Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Mein Sittenz eugnis 'Von ßosepß CDcfmont ach dreiundzwanzigjähriger Abwesenheit traf ich am 4. Mai 1910 in meiner Heimat, der ehemaligen k. u. k. Residenz und Kaiserstadt Wien ein. — Mein letzter Reisepaß, den man in jener großen Vorzeit nur in Rußland und Rumänien brauchte, stammte aus dem Jahre 188ö und war im K. u. K. Generalkonsulat in Singapore ausgestellt worden. Auch sonst waren meine Papiere in keiner Weise erneuert worden. Ich mußte wegen einer kleinen Erbschaft (wie sich später herausstellte, waren es 32 Gulden) meine Papiere in Ordnung bringen und besonders meinen Trauschein, da ich in London geheiratet hatte, beglaubigen lassen. Ich mußte zum Polizeikommissariat des XX. Bezirkes, Brigittenau, Wien. — Dort spielte sich folgende dramatische Szene zwischen dem Beamten und mir ab: Der Beamte: „Alsdann, dann müssen's noch a Sittenzeignis hab'n." Ich: „Was ist ein Sittenzeugnis?" Der Beamte: „A Sittenzeignis, is a Sittenzeignis." Ich: „Wo bekomme ich denn ein solches Zeugnis?" Der Beamte: „Da müssen's zu Ihnera Heimatsgenieinden schreiben und überall wo's halt g'wesen san seit's aus der Schul' sind." Ich: „Du lieber Gott, ich bin seit 25 Jahren auf Reisen, war allein sieben Jahre in Indien, Persien, Afghanistan, Japan, China, die letzten b Jahre war ich in den Vereinigten Staaten, wie soll ich denn da überall hinschreiben?" Der Beamte: „Ja dös tuat ma leid, aber wann's mit'n schreiben not geht, dann fahr'ns halt wieder da abi und lassen s' eahna bestätigen, daß nix Unrechts ang'stellt hab'n. Was sans' denn eigentlich?" Ich: „Ich bin Filmregisseur." Der Beamte: „Ah, da schaust her, hab'ns vielleicht a Freikarten zum Grabenkinematographen?" Ich: „Sie können von mir eine Jahreskarte bekommen, wenn ich nur mein Sittenzeugnis erhalte." Der Beamte: „Ah na, den Schwindel kiman ma schon. Bestechen gibts bei uns not. San So vielleicht an Ausrufer bei an Kino?" 18 Ich: ?!?!?! ? Der Beamte: „Alsdann was machen» denn nachher in Innern Kino?" I c h: „Ich stelle die Bilder, ich mache die Aufnahmen zum Photographieren zurecht." Der Beamte: „Geh'ns. derzähl'ns keine Pflanz', a Fotagraph sans." Ich : „Also wie kann ich mein Sittenzeugnis Der Beamte: „Ah hör'ns auf. da Kinamatagraph intrassiert mir, — wia wird denn dö's g'macht?" Ich: „Ja das kann man nicht so leicht erklären, da werden die Szenen probiert, der Apparat steht bereit und dann wird gedreht." Der Beamte: „Geh'ns hör'ns auf, dös is a Schwindel. Mir kennans' nix derzähl'n. Do Schauspieler schicken Ihna do Photographien und dö werd'n nach'er z'samm'g'stellt." Ich: „Kann ich das Sittenzeugn's erhalten oder nicht?!" Der Beamte: „\\ erd'n s' not keck! — W'aren's denn schon amol ei'g'sperrt?" Ich: „Was?" Der Beamte: „Ob 's schon amol eingekastelt war'n?" Ich: „Glauben Sie denn Herr Kommissär, ich würde es eingestehen, wenn es wirklich der Fall wäre?" Der Beamte: „Alsdann, sehn s'. hab' i doch recht! Warum war'n s' denn ein g'sperrt?" Ich: „Ich verbitte mir das!" Der Beamte: „Wann's noch amol so schrei'n so lass i Ihna gleich abfühm!" Ich: „Herr Kommissär, ich bitte mir jetzt zu sagen, ob ich ein Sittenzeugnis bekomme oder nicht." Der Beamte: „Reg'n s' Ihna nur net auf. — Für a Sittenzeignis san s' mir gar net kompetent, da müassen s' au Ihre Heimatsgemeinde schreib'n. Mir bestätigen Ihna nacha nur, daß bei uns im Bezirk wohna tun." Am Abend desselben Tages fuhr ich zum Heurigen „verkaufte mei G'wand" „fuhr in den Himmel" um mei letzte^ Kraul" und ..haute der Welt ein Loch" - wie es so schön in den Wiener Liedern heißt. ■ Das ..Sitlenzeugnis" hab ich nie erhalten....