeführt zu werden braucht. Ein Filmmeter umfaßt bekanntlich 54 Einzel-Bilder. Nun nimmt der Komponist an, daß der Film mit 27 Bildern in der Sekunde abläuft. Das würde für den Filmmeter einer Vorführungszeit von zwei Sekunden entsprechen. Also wird die Melodielinie für dieses Tempo berechnet. Aber es kann auch sein, daß nur 22 Bilder in der Sekunde projiziert werden. In diesem Falle müßte der Dirigent die Begleitmusik gewissermaßen strecken. Der Komponist hat also darauf Rücksicht zu nehmen, daß die melodiöse Wirkung und der Charakter der Melodie bei einer eventuellen Verlangsamung des Tempos, oder aber auch bei einer Beschleunigung, nichts einbüßen. Und die Berücksichtigung dieser Möglichkeit ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Im allgemeinen folgt Gottfried Huppertz in der praktischen Arbeit diesem Verfahren: nach der ersten Lektüre des Manuskriptes sammelt er Leitmotive und Einfälle, diese skizziert er im zweiten Stadium seiner Arbeit, und aus den weitläufigen Skizzen wird im dritten Stadium ein an sich ziemlich schlüssig zusammengefügtes erstes Noten-Manuskript. Damit sind die Vorarbeiten beendet, und nun geht es an die Ausfeilung des Materials. Je nach der Länge der fertig vorliegenden Szenen. Gerade weil das Werden der Filmmusik etwas unbedingt Organisches ist, — gerade weil es sich eigentlich dem Werden des wirklichen Films analog an die Seite stellen läßt, — eben darum ist es so ungeheuer schwierig, im letzten Augenblick noch I