Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Expressionismus im Film Von Fritz Beyer ehört der „Expressionismus" in den Film? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns erst über den Sinn des abgegriffenen Wortes „Expressionismus" klar sein. Zur Klärung dient wohl am besten folgendes Beispiel: Eine auf einem elektrischen Klavier gespielte Sonate ist lehlerlos und korrekt wiedergegeben, so wie sie der Komponist aufs Papier gebracht hat. Und doch bleibt der Zuhörer kalt und unbeteiligt. Wird dieselbe Sonate meinetwegen von d'Albert gespielt, so werden wir ergriffen und erhoben. Der Künstler legt also außer der technischen Vollkommenheit in sein Spiel noch etwas mehr hinein, und dieses Mehr, das in unserer Seele wiederklingt, ist „Express i o n". Beides, Expression und handwerkliches Können, zusammen ist Kunst. Der Naturalismus vernachlässigte das Expressionistische und landete im kalten Virtuosentum. Der neue „Expressionismus" schießt nun nach der anderen Seite über das Ziel, indem er meint, das Handwerkliche beeinträchtige das Kunstwerk. Und diesen „Expressionismus" meinen wir in der Ueberschrift. Es ist die Kunstrichtung, die man heute unter „Expressionismus' versteht. Die Vertreter dieser Kunstrichtung sind natürlich ebenfalls auf dem Holzweg, denn handwerkliches Können ist der Kunst unerläßlich, man kann nicht dichten, wenn man die Sprache nicht beherrscht, nicht musizieren, wenn man kein Instrument spielen kann, und nicht malen, wenn man das Malhandwerk nicht versteht. Wenn ein Bild auf den Beschauer wirken soll, muß es außer dem Malerischen auch das Gegenständliche zum Ausdruck bringen, so daß der Beschauer nicht erst raten muß, was das Bild vorstellt. Oder gar im Zweifel ist, ob das Bild etwa verkehrt herum hängt. Was das mit dem Film zu tun hat? Sehr viel. Denn der Film ist keine zweidimensionale Bühne, sondern ein Bild, ein lebendes Bild. Und da es schnell wechselt und dem Beschauer nur kurze Zeit zur Betrachtung läßt, und da es außerdem noch einen Vorgang illustriert, muß es die Gegenstände in ihrer charakteristischsten Form bringen. Ein Haus muß ein Haus, ein Fenster ein Fenster, eine Flasche eine Flasche sein. Erscheint z. B. eine Straßenbahn im Film, so muß es ein Wagen sein, wie wir ihn gewohnt sind zu sehen und kein aus dem rechten Winkel geratenes „expressionistisch" verschrobenes Vehikel. Das hat seinen Grund darin, daß sich der Mensch mit dieser oder jener Person im Film identifiziert und darum Dinge und Geschehen im Film nur gezeigt werden müssen, wie sie im Leben sind. Der Film soll doch den Beschauer fesseln. Am meisten wird wohl der Film das Interesse haben, auf dem der Beschauer sich selbst wiedersieht, er steht im Mittelpunkt seines Erlebens. Und alles Geschehen um ihn herum filtert er durch sein Gehirn. Wie dankbar ist der Zuschauer, wenn er im Film eine Gegend sieht, die er schon in Natur gesehen hat. „Ach, das ist ja Tölz," hört man hinter sich, „da war ich letzten Sommer." Oder wie freut sich der Berliner, wenn er ein Straßenbild seiner Vaterstadt im Film sieht. Ich denke mir z. B. einen Film sehr reizvoll, der die Fahrt auf der Hochbahn bringt mit ihrem Gedränge und wechselnden Straßenbildern vom Führerstand aus. Auch die Handlung darf nicht „expressionistisch" sein. Wie der Mensch die Natur natürlich sehen will, so will er sich in seinem Verhältnis zu den anderen Menschen auch natürlich sehen. Der Film ist kein Theater, sondern der Film ist Bild. Der Film zeigt z. B. folgendes: Ein junger und ein älterer Mann gehen in einem eleganten Zimmer hin und her, ihre aufgeregten Armbewegungen verraten, daß sie sich in einer heftigen Debatte befanden. Mehr zeigt der Film nicht. Daß der junge Mann der Sohn des älteren, daß er ein Verschwender ist, der jetzt von seinem Vater zurechtgewiesen wird, das erfahren wir durch das geschriebene Wort, das nebenher läuft. Der Film ist also die Illustration des uns in kurzen Sätzen servierten Romans, die Figuren der Illustration müssen in uns verständlicher Kleidung und für unsere Begriffe gebräuchlichen Räumen auftreten. Der Film ist eben Bild. Nun gibt es auch Films, die ohne Wort verständlich sind. Gewiß. Es gibt auch aufeinanderfolgende Bilder, deren Handlung ohne Erläuterung ohne weiteres verständlich ist. Ich erinnere hierbei nur an Wilhelm Busch. „Expressionistisch" gezeichnete Illustrationen sind ein Widerspruch in sich selbst. Ebenso expressionistische Films. Eine Ausnahme, und zu gleicher Zeit sehr bezeichnend für den „Expressionismus" sind solche Films, die da zeigen, wie die Welt im Hirne Geisteskranker aussieht Ich denke hierbei an den hervorragenden Caligari-Film und solche, die ihr Motiv im Mystischen, im Unwirklichen haben. Da ist der „Expressionismus" geradezu Bedingung. Im übrigen ist der Film ein Bild aus dem Leben, ein lebendes Bild — , „moving p i c t u r e". 75