Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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ander; seine nächtlichen Qualen hatten ihn schon an die Schwelle der Lethargie gebracht. In den Keller kam niemand, daß hier ganze flächen des zweihundertjährigen Mörtels abgebrochen waren, herausgebrochen mit altem Bandeisen, das Dr. I lallein in reichem Maße vorgefunden hatte, bemerkte kein Bewohner des Hauses. Dr. Hallein untersuchte unterdessen die kleinen Ziegelstücke, die er ungefragt mit sich genommen hatte. Und sein Begleiter hielt auf den Knien ein sorgsam verstöpseltes Glas, in dem sich Schlamm aus den Rändern des versiegenden Weihers der Kampenburg befand. „Es ist einer der sonderbarsten Fälle, von denen ich je erfahren habe," sagte Dr. Hallein zu seinem Reisebegleiter. „In der medizinischen Literatur gibt es nur ein Gegenstück . . ., die Zwergmoosalge, die wir im zentralen Afrika und in Indien finden . . ." „Und die auch sehr selten ist," warf der Begleiter ein. Dr. Hallein nickte: „Es müssen besonders ungünstige Voraussetzungen zusammentreffen . . ." Daheim arbeitete er abermals eine Nacht hindurch. Er stellte mikroskopische Präparate her, färbte den schwärzlichen Niederschlag nochmals mit rotem Farbstoff, prüfte und prüfte immer wieder. Und endlich fand er, was er geahnt und gesucht hatte, fand er die Zusammenhänge. Pilze, winzig, mikroskopisch kleina Pilze, fraßen sich auf den hauchzart, mit Feuchtigkeit überzogenen Ziegeln ein, schoben sich mit einer unwiderstehlichen Beharrlichkeit vorwärts, stiegen auf nassem Boden ins Gemäuer ein, brachen in Jahrzehnte-, in jahrhundertelanger Fortpflanzung durch Keller und Boden an die Oberfläche durch . . „ und nisteten sich immer ansteigend auch in den Mauern des ersten Stockwerkes der Kampenburg ein. Nur im westlichen Flügel, der auf dem nassen Boden des absickernden Weihers stand. Gespenster ! Und Dr. Hallein lachte nicht mehr, als er das Wort wiederholte: „Gespenster!" Waren es nicht wirkliche Unholde, diese kleinen, unsichtbaren Pilze, die durch den porösen Mörtel hindurch die Räume mit geruchlosen Verwesungsdünsten ausfüllten, mit fiebererregendeu Ausströmungen, die Zwangsvorstellungen erzeugten . . . und vielleicht sogar, wie alle heftigen Fiebererscheiiumgen. gelegentlich tödlich wirken konnten? Gespenster! Mau müßte ein Experiment mit diesen Gespenstern machen, sie einmal nicht auf Menschen, sondern auf Tiere loslassen, — ging es Dr. Hallein durch den Kopf. Und er nahm sich vor, die Kampenburg auszunutzen. Vor allem aber wollte er nicht telephonieren. Er wollte seinen Befund selbst Iran Maria Steeuwijk überbringen . . ., ihr und natürlich auch ihrem Mann. Es war sonderbar, daß 62 er sich dabei entdecken mußte, wie er sich auf den Augenblick freute, dieser Frau Maria seinen Triumph mitteilen zu können. Er selbst holte den Kraftwagen aus der Garage, er selbst steuerte ihn, und durch treibende Novembernebel eilte er über das freie, kalte Land. Da hinten stiegen schon die Türmchen der Kampenburg auf . . . Sicherlich kam er zu früh! Steenwijk würde noch im bleiernen Schlaf liegen. Nun, wenn auch! Er fuhr über die Dorfstraße, bog in die Auffahrt ein, — das Tor stand offen. Dicht vor der Treppe brachte er den kleinen Wagen zum Stehen. Wie kirn das? Fand sich niemand, ihn zu begrüßen? War das Gesinde nicht im Haus? Dr. Hallein stieg die wenigen Stufen empor, die Tür war nicht verschlossen. Ratlos verharrte er in der Halle. Da vernahm er irgendwo im Hause schnelle Schritte. „Heda!" schrie er, und mit einem Male kam ihm seine eigene Stimme zu laut vor. Es mußte etwas in diesem Hause vorgegangen sein, oder es mußte etwas vorgehen, das das laute Rufen verbot. Hatte man denn nicht semen Wagen vorfahren hören? Aufs Geratewohl durchschritt er den Salon, kam in den langen Korridor des Ostflügels und gelangte in die Wirtschaftsräume. Ein junges Ding saß da und starrte vor sich hin. „Guten Morgen!" begrüßte Dr. Hallein sie. Das Mädchen sah überrascht auf. „Ist die Herrschaft schon auf?" erkundigte er sich. „Ich treffe niemand ... Ich möchte den Herrn oder die gnädige Frau sprechen . . ." „Der Herr ist heute morgen — " „Was ist er?" unterbrach er sie. Er ließ sie nicht ausreden, denn nun wußte er, daß nur in Häusern, die einen Leichnam bergen, diese trostlose Einsamkeit herrscht. Er wartete gar nicht erst eine Antwort ab. Er ging den Korridor zurück, stürzte die breite Hallentreppe hinauf und verfolgte im östlichen Flügel des Obergeschosses den Gang, der zu Marias Gemächern führte. Welche Tür war es doch? Diese hier! Er öffnete sie, das Zimmer war leer. Also nebenan! auf: da saß Maria, zusich, aber ohne Tränen in Leise klinkte er sa minengekauert in den Augen. „Gnädige Frau." flüsterte nur. Maria hörte ihn Herrgott, dachte Und er wiederholte sagte Dr. Hallein. er nicht. er, sollte auch sie . . .? etwas lauter: „Frau Steenwijk, erschrecken Sie nicht, ich bin hier." Da wendete Maria ihm das Gesicht zu. Sie wollte aufstehen, aber sie vermochte es nicht. „Ich weiß, was geschehen ist. gnädige Frau," fuhr er fort. „Ich bin ergriffen . . . Und ich mache mir selbst die schwersten Vorwürfe . . . Aber wie kam es denn? Wie war das möglich?"