Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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ICH HABE ANGST! Vor drei oder vier Jahren einmal nahmen mich einige Bekannte mit in ein Filmatelier. Man hatte mir gesagt, ich könne vielleicht auch mitfilmen. Und — mit Riesenerwartungen klopfte das dumme siebzehnjährige Herz den Jupiterlampen entgegen. Ja, ich filmte sogar! Eine Freundin schminkte mich, so daß ich glaubte, unter einer Maske ersticken zu müssen, und der Regisseur — ein Bekannter meiner Leute — ließ mich durch eine Szene, in der noch viele andere mitspielten, ich kann ruhig sagen: laufen. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen, daß ich wieder aus dem Bereich des Objektivs verschwand, und — offen gestanden — auch ich selbst war heilfroh, als ich diesem unbarmherzigen Monokel, das die Welt bedeutet, entronnen war. Stolz kam ich wieder nach Haus und dachte, den Weg des Ruhmes nun betreten zu haben . . . Später habe ich mich in dem Film nicht einmal mehr selbst wiedergefunden. — Wirklich — wenn ich heute sagen soll, was ich denke, so lautet die kurze und bündige Parole: „Ich habe Angst!" Da habe ich nun Jahre um Jahre im Hause meiner Eltern gelebt, hin und wieder, den Rockzipfel in der elterlichen Haustür verklemmt, die Nase ein wenig in die Welt gesteckt, und soll nun hinter Müllers Schürze hervorgeholt, im Filmatelier S1EGL1XD die von der Ufa anerkannte wettßewerB ./. meinen Mann stehen". Oh — ich habe es schon gesagt, daß ich einmal in einem Filmatelier gewesen bin , ich g'.aube aus der Erinnerung zu wissen, was das heißt: Da sind nun d e vie'.en Menschen, die alle rufen. schreien, hämmern und sonstwie mit vielem Geräusch ihrer Arbeit nachgehen Sie sind so vielbeschäftigt, daß wohl kaum einer von dem weiß, was der andere tut. Sie alle hetzen und jagen durcheinander, von morgens früh bis abends spät, und haben kaum genug /eil, .in Essen und Trinken zu denken. Wie sollen sie, die mit unendlich Wichtigerem beschäftig! sind, sich mit mir, dem dummen Ding, das überall i'n Wege Steh', abgeben? 64 Der einzige Rettungsanker in der Flucht der Erscheinungen wird für mich der Regisseur sein, und gerade vor ihm habe ich die meiste Angst: denn er wird verlangen,, daß ich spiele und nicht probiere, daß ich sicher und nicht unsicher bin. Denn er hat ja doch die wenigste Zeit von allen, und was zu ihm kommt, muß doch wohl der fix und fertige Extrakt aller vorbereitenden Tätigkeit sein. Was soll ich da anfangen? Bestimmt — ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Man wird mir entgegenhalten, daß ja alle unsere heutigen großen Künstler einmal den ersten Schritt getan haben müssen, daß sie alle mehr oder minder einmal das „dumme Ding", das überall im Wege steht, gewesen sind. Ja — aber — darum wird doch für mich die Situation keineswegs eine andere ! Ich stehe, Dank der „Filmwoche", vor der Pforte zur Filmkunst. Ich habe mich selbst immer dahin gewünscht und diese Pforte ist nicht einmal dunkel, sondern hell erleuchtet, und in dem Getriebe, das ich dahinter sehe, glaube ich auch einen schmalen Weg zu finden, der mich auf die Leinwand führt. Aher alles, was diesen Weg umgibt, das ist verwirrend. Tausend Menschen kreuzen diesen . schmalen Weg. tausend Zufälle weisen nach rechts und links und einen Mentor, einen kundigen Führer in diesem hunderttorigen Theben gibt es nicht. Ich glaube, durch die Einsamkeit ginge es sich leichter. Aber es hilft nichts! Alle pessimistischen und zweifelnden Gedanken sind wohl genau wie das Atelier selbst, sie irren vom Wege ab. Was nützt es schließlich, wenn ich mich heute mit der Frage „Werde ich bestehen?" abquäle — nun gibt es nur eins, und hoffentlich ist dieses Mittel sicher: die Augen zu und durch! Ich hörte einmal von einem bekannten Künstler, daß er als Mittel gegen das Lampenfieber ist es wirklich Lampenfieber? — den Alkohol empfahl. Wenn alle Stränge reißen, soll ich dann . . .? Trotzdem: Ich habe Angst! SIEOLISD THORWAID THOR WA L D Pfiot.: Binder Preisträgerin im Sdön/jeirsr „Tilmwode"