Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Wieviel aber kam auf einen bei neun Geschwistern, die Verwandten gar nicht gerechnet! — Und wie lange war es noch bis zur Kerwe? Und dann, so gut Mutters Kuchen auch war, so gut wie der im Fenster von Rumpelmayers Konditorei in Mannheim schmeckte er doch nicht; das konnte man sehend schmecken. Der hatte so einen schönen braunen Zuckerguß obendrauf. Der von Mutter aber hatte gar nichts obendrauf: ein gewöhnlicher Käsekuchen. Allerdings kostete er auch nichts; und die zehn Pfennig — , das war ja das fast unüberwindliche Hindernis zum Rumpelmayerschen Käsekuchen. An die Sparbüchse konnte er nicht, die hielt Mutter festverschlossen in der Kommode, nur zur Einsegnung wurde sie geöffnet. Was also tun? Die Taschen waren zwar dick gefüllt, mit allerlei Kram, vom Murmel bis zum Taschenmesser war alles darin zu finden — , aber das wurde ja nie verkauft — nur „verfuggert" unter Kameraden. So blieb also nichts anderes übrig, als Lumpen und Alteisen jetzt schon zu verkaufen und nicht erst, wie gewöhnlich, zur Kerwe, um etwas Kerwegeld zu bekommen; denn Wilhelm fuhr auch für sein Leben gerne Karussell. In Gedanken überlegte er nun, wie viel Lumpen und Alteisen er wohl beisammen habe und ob er vielleicht, um das Gewicht zu erhöhen, einen Stein mit in die Lumpen wickeln sollte, denn für Lumpen gab es nur einen Pfennig und für Knochen und Alteisen zwei Pfennig das Pfund. Nun war das so eine merkwürdige Sache: hatte er endlich einen Haufen Lumpen beisammen, holte die Mutter sie sicher wieder hervor, weil sie fand, daß dies oder jenes doch noch zu gebrauchen wäre, und die Knochen, die zerklopfte Vater immer Tür das Vieh; ja selbst unter dem alten Eisen suchte er noch herum, ob nichts mehr davon zu gebrauchen wäre — , und meistens fand er auch etwas. Also schlecht, sehr schlecht stand es mit Wilhelms Schätzen. Traurig und müde von der ergebnislosen Jagd trieb er am Abend seine Gänse nach Hause. Auf dem Dorfplatz brüllten seine Kameraden den neuesten Dorfschlager: „Auf dem Baume da hängt eine Pflaume, die möcht ich gerne haben". — Pflaumen — , seufzte Wilhelm, oh nein! Käsekuchen! — Wo er ging und stand suchte er nach Lumpen und Alteisen. Jeder Nagel, jeder Schlüssel mußte dran glauben; besonders hatte er es auf Hufeisen abgesehen. Die wogen sehr schwer und dann brachten sie auch Glück. Sorgfältig versteckte er alles in einem Sack, den niemand finden konnte. — Plötzlich — eines Tages, hielt er es nicht mehr aus, — und so wenig auch in dem alten Sack war, er beschloß, zu verkaufen, um endlich seinen Heißhunger nach Rumpelmayerschem Käsekuchen zu stillen. Er hatte in Erfahrung gebracht, daß in der Stadt, in Ludwigshafen, ein Händler viel mehr bezahlte, als die Lumpensammler, die im Dorf von Haus zu Haus gehen. Am Mittag lief er so schnell, als er konnte und holte Brennnessel für die Gänse. An der Böschung der alten Landstraße standen sie in Hülle und Fülle, so daß er seinen Wagen schnell voll hatte. Zum ersten Male seit langer Zeit war Wilhelm wieder froh und heiter. Scherzend erwiderte er einem Städter, der ihn fragte, ob denn die Brennessel nicht brennen — ? „Nein — , den Monat nicht" — , und als der sich dennoch die Hände verbrannte, lachte er auf: „Den Monat nicht, aber die Hände verbrennen sie." — Daheim — ehe noch einer ihn gesehen hatte, nahm er den Sack auf den Buckel und lief nach der Stadt. — Bibbernden Herzens stand er vor dem Althändler und verfolgte aufgeregt den Gang der Wage. Er rechnete in seinem kleinen Kopfe, was er wohl bekommen werde, rechnete und rechnete, bis ihm der Händler zwölf Pfennig in die Hand drückte. Prüfend schaute er noch einmal nach der Wage, dann auf das Geld in seiner LIand, es war wenig, sehr wenig, aber genug für ein Stück Käsekuchen. Schnell durch die Stadt, die Brücke hinauf — schon sah er sich in dem Laden — den Kuchen in der Hand — , da fühlte er eine derbe Faust im Genick : „Drei Pfennige Brückengeld!" — Wilhelm erschrak, stumm schaute er auf den Brückenwärter — , das hatte er nicht bedacht: das Brückengeld. Drei Pfennige hinüber und drei Pfennige herüber . . . macht sechs Pfennig — , und zwölf Pfennige hatte er nur — . Da stand er, der kleine Wilhelm aus Mundenheim, vor ihm der Rhein — , drüben Mannheim — — und drüben — der unerreichbare Käsekuchen. 12