Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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mählich ebbte auch das ab, und lautlose Stille lag im Zimmer. Maria preßte die Hand auf die Brust: was war das nur? Sie mußte leidend sein! Aber sie hatte doch nichts geträumt! Sie hätte sonst wenigstens Bruchstücke des Traumes in der Erinnerung auffinden müssen! Steenwijk runzelte die Stirn, als er hiervon erfuhr, und er ließ am frühen Vormittag anspannen, um mit Maria in die Stadt zu fahren. Der Arzt mußte eingreifen, es ging nicht länger so. Doktor Hallein verordnete Beruhigungsmittel, auch er sagte: „Denken Sie daran, es ist eine junge Frau!" Und er versprach, einmal hinauszukommen nach der Kampenburg, um dort nach dem Rechten zu sehen. Das hatte aber lange Weile, denn Hallein war erst an seinen Wohnort neu übergesiedelt und mußte darauf bedacht sein, seine eigenen Sprechstunden nicht zu versäumen. Maria fühlte sich bedrückter denn je. Sie begab sich jetzt schon in der Erwartung, wieder aufgeschreckt zu werden, zu Bett, und um Steenwijk nicht unnötige Besorgnisse zu bereiten, kam sie auf den Einfall, sich des Nachts irgendwie zu beschäftigen und dafür am Tage etwas länger zu ruhen. Auch das erwies sich als zwecklos: — selbst in den Vormittagsstunden fühlte sie das unheimliche Erschauern, die Kälte wehte sie aus irgendeiner Ecke her an, und die Fälle, daß sie Stimmen vernahm, häuften sich. Es waren verschiedene Stimmen; sie konnte ganz deutlich zwei weibliche erkennen und — hin und wieder — eine männliche. Allgemach ging Maria dazu über, auf diese besonderen Geräusche zu warten; dennoch fuhr sie jedesmal zusammen, wenn sie sie vernahm. Und in den frühen Morgenstunden eines regenschweren Tages ereignete sich das Entsetzliche: sie hörte Musik. Ganz deutlich Musik. Maria hatte die Nacht angekleidet auf einer Ottomane verbracht, die neben dem Schlafraum aufgestellt war. Vor der Ottomane befand sich ein großer dreiflügliger Spiegel, und in diesem Spiegel beobachtete sich Maria selbst. Sie starrte ihr eigenes Bild an, als sie die leisen Musikklänge vernahm, und aus ihrem Bild vergewisserte sie sich, daß sie wache. Die Musik schien einem kleinen Orchester zu entstammen, Maria hörte eine Violine, dann eine zweite, sie hörte ein Klavier und irgendwelche tiefen Baßtöne. Und während sie sich bemühte, die Instrumente auseinander zu halten, steigerte sich ihre lähmende Furcht, als jubelnde Stimmen. Menschenstimmen, sich in die Musik mischten. Eine weibliche Stimme lachte tönend auf, ganz nah schien die Lacherin zu sein, und ein eisiger Hauch sprühte durch das Zimmer. Mit Bewegungen, die Marias Willen nicht zu gehorchen schienen, erhob sie sich und trat auf den Spiegel zu; sie durchquerte den Zwischenraum, aus dem die Musik und das Lachen auf zuquellen schienen, sie empfand die ununterbrochen wehende Kälte, — aber sie stieß auf nichts, bis sie den Spiegel erreicht hatte. Im Glase überblickte sie das Zimmer, das düster und schwer dalag, aber nichts Ungewohntes aufwies, und wie das Tönen in ihren Ohren langsam abflutete, leiser und leiser wurde, dann ganz verhallte, da packte sie ein namenloses Grauen vor dem Geheimnisvollen, sie schrie in hemmungsloser Furcht jäh auf, stürzte mit kurzer Wendung zur Tür, öffnete sie — und brach auf der Schwelle besinnungslos zusammen. Hier fand man sie wenige Miuten später. Als Maria um die Mittagszeit aus der Ohnmacht erwachte, saß Steenwijk an ihrem Lager und hielt ihre Hand in der seinen. „Maria, was ist dir geschehen?" fragte er. Die junge Frau sah aus umränderten Augen um sich, als suchte sie in der Erinnerung. Jede Frische war von ihrem Gesicht getilgt, es war. als sei ein dunkler Schatten über sie hinweggeweht. „Wir fanden dich vor deinem Zimmer." sagte Steenwijk mit leiser Stimme, als wollte er ihrem Gedächtnis nachhelfen. Und nun sann Maria zurück, Stück für Stück des Vorfalles tauchte wieder in ihr auf, und sie umklammerte in neuer Furcht die Hand ihres Mannes. Dann erzählte sie, was sie erlebt hatte. Steenwijk sah auf sie wie auf eine Schwerkranke herab: das, was sie berichtete, war ja zu ungereimt, als daß es ihm eingehen konnte. „Laß uns von hier fortgehen." bat sie schließlich. Und als sie das ausgesprochen hatte, dämmerte in ihr, was der Rittmeister bei seinem ersten und bisher einzigen Besuch gesagt hatte: die Kampenburg hat die Besitzer sehr oft gewechselt . . . Steenwijk nickte begütigend: „Wir wollen verreisen, Maria, das wird dir gut tun!" „Nein, ganz weg frage den Rittmeister, ja? Wir wollen zu ihm fahren, er soll uns erzählen, warum die Kampenburg so lange leer gestanden hat. Willst du?" So ließ Steenwijk anspannen und fuhr mit seiner Frau über Land. Babenfeld war daheim; ein. großer Gutshof dehnte sich vor seinem Haus, das Geflügel schnatterte und gackerte durcheinander, daß fast das Geholper des einfahrenden Wagens davon erstickt wurde. Auf der breiten Freitreppe stand der Rittmeister, die Pfeife im Munde, die Beine in hohen Stulpenstiefeln. Steenwijks Landauer fuhr vor. Maria stieg müde aus dem Wagen und machte die Herren bekannt. Babenfeld ließ einen schnellen Blick über die junge Frau gleiten und sagte unvermittelt: „Die Luft in der Gegend bekommt Ihnen nicht, gnädige Frau!" Steenwijk beschönigte zunächst, aber sehr bald kam er doch auf den wahren Grund seines Besuches.