Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Als sie zurückkamen, stand sie auf der Treppe vor dem Hause. „Was haben Sie gemacht?" erkundigte sie sich. Dr. Hallein lächelte nachsichtig: „Die Gespenster müssen doch irgendwo wohnen! Und da sie offenbar obdachlos sind, sucht man ihren Schlupfwinkel am besten an den unangenehmsteil Stellen! Der Arzt ist manchmal so ein Stück Kriminalpolizei, gnädige Frau!" Maria verstand nicht, was er meinte, und sie schwieg, weil sie nicht in ihn dringen wollte. Sehr bald zog sich Dr. Hallein mit seinem Patienten zurück; Steenwijk war überaus reizbar und abgespannt. Absichtlich verstrickte ihn der Arzt in eine gleichgültige Unterhaltung, man sprach über die Nachbarschaft, über die Bauern und politische Ereignisse, und während des Gespräches, dem Steenwijk nur mit Anstrengung folgen zu können schien, kehrte sich dei Blick des Schloßherrn mehr und mehr nach innen. Es war, als schlössen sich die Augenlider, weniger aus wirklicher Ermüdung, sondern um den anderen Organen eine um so intensivere Tätigkeit der Empfindung zu ermöglichen. Plötzlich hob Steenwijk den rechten Arm und streckte lauschend den Zeigefinger aus. Auch Dr. Hallein gab sich Mühe, etwas zu hören, — vergeblich. Und nun begann Steenwijk, den erhobenen Zeigefinger im Takte auf und ab zu bewegen, als vernähme er eine Musik. Die Augen öffneten sich weit und starrten ins Zimmer, trafen gelegentlich die Blicke des Arztes, verweilten aber nicht bei ihnen, sondern irrten mit flackerndem Glanz zwischen den Möbeln hin und her. Dr. Hallein sah auf die Uhr, dann ließ er den Geisterlauscher gewähren. Ueber eine Stunde dehnte sich Steenwijks Entrücktheit, dann sank der Arm, und die Lider fielen zu. In vollkommener Ermattung lehnte er sich zurück, der Kopf fiel auf die Brust, und kurz darauf verrieten leise Atemzüge, daß die Exaltation vorüber war. Und nun nahm Dr. Hallein eine sonderbare Untersuchung vor: zunächst beschäftigte er sich mit dem Puls des Schlafenden, dann hob er die schlaff herabhängenden Arme auf: Steenwijk erwachte nicht. Die Erschöpfung war vollkommen. Auch einem Druck auf die Augäpfel widerstand der anscheinend Bewußtlose. Dr. Hallein nickte vor sich hin. Und er begann eine langsame, zielbewußte Wanderung durch die drei Räume dieses Flügels: er rückte Möbel ab, er lüftete die Teppiche, entfernte Bilder von den Wänden und legte an verschiedenen Stellen unter der Rupfenbespannuug den glatten Mörtel bloß. Mit seinem Taschenmesser pochte und schabte er, unternahm dasselbe an anderen Stellen, und als die Standuhr gegen die dritte Morgenstunde vorrückte, waren die Räume in einen wirren Trödelladen verwandelt. Das kümmerte ihn indessen nicht. Er ging auf den Korridor hinaus, schaltete überall das elektrische Licht ein, und suchte die Kellertreppe. Dort öffnete sie sich vor ihm. 60 Eine Taschenlampe hatte Dr. Hallein nicht bei sich, denn er war kein Kriminalist; aber er bedurfte ihrer auch nicht. Das Haus war überallhin von Lichtleitungen durchzogen. Im Keller bahnte er sich seinen Weg über Kisten und Kästen; von zwei Jahrhunderten hatte sich hier ein fester Niederschlag an den Fundamentmauern gebildet, doch war der Putz nur wenig beschädigt. Dr. Hallein vergegenwärtigte sich hier unten noch einmal den Grundriß der ganzen Kampenburg, schritt dann zwischen den gewaltigen Tragpfeilern hindurch und erreichte den Unterbau des verwunschenen Schloßflügels. Niemand vom Gesinde, kein Wächter, kein Hofhund bewachte seine Bewegungen. „Hier könnten Gespenster von Fleisch und Bein umgehen!" dachte er lächelnd. „Niemand würde sie stören!" Und wieder kratzte er mit seinem Taschenmesser an der Verputzung der Mauern. Meter um Meter drang er vor, der Mörtel war nach uralten Rezepten bereitet: er backte wie Fels. Kopfschüttelnd überflog Dr. Hallein sein ungemütliches Arbeitsfeld, dann stutzte er. Und er eilte über die roten Ziegelfliesen hinweg, um sein Pochen und Schaben an einer massiven Querwand fortzusetzen, die sich mit geringfügiger Verjüngung gegen die Oberwelt anstemmte. An dieser Wand von stattlicher Dicke machte sich eine Verfärbung bemerkbar, und der Putz hatte einen hohlen Klang. „Das Totengerippe!" lachte er vor sich hin, kichernd und triumphierend. Als Dr. Hallein den Keller verließ, hellte sich der Himmel bereits im Osten auf. Er achtete nicht darauf. Einen flüchtigen Blick nur warf er auf den noch immer schlafenden Steenwijk, dann glitt er in das ihm angewiesene Zimmer hinüber und betrachtete die Gesteinsbrocken, die er unter dem Putz der verfärbten Mauer herausgeholt hatte, sehr angelegentlich. Ein schwärzlicher Schimmel, stellenweise grün gesprenkelt, hatte sich in die Ziegel eingefressen; der Belag war geruchlos, kaum feucht — aber saß tief in der Unterlage. » Am frühen Vormittag verabschiedete sich der Arzt von Steenwijk und seiner Frau. „Was sollen wir tun?" fragte Maria. Ihre großen Augen hingen wißbegierig und flehend an Dr. Halleins Mund. „Warten Sie noch einen Tag," bat der Arzt. „Ich werde Sie dann von meiner Ansicht verständigen." „Haben Sie etwas gehört in dieser Nacht?" forschte Steenwijk mit hoffnungslosem Gesicht. „Bei mir war es das alte: — Stimmen, die durcheinander huschten . . ., hohe und tiefe Stimmen . . ., im Anfang ein leises Brausen, dann Musik, die ziemlich deutlich wurde . . ." Dr. Hallein nickte: „Und hohes Fieber . . ., Wachfieber sozusagen." „Wachfieber ?" fragte Maria. „Was ist das?"