Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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hörte er schlürfende Schritte. Es war schwierig, zu sagen, aus welcher Ecke sie kamen und wohin sie gingen, — aber das Geräusch war vorhanden. Der Boden war mit dicken Teppichen belegt, aber die Schritte wurden auf dem bloßen Fußboden gemacht. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die Geräusche nachließen. Steenwijk war ganz benommen von seiner Wahrnehmung. Am nächsten Tag untersuchte er die seitlich und oben anstoßenden Zimmer: überall mußte der Teppichbelag das natürliche Zustandekommen der Geräusche verhindern. Also handelte es sich um eine übernatürliche Erscheinung? Steenwijk vermochte es nicht zu glauben. Vor seiner Frau verheimlichte er seine Eindrücke; es war genug, wenn er sich mit der Angelegenheit befaßte. Zudem schien es, als ob Maria sich langsam erholte, je weiter ihre Erlebnisse in die Vergangenheit zurücksanken. Das' hauchzarte Rot ihrer Wangen kehrte wieder, und damit besserte sich auch die Stimmung. Diese Fortschritte mochte Steenwijk nicht aufs Spiel setzen. Die Geräusche aber verstummten nicht. Es war, als ob das Ohr der Bewohner dieser Zimmer sich im Laufe einiger Zeit erst an eine gewisse Hellhörigkeit gewöhnen müßte, so daß die Wahrnehmungen sich ganz allmählich von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht verstärkten. Und was bei Maria nicht der Fall gewesen, stellte Steenwijk an sich fest: die Erscheinungen manifestierten sich mit ziemlicher Regelmäßigkeit. Einmal schloß er sich um die Nachmittagsstunden in diesem Flügel der Kampenburg ein, das ganze Gesinde hatte Ausgang erhalten, weil er alle zufälligen Schritte aus dem Gebäude fernhalten wollte. Maria schlief wie gewöhnlich um diese Zeit. Steenwijk setzte sich in einen gepolsterten Armstuhl und versuchte, sich in ein Buch zu vertiefen. Wie lange er so gesessen hatte, — er wußte es nicht: plötzlich schwang sich ein Sausen in sein Ohr, das an irgendeiner Stelle im Zimmer seinen Ausgang nehmen mußte. Und aus dem Sausen wurde eine seltsam abgehackte Melodie. Es war ein Ländler, was er vernahm, ■ — es konnte ein Ländler sein, und richtig: er vernahm wieder scharrende Schritte, aber es hatte den Anschein, als ob diese Schritte im Takte der Musik gesetzt würden. Unter Anspannung seiner Aufnahmefähigkeit lauschte Steenwijk weiter, und er dachte sich zu dieser unerklärlichen Musik ein Gegeuwartsbild: er sah bäuerliche Tänzer vor sich, die sich im Kreise drehten. Unsinn! sprach er zu sich selbst. ich sehe nichts, aber so könnte es aussehen, wenn etwas zu sehen wäre !" Jetzt nur keine Täuschungen! Trotzdem fühlte er eine Kälte ihn überströmen, einen Lufthauch, der im Zimmer entstanden sein mußte. Beherrschter als Maria, erhob er sich aus den Stuhl und ging im Zimmer rundum. Die Geräusche wurden verschwommener, sie traten etwas zurück an Deutlichkeit und Rhythmus, dafür jedoch schlug ein plötzlicher Fieberschauer auf ihn. der seine Beine wanken machte. Ernstlich beunruhigt, ließ er sich wieder nieder. Was geschah denn hier? Gab es hier Gespenster, die ihn mattsetzten. weil er sich unter ihnen in einem Raum bewegte, den sie . . . für sich beanspruchten? Die verhexten Zimmer des Herrensitzes griffen allgemach auch seine Nerven an. Er war nicht ängstlich, wie Maria, — besaß auch andere Nerven, als die zarte, empfindsame Frau, aber was er hier erlebte, ging selbst über seine geistige Kraft. Ein Schabernack kam nicht in Frage, zufällige Geräusche ebensowenig, — und Halluzinationen? Ja, konnten solche Halluzinationen sich denn über Jahrzehnte hinaus erstrecken, konnten sie mit bestimmten Räumen verbunden sein, mußte von ihnen jeder befallen werden, auch der, der von dem unheimlichen Ruf des Hauses keine Ahnung gehabt hatte? Und Maria hatte nichts davon gewußt, daß die Kampenburg verwunschen war . . . Zwei Nächte darauf war Steenwijks Hellhörigkeit soweit gestiegen, daß er deutliche Stimmen hörte. Es mochten drei Stimmen sein, wie der Rittmeister ihm erzählt hatte, es konnten aber auch zehn sein. Es war ein Geflüster in den drei Zimmern, die diesen Flügel bildeten, ein heimliches Raunen und Stammeln, das die Haare zu Berg treiben konnte. Mitunter schien es, als ob Musik aufschwoll, aber die Töne erstarben in dieser Nacht sehr schnell. Die leisen Worte dauerten bis gegen Sonnenaufgang. Erschöpft schlief Steenwijk ein. Und diese Nacht hatte ihm die ruhige Fassung geraubt. Als er aus bleischwerer Abwesenheit erwachte, war ihm, als hätte er unter einem schweren Druck gelegen. Das entging Maria nicht. „Verkauf das Haus, wenn's jemand haben will," sagte sie ihm. „Es ist nicht wert, daß wir uns dem Spuk opfern!1' Steenwijk fuhr in die Stadt. Dr. Halleiu schüttelte den Kopf: „Sie erzählen mir Schnurren ... Ich habe nie geglaubt, daß in der Gegend von Kampenburg solche Miasmen in der Luft herumschwirren!" Trotz seiner Skepsis versprach er, sich daHaus wirklich einmal anzusehen. „Ihrer Suggestion kann ich natürlich damit nicht beikommen," meinte er mit gutmütigem Spott. „Ich lade Sie ein, sich auf vier oder sechs Wochen dort zu etablieren!" forderte ihn Steenwijk auf. Dr. Halleiu sah ihn scherzend an: „Die Gespenster sind offenbar etwas schwerfällig, daß sie soviel Zeit brauchen." Steenwijk war zu bedrückt, um im gleichen Ton erwidern zu können. Und dem Arzt tat es fast leid, den Patienten etwas zu oberflächlich behandelt zu haben. „Geben Sie die Sache doch einem Detektiv in die Hand'" schlug er vor. 56