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unserer Seelen bemächtigen will, die Bedingung, daß er auch teil hat an unseren Sorgen, — daß er menschlich gegen dieselben Prüfungen zu kämpfen hat wie wir. Erst dann glauben wir an die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit seiner künstlerischen Kundgebung.
Diese Rekapitulation wäre banal und unlukrativ, wenn sie nicht im vorliegenden Falle geiadezu an einem Schulbeispiel Anhalt und Begründung fände. Das ,,Aus-dem-Volke-heraus"Prinzip hat bei Henny Porten seinen schnellsten und einwandfreiesten Triumph davongetragen: mit dem künstlerischen Aufstieg der Künstlerin ist ihre Entfernung vom Menschlichen in keiner Weise eingetreten. Die Frische der Geistigkeit ist durch alle Phasen des künstlerischen Aufstieges unverändert dieselbe geblieben, und wenn ein Wandel eingetreten ist, so ist es der zur Verinnerlichung, der d:;rch menschliches Leid erzeugt und geadelt wird
Dazu gehört die bedingungslose Bodenständigkeit — oder, wenn mi>n so will, die „völkische Eigenart", insofern man in diesem
Begriff eine gute und vorteilhafte Bedeutung sucht. Die Bodenständigkeit hat beispielsweise bei Henny Porten dazu geführt, daß sie nicht etwa den Weg in die Salons suchte, sie fand vielmehr die Befreiung von der Arbeit und die Sammlung neuer Kräfte fern von den Stätten gesellschaftlicher Zusammenrottungen. Die bayerischen Berge wissen ein Lied davon zu singen, — und wenn in Filmkreisen eine Zeitlang das billige Wortspiel „Garmisch-Portenkirchen" kursierte, so erhellt dieser Scherz ungewollt nur die Bedeutung, die die freie Natur für die deutsche Henny Porten gewonnen hat. Mit derselben Beharrlichkeit, mit der die Masse bei uns einen inhaltslosen, einen nur-lustigen Filmstar ablehnt oder aber ihm seine universelle Reputation bestreitet, — verlangt die Masse auch beim seriösen Filmkünstler die treue Anhänglichkeit an angestammte Einstellungen und Neigungen. In ihnen erblicken wir die bedingungslose und natürliche Zugehörigkeit zum Volksganzen und eine Gewähr für die Lauterkeit von Formwillen und Lebensinhalt.
Das Gesicht des Schauspielers
Aus nichts kommt nichts, und wo nichts umzuwandeln ist, da hilft keine Schminke und kein Puder. Der Schauspieler ist genau so ein produktiver Künstler wie der Zeichner, der Dichter, der Bildhauer. Und auch hier gibt es die verschiedenen Stufungen, vom regelrechten Abklatsch der Wirklichkeit, dem Naturalismus im engsten Sinne, bis zur vollkommensten Bewältigung des Stoffes durch die Form.
Eine Dichtung, so definierte Zola, ist ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament. Das Objekt der Schauspielkunst ist ein Stück Mensch, gespielt durch eine Persönlichkeit. Und der Vergleich geht v/eiter. Man kann dieselbe Landschaft grün, gelb oder blau sehen. Man kann die Darstellung des Frühlings von der naivfröhlichen oder der sentimental-melancholischen Seite in Angriff nehmen. Und die eine Madonna, der eine Christus haben Hunderte von Darstellungsvariationen zugelassen.
Als Mensch darf man sich erlauben, charakterlos zu sein, aber nicht als Schauspieler. Eine Idealfigur kann durch den Schauspieler banal werden, eine banale durch die Kraft seiner Persönlichkeit idealisiert. Die Freude am Schauspielern ist so alt wie die Freude am Singen, Tanzen und am Spiel überhaupt. Jeder hat etwas von
dieser Kunst. Aber hier ist ebenso streng zwischen Dilettant und Künstler zu unterscheiden, wie anderswo. Die neueste Aesthetik hat mit verblüffender Einfachheit, aber außerordentlich prägnant, diesen Unterschied formuliert: der Dilettant gestaltet Erlebtes, der Künstler erlebt Gestaltetes. Hiermit hat man einen sicheren Maßstab des Urteils.
Bei L e s s i n g tauchen Erörterungen darüber auf, ob ein Schauspieler wirklich seine Rolle erleben müsse, oder ob es nicht genüge, wenn er rein äußerlich die betreffenden Bewegungen der betreffenden Seeleneindrücke von sich gebe, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Lessing hätte, wenn er eine Ahnung vom Film gehabt hätte, in seiner Entscheidung nicht geschwankt, denn was allenfalls von den Brettern herunter möglich war, von der Leinwand her ist es das nicht.
Was wir von einem Künstler verlangen, ist vor allen Dingen Natur, aber eine Natur, die durch die Zucht bewußten Willens hindurchgegangen ist. Wo Kunst sich in Natur verwandelt, da hat Natur mit Kunst gehandelt. Die höchste Kunst ist also die K u n s t1 osi g k e i t.
Der Zwang muß sich völlig in der Freiheit auflösen.
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