Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Püiy^ *SI irgendwelchen Sehenswürdigkeiten zu versäumen, kurz.ermacht sich einengründlicheti Reiseplan und kommt dann in dem stolzen Bewußtsein wieder: alles von der Reise gehabt zu haben, waseineReisebieten kann. Diese gründlichen Menschen flößen mir große Achtung ein, weil ich es selbst noch niemals zu so achtungswürdiger Korrektheit gebracht habe. Fürmich ist Reisen eine Leidenschaft — nein — lebensnotwendig, nötig wie Essen, Trinken und Atmen. Aber ich muß herumvagabundieren können, ohne heute wissen zu müssen, was morgen sein wird; aufs Schiff gehen, weil ein blauesWasser lockt, tagelang in irgendeinem kleinen Nest sitzen bleiben, weil vielleicht dort schönere Blumen stehen als wo anders; einen Berg besteigen, weil die Höhe lockt, — das ist für mich der Begriff des Reisens. Als Kind mit Kunst aufgezogen, wie andere mit Milch aufgezogen werden, bin ich heute sogar so „profan", daß ich oft lieber in den blauen Himmel gucke, als in ein Museum zu gehen, das man eigentlich gesehen haben „muß". Ich muß gar nichts, wenn ich außerhalb meines Pflichten und Berufskreises in der Welt herumgondele, und das ist herrlich zu wissen. Ich kann heute extra nach London fahren, nur um einen Abend lang die Pawlowa, diese gottbegnadete Frau, tanzen zu sehen, werde vielleicht auf eine Stunde nach Amsterdam oder Kassel fahren, um dort „Die Nachtwache" und hier den „Segen Jakobs" wiederzusehen, werde sicher nicht Florenz verlassen, ohne das „Porträt" eines unbekannten Mannes" von Tizian im Palozzo Pitti besucht zu haben — denn auch in diesen Dingen gibt es für mich Lebensnotwendigkeiten, aber ich bringe es auch fertig, tagelang in Rom zu sein, ohne den Vatikan oder ein einziges Museum zu sehen. Jetzt ziehe ich mir sicher die Verachtung aller gründlichen Leute zu, nicht wahr? Aber auf die Gefahr hin, es mit diesen allen zu verderben: ich habe es wirklich schon fertiggebracht. Ich habe allerdings Rom, diese ewig lebendigste aller Städte, schon als Kind gekannt und damals alles gesehen, was es an Kunstschäfzen gab. Damals rasten noch nicht die Autos durch die Straßen, sondern die schönen vornehmen Equipagen fuhren in langer Reihe nachmittags zum Korso hinauf, hielten ein halbes Musikstück lang auf dem Pincio und glitten langsam durch die abendliche Stadt zurück. Ich weiß, daß mir schon damals Rom als Inbegriff der Lebensfreude und Lebenskultur erschienen ist, weiß noch, welchen Eindruck es mir machte, als nach einem kleinen Diner, zu dem ich bei Freunden mit meinen Eltern gehen durfte, Tuberosen auf silbernen Tabletts gereicht wurden, während man noch bei Tisch saß - als letzter Gang sozusagen, um den Essensgeruch zu vergessen und zum gesellschaftlichen und künstlerischen Teil des Abends überzuleiten. In dem damaligen Rom — ich spreche von 1913 — 1914 — kam man schon manchmal in den Salons nach dem Essen zusammen — in großer Toilette — und die besten Köpfe der Gesellschaft — ich entsinne mich Scamballis und des weißen Kopfes des alten Orsini — unterhielten sich dann ein paar Stunden angeregt, musizierten, tauschten Meinungen aus alles strahlte von Eleganz, Lebenslust, die Tische und Büfetts waren mit Beeten von Rosen bedeckt — Rom wußte eben zu leben! „Hartleben sagt einmal: „Rom ist eine Krankheit, die einem im Blute bleibt", — und so jung ich damals war — mir i s t Rom im Blute geblieben all die Jahre! Man ist doch nur so kurze Zeit jung und so schrecklich lange alt, und in dieser schrecklich langen Zeit wird man so schrecklich viel /eit haben, 22