Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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ein Pessimist, ein Willensstarker, denn die Tyrannie beruht ja auch auf der übergreifenden, dämonischen Willensenergie eines einzelnen Individuums. Von allen diesen wahrhaft titanischen und dämonischen Charakterveranlagungen besitzt Jannings' Nero nichts, aber auch rein gar nichts. Wäre Nero der gewesen, als den ihn Jannings darstellt, er hätte nie die Welt, noch nicht einmal Rom in Atem gehalten, noch viel weniger seinen Platz in der Geschichte erhalten, oder wäre gar von Dichtern zum Stoffe einer Dichtung gewählt worden. Jannings' Nero ist eine Auffassung, die durch nichts und niemand gerechtfertigt werden kann, denn sie ist grotesk. Ein schwerwiegendes Urteil, denn alles darf ein Nero sein, nur nichts grotesk. Das ist keine Auffassung, auch keine falsche, das ist eine Persiflage. Trotzdem ist jedes dieser Worte gerechtfertigt, denn ich sah Jannings in einer seiner besten Leistungen als S. I. Rupp in , Alles für Geld". S. I. Rupp und Nero, schon diese Zusammenstellung ist unmöglich, nein mehr noch. Und doch! wie viele Nuancen hat Jannings von S. I. Rupp auf den Nero übertragen! In Mailand geht über die Bretter der Scala Boitos große Oper „Nerone", und zu gleicher Zeit wird in Rom „Quo vadis?" mit diesem Nero gedreht? Ja, merkt man denn das gar nicht, oder will man aus dem Dämon, aus dem vom Cäsarenwahnsinn besessenen Imperator Nero einen S. I. Rupp machen? ? ? Dennoch unternimmt es ein hiesiges Lichtspiel-Theater bei seiner Ankündigung des Films ,,Der letzte Mann", Jannings als den größten lebenden deutschen Schauspieler zu bezeichnen. Und Conrad Veidt? Ist er bei dieser Konfrontierung nicht vielleicht höher zu bewerten? Veidt lebt seine verschiedenartigsten Rollen, und Jannings spielt sie nur. Veidt hätte sicherlich selbst aus dem Nero mehr gemacht, nein, er hätte ihn genau so überraschend lebenswahr gebracht, wie seinen Cesare Borgia. Nero und Cesare Borgia, durch Jahrhunderte getrennt, und doch welch überraschend sich ähnelnde Charaktere! Cesare Borgia und Nero! Dieselben Tyrannen, dieselben Ausmaße ihrer Laster, derselbe Egoismus und — dieselbe Feigheit. Und nun sehe man, wie Veidt den Cesare Borgia brachte, und wie Jannings seinen Nero! Der eine war Dämon und trug seinen Namen Cesare mit vollem Recht, und der andere — ein S. I. Rupp! Und nun will man auch noch ausgerechnet Jannings als den größten Schauspieler Deutschlands präsentieren! Nein. ich glaube, es ist wirklich höchste Zeit, daß das Kinopublikum gegen solch ungerechtfertigten Byzantinismus Stellung nimmt! Fritzi Bolltnann, Hamburg. 86